Der Abschwung ist da, oder? Experten sind uneins
02.07.2008, 06:50 UhrNach Einschätzung von Wirtschaftsexperten kommt die Konjunktur in Deutschland zunehmend in schwieriges Fahrwasser. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, rechnet für das kommende Jahr nur noch mit einem Wachstum von ein Prozent, nach zwei Prozent im laufenden Jahr.
Auch der Wissenschaftliche Direktor des Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Adolf Horn, erwartet für 2009 nur noch ein Plus von 0,9 Prozent. Horn geht auch von einem Ende des Job-Booms aus. Das Institut zur Zukunft der Arbeit sieht den Zenit beim Beschäftigungsaufbau ebenfalls überschritten.
"Der Abschwung ist da. Er ist nur noch nicht ausgeprägt", sagte Walter der "Saarbrücker Zeitung". Nach einem Wachstum von zwei Prozent in diesem Jahr erwarte er nur noch ein Plus von ein Prozent im kommenden Jahr. "Das ist so nah an Stagnation, dass man kaum mehr behaupten kann, sie wäre vermieden", merkte der Chefvolkswirt an.
DIW setzt auf Haushaltkonsolidierung
Walter widersprach damit auch der jüngsten Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die von einem weiter anhaltenden Aufschwung ausgeht. "Das halte ich für eine falsche Beschreibung der Lage", erklärte der Wirtschaftsexperte. Statt bislang 2,0 Prozent rechnen die DIW-Forscher nun mit einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts 2008 von 2,7 Prozent. Für 2009 reduzierten die Experten ihre Schätzung von bislang 1,6 Prozent auf 1,2 Prozent.
Wichtig für die Experten vom DIW ist hierfür die Haushaltskonsolidierung. Die habe sogar noch Priorität vor Steuersenkungen, sagte Christian Dreger, Leiter der DIW-Konjunkturabteilung, gegenüber n-tv. Der Staat habe eine Unternehmenssteuerreform gemacht, die Beitragssätze zur Arbeitslosenversicherung seien in 2008 gesenkt worden. "Damit hat der Staat eigentlich sein Pulver schon verschossen. Jetzt kommt es darauf an, die Konsolidierung zu erreichen, denn von einem konsolidierten Staatshaushalt gehen erhebliche positive Wachstumswirkungen aus."
Zum privaten Konsumverhalten äußerte sich Walter ebenfalls pessimistisch. Alle Experten hätten darauf gesetzt, dass der Beschäftigungszuwachs in Verbindung mit kräftigen Lohnsteigerungen zu einem spürbar stärkeren Konsum führe. Nun würden die Verbraucher zwar mehr ausgeben, aber in erster Linie, um damit höhere Sprit-, Energie- und Nahrungsmittelkosten zu begleichen. "Fazit: Der erhoffte Aufschwung durch mehr Konsum fällt erst einmal aus", erklärte Walter.
Horn: Höhere Zinsen bremsen Wachstum
Horn befürchtet eine weitere Konjunkturabschwächung, sollte die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen zu stark erhöhen. "Wenn es bei einer Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte bliebe, wäre das noch gerade erträglich. Wird die Zinsschraube fester angezogen, könnte das für Europa eine Katastrophe bedeuten, ein Abgleiten in die Rezession", sagte Horn der "Passauer Neuen Presse" (Mittwochausgabe).
Für den weiteren Jahresverlauf 2008 erwartet Horn eine stagnative Entwicklung bei einer weiterhin hohen Inflationsrate. Ursache seien die hohen Energiepreise, sagte er der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". In diesem Zusammenhang fordert Horn staatliche Zinssenkungen. Außerdem müssten Investitionsprogramme aufgelegt werden, um Energie einzusparen.
Zugleich prognostizierte der IMK-Chef ein Ende des Job-Booms. "Wir sehen inzwischen ein Auslaufen des Aufschwungs, und das schlägt sich dann allmählich in einer nachlassenden Beschäftigungsdynamik nieder", sagte er. Ähnlich sieht es der Arbeitsmarktexperte des Instituts zur Zukunft der Arbeit, Werner Eichhorst. "Wir haben den Zenit beim Aufbau von Beschäftigung überschritten", sagte er der "Berliner Zeitung". Mit einer deutlichen Reduzierung der Arbeitslosenquote sei im kommenden Jahr nicht zu rechnen.
Quelle: ntv.de