Entlassungen möglich Daimler zieht Sparbremse
08.04.2009, 16:48 UhrDaimler-Chef Dieter Zetsche sieht die Autobranche in einer "Jahrhundertkrise" und schließt selbst bei dem schwäbischen Vorzeigeunternehmen Entlassungen nicht mehr aus. "Nach unserer Einschätzung werden die Automobilmärkte die Talsohle frühestens in der zweiten Jahreshälfte durchschreiten", sagte Zetsche auf der Hauptversammlung in Berlin. "Letztlich wird niemand in unserer Branche von dieser Jahrhundertkrise verschont bleiben." Deshalb müsse in allen Sparten des Dax-Konzerns der Gürtel enger geschnallt werden. Den Mitarbeitern will Zetsche mit einem Bündel an Sparmaßnahmen herbe Lohneinbußen abverlangen.
In drei Wochen wird der Autobauer tiefrote Zahlen für das erste Quartal vorlegen. "Das erste Quartal wird deutlich negativ", sagte der Konzernlenker. Zu Entlassungen könne es im äußersten Fall kommen, wenn die Krise weiter anhält. "Zu einer Kündigung darf aber nur als Ultima Ratio gegriffen werden", sagte Finanzvorstand Bodo Uebber. Zuvor müssten alle anderen Möglichkeiten wie Kurzarbeit oder Abbau von Arbeitszeitkonten ausgeschöpft werden. Ein Beschäftigungssicherungspakt schließt betriebsbedingte Kündigungen eigentlich bis Ende 2011 aus. In Krisenzeiten kann davon aber abgewichen werden, sofern der Betriebsrat zustimmt.
"Eiserne Kostendisziplin ist in der Automobilindustrie heute zwar eine notwendige Bedingung zum Überleben der Gegenwart", sagte Zetsche. "Wer aber zulässt, dass der Rotstift an die Stelle strategischer Planung tritt, gefährdet seine Zukunft." Im Wettlauf um die Entwicklung umweltfreundlicher Antriebe werde Daimler deshalb trotz der Krise Gas geben.
Zetsche räumt Fehler ein
Für das Gesamtjahr stellt sich der Stuttgarter Autobauer wegen des seit Monaten anhaltenden Sinkfluges beim Absatz auf einen "deutlichen Rückgang des Geschäftsvolumens" ein. Beim Ergebnis werde mit "weiteren erheblichen Belastungen" gerechnet, sagte Zetsche. Der Umsatz werde voraussichtlich in allen automobilen Geschäftsfeldern rückläufig sein.
Zetsche räumte ein, im vergangenen Jahr nicht sofort auf den Absatzeinbruch reagiert zu haben. "Ich gebe zu: Im Nachhinein würden wir uns wünschen, wir hätten Mitte letzten Jahres sogar noch früher gebremst." Um die Bilanz zu entlasten, soll die Zahl der auf Halde produzierten Fahrzeuge nach und nach zurückgefahren werden.
Als Reaktion auf die dramatische Krise will Zetsche in diesem Jahr mehrere Mrd. Euro einsparen. Allein die Personalkosten in Deutschland sollen um rund zwei Mrd. Euro sinken. Die Kurzarbeit für die 68 000 Produktionsbeschäftigten in den deutschen Werken reiche nicht mehr aus. Nun soll auch die Wochenarbeitszeit für 73 000 Mitarbeiter in Verwaltung, Einkauf sowie Forschung und Entwicklung um bis zu fünf Stunden gekürzt werden. Dies bedeutet Lohneinbußen von bis zu 14 Prozent. Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat sollen Ende April abgeschlossen sein.
Außerdem sollen die Kosten in der Verwaltung im laufenden Jahr noch einmal um 500 Mio. Euro gedrückt werden. Auch die Aktionäre sollen sich mit einer von 2,00 Euro auf 0,60 Euro gekappten Dividende zufriedengeben. Den Posten des Strategievorstandes wird der Konzern nach dem Wechsel von Rüdiger Grube auf den Chefsessel der Deutschen Bahn einsparen. Die Aufgaben werden künftig auf Zetsche, Finanzvorstand Uebber und den neuen Personalvorstand Wilfried Porth verteilt.
Die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien - auf die auch der neue arabische Großaktionär Aabar setzt - sollen nach den Worten Zetsches nicht von den Sparplänen betroffen sein. Bis 2012 will Daimler bei der Pkw-Neuwagenflotte in Europa auf einen durchschnittlichen Kohlendioxid-Ausstoß von unter 140 Gramm pro Kilometer kommen und damit die EU-Vorgaben erfüllen.
Dickes Absatzminus
Der Pkw-Absatz ist bei dem Premiumhersteller seit Monaten auf Talfahrt, in den ersten drei Monaten 2009 brachen die Verkäufe im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent ein. Bei den Nutzfahrzeugen rauschte der Absatz sogar um 39 Prozent nach unten. Bereits im vergangenen Jahr war der Gewinn des Konzerns um fast zwei Drittel auf 1,4 Mrd. Euro zusammengeschmolzen. Das operative Ergebnis schrumpfte von 8,7 Mrd. Euro auf 2,7 Mrd. Euro. Der Umsatz ging um vier Prozent auf 95,9 Mrd. Euro zurück.
Neue Belastungen drohen im laufenden Jahr durch die verbliebene Beteiligung am angeschlagenen US-Autobauer Chrysler. Im Falle einer Insolvenz des derzeit nur noch dank Staatshilfen überlebenden US- Herstellers können "wir Auswirkungen auf das Ergebnis 2009 nicht ausschließen", sagte Uebber. Im vergangenen Jahr schlugen die Belastungen durch den knapp 20-prozentigen Chrysler-Anteil mit mehr als drei Mrd. Euro zu Buche.
Quelle: ntv.de