"Konzerne wollen Reibach machen" Empörung über Milchpreise
05.08.2007, 14:28 UhrDie kräftigen Preissteigerungen bei Milchprodukten in Deutschland haben scharfe Kritik in der Öffentlichkeit hervorgerufen. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) warf den großen Konzernen Preistreiberei vor. Aus Brüssel meldete sich die EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel in der "Bild am Sonntag": "Wir verfolgen die Preissteigerungen auf dem Milchmarkt genau, und wir reagieren mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen". Angesichts der allgemeinen Versorgungssituation in der EU seien solche Preissprünge "nicht gerechtfertigt."
Wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa ergab, stieg der Butterpreis bei den Discountern Aldi-Nord, Lidl, Netto und Plus, in den Real-Warenhäusern sowie bei Edeka und Rewe für 250 Gramm von 79 Cent auf 1,19 Euro - ein Preisruck von 50 Prozent. Bei Rewe zahlen die Kunden für fettarme Milch 55 Cent statt bisher 49 Cent. Der Milchpreis liegt bei Discountern und Supermärkten schon seit mehreren Wochen um 7 Cent höher als zuvor.
Stoiber warf den großen Konzernen und Zwischenhändlern vor, sie wollten "wohl den großen Reibach machen. Da ist mit Sicherheit das Kartellamt gefordert". Er sehe angesichts der globalen Nachfrage durchaus ein, dass Milchprodukte teurer würden. "Aber eine Preissteigerung um 50 Prozent - das halte ich für absurd. Noch dazu, wenn bei den Bauern kaum etwas ankommt", sagte der Zeitung.
Der Berliner DIW-Konjunkturforscher Alfred Steinherr sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", seiner Einschätzung nach lägen die Gründe für den Preisanstieg nicht in einer plötzlich gestiegenen Nachfrage aus Asien. Diese habe seit Jahren regelmäßig zugenommen, ohne dass es in Europa zu einem stetigen Anstieg der Preise gekommen sei. Es dränge sich der Verdacht auf, "dass sich einige große Anbieter zusammengetan haben, um die Preise abzusprechen". Er glaube nicht, dass sich Preiserhöhungen von bis zu 50 Prozent auf Dauer durchsetzen lassen. Er rechne mit etwa fünf Prozent.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Bärbel Höhn, nannte im Deutschlandradio Kultur die Preiserhöhung nicht gerechtfertigt. Dem stehe keine gleichzeitige Qualitätssteigerung gegenüber.
Die Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle für Agrarerzeugnisse (ZMP) hatte einen drastischen Preisanstieg für Milchprodukte um bis zu 50 Prozent angekündigt. Das Bundeskartellamt will diesen Sprung unter die Lupe nehmen. "Die Erhöhung der Milchpreise im Juni potenziert sich jetzt bei den Butterpreisen", sagte ein Sprecher des zweitgrößten deutschen Lebensmittelhändlers Rewe in Köln. Für die Herstellung von einem Kilo Butter seien 20 Liter Vollmilch nötig.
Ein Liter Vollmilch kostet bei Aldi, Edeka, Netto, Plus, Real und Rewe seit einigen Wochen nicht mehr 55 Cent, sondern 62 Cent. Die Preise von Quark und Joghurt blieben zum Beispiel bei Edeka bisher unverändert. "Aber auch da wird sich sicher noch etwas tun", sagte ein Edeka-Sprecher in Hamburg.
Die Molkereien hatten mit den großen Handelsketten nach mehreren Jahren sinkender Milchpreise höhere Erzeugerpreise vereinbart. Dazu kommt nach Ansicht von Marktexperten eine gestiegene Nachfrage nach Milchpulver in Asien - vor allem China - und ein geringeres Angebot durch den zunehmenden Anbau von Pflanzen für Biodiesel.
Quelle: ntv.de