Streik ja oder nein? Bahn-Prozess verzögert
04.10.2007, 15:05 UhrMillionen Bahnkunden in Deutschland müssen sich wegen neuer Streikpläne der Lokführergewerkschaft GDL an diesem Freitag auf Einschränkungen im Nah- und Fernverkehr einstellen, denn die Bahn wird mit einem Notfahrplan unterwegs sein. In der Gerichtsverhandlung über die Zulässigkeit des neuen Lokführerstreiks wurde ein Befangenheitsantrag der GDL gegen den Richter abgelehnt, der Schachzug sorgte jedoch dafür, dass der Prozess zeitweilig unterbrochen wurde. Mit einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Chemnitz wird nun am frühen Freitagmorgen gerechnet.
Das Gericht muss über den Antrag der Bahn auf eine einstweilige Verfügung entscheiden, mit der der Konzern den für Freitag angekündigten Streik stoppen will. Die GDL versicherte, das Votum des Gerichts zu befolgen. GDL-Chef Manfred Schell sagte im Fernsehsender n-tv, bei einer Niederlage aber in Berufung und notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen zu wollen.
Plan B tritt in Kraft
Die GDL hat für morgen zwischen 8 und 11 Uhr zum Streik aufgerufen, bei der Bahn liegt schon ein Notfahrplan bereit, an den sich der Konzern auch dann halten will, wenn das Arbeitsgericht Chemnitz den geplanten Streik noch in letzter Minute stoppen sollte. Wichtig sei ein verlässliches Angebot für die Kunden, sagte ein Bahn-Sprecher. Das komplizierte Fahrplangefüge sei nicht kurzfristig änderbar.
Mit 1.000 zusätzlichen Mitarbeitern sollen von den täglich rund 750 Fernverkehrszügen rund zwei Drittel fahren, vor allem die ICE-Züge. Im Regionalverkehr sei geplant, bis zu 50 Prozent der täglich 19.000 Züge zu fahren, sagte Meyer. Güterzüge, die am Freitag ihr Ziel nicht erreichten, würden am Wochenende weitergefahren. Auch bei der S-Bahn werde versucht, so viele wie möglich auf die Strecke zu bringen.
Auf die Frage, welche Lokführer auf den Zügen eingesetzt würden, antwortete Meyer: "Wir haben auch andere als GDL-Lokführer." GDL-Chef Schell kritisierte, die Bahn wolle beamtete Lokführer einsetzen und sie zu Streikbrechern machen. Seine Gewerkschaft will mit dem dreistündigen Streik im Berufsverkehr für absoluten Stillstand sorgen. Von 8.00 bis 11.00 Uhr werde sich "kein Rad drehen", verkündete Shell.
"Was die GDL in Sachen Streik entscheidet, interessiert uns nicht mehr", sagte dagegen Personenverkehrs-Sprecher Gunnar Meyer auf einer Pressekonferenz am Nachmittag. Die GDL habe es nicht eingehalten, die Bahn 24 Stunden vorher zu informieren, daher sei es auch nicht mehr interessant, was GDL-Chef Schell zu sagen haben. "Wir lassen uns nicht erpressen", so der Bahnsprecher. Stattdessen werde man alles tun, was möglich ist.
Bei der Unversöhnlichkeit der beiden Parteien, ist daher eine Fortsetzung des Streits vorprogrammiert. "Wenn die Deutsche Bahn AG bis Anfang nächster Woche kein verhandlungsfähiges Angebot vorlege, müsse sie sich auf einen weiteren Arbeitskampf einstellen", erklärte Manfred Schell. "Unsere Mitglieder sind jedenfalls nicht länger bereit, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf ein vernünftiges Angebot zu warten." Die GDL fordert einen eigenständigen Tarifvertrag und 31 Prozent mehr Geld für das Fahrpersonal.
Die größeren Gewerkschaften Transnet und GDBA kritisierten den eskalierenden Tarifstreit zwischen Bahn und GDL. Die juristische Vorgehensweise des Konzerns gegen drohende Streiks sei nicht der richtige Weg, ein tarifpolitisches Problem zu lösen, sagten Transnet-Vorstand Alexander Kirchner und GDBA-Vize Heinz Fuhrmann. Scharf kritisierten sie auch den Kurs der GDL: "Mit Erpressungspotenzialen zu spielen, Tarifforderungen nach Belieben zu verändern, nur auf Krawall gebürstet zu sein und sogar nach der Politik zu rufen, zeugt nicht von solider und vorausschauender Tarifpolitik."
Fahrzeiten im Internet
Der Notfall-Fahrplan soll am Freitag ab Betriebsbeginn gelten. Züge und Fahrzeiten seien ab dem heutigen Donnerstag, 18.00 Uhr, im Internet (siehe Link) und unter der Telefonnummer 08000-996633 verfügbar. Darüber hinaus würden alle Mitarbeiter in den Bahnhöfen über den Sonderfahrplan informiert. Für die Kunden wird bei den Fahrkarten die Zugbindung aufgehoben, so dass die Fahrgäste auch eine andere als die bezahlte Verbindung nutzen können. Für ausgefallene Fahrten werde bis Ende Oktober das Geld erstattet, hieß es.
Quelle: ntv.de