Volles Streikrecht GDL setzt sich durch
02.11.2007, 06:33 UhrDie Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) darf im Güter- und Fernverkehr streiken. Das entschied das sächsische Landesarbeitsgericht in Chemnitz. Richter Werninger Leschinger erklärte, eine Beschränkung des im Grundgesetz verbrieften Streikrechts sei nicht zulässig, die Wahl der Mittel sei dabei den Tarifparteien selbst überlassen. Eine Ausweitung der Streiks sei per se nicht unverhältnismäßig. Die Gewerkschaft bekommt damit im laufenden Tarifkonflikt eine deutlich stärkere Position.
In der ersten Instanz hatte das Chemnitzer Arbeitsgericht Streiks lediglich im S-Bahn- und Regionalverkehr erlaubt. Die GDL will frühestens in der kommenden Woche mit Maßnahmen im Güter- und Fernverkehr beginnen. Am Wochenende werde es keinen Ausstand geben, kündigte GDL-Chef Manfred Schell an.
Sein Vize Claus Weselsky sagte gegenüber n-tv, dem Bahnvorstand solle damit die Gelegenheit geboten werden, das Urteil zu bewerten und darauf aufbauend ein neues Angebot vorzulegen. Die GDL sei nicht zum Streiken da, meinte Weselsky. "Wenn der Arbeitgeber sich allerdings weiterhin so starrsinnig verhält, hat er auch die Schäden zu zahlen und zu verantworten, was dann passiert." Über das weitere Vorgehen werde die GDL noch entscheiden.
Bahn-Verhandlungsführer Werner Bayreuther hatte erneut vor immensen Schäden durch einen Streik gerade im Güterverkehr gewarnt. "Es würden selbstverständlich enorme wirtschaftliche Schäden entstehen, für die Bahn, das Gemeinwohl und die deutsche Wirtschaft", erklärte er. Es sei kein guter Tag für Bahnkunden und die deutsche Tariflandschaft. Er fordert die GDL auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Bayreuther beharrte allerdings auf dem jüngsten Angebot als Grundlage der Verhandlungen, was die Gewerkschaft aber strikt ablehnt.
Die GDL fordert deutliche Lohnerhöhungen und einen eigenständigen Tarifvertrag, was die Bahn mit Verweis auf die Tarifeinheit in dem Unternehmen strikt ablehnt. Ein Streik im Güter- oder Fernverkehr würde der Bahn weit mehr schaden als die bisherigen Blockaden im Regionalverkehr, wo viele Reisende mit ohnehin bezahlten Monatskarten unterwegs sind.
Die deutsche Wirtschaft befürchtet im Falle von Streiks im Güterverkehr "drastische" Schäden. Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wird ein solcher Streik ab einer Dauer von drei Tagen volkswirtschaftlich bedenklich. DIW-Abteilungsleiterin sagte gegenüber n-tv: "Wenn die sehr empfindlichen Stellen, wie zum Beispiel die Häfen in Hamburg und Bremerhaven bestreikt werden, kann es sehr schnell zu Chaos kommen."
Nach der eines flächendeckenden Bahnstreiks erwägt der Bahn-Vorstand den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Dies werde geprüft, sagte Personalvorstand Margret Suckale . "Lieber wären uns aber Verhandlungen." Die GDL habe mit dem Urteil noch mehr Verantwortung bekommen. "Sie kann die ganze Republik lahm legen", sagte Suckale. "Diese Verantwortung wird ihr auch kein Bahn-Vorstand abnehmen." Ein neues Angebot zu machen, lehnte sie ab. "Das wird es eher nicht geben." Auch ein eigenständiger Tarifvertrag für die Lokführer komme nicht in Frage.
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee SPD) warnte vor einer Verschärfung des Arbeitskampfes bei der Bahn. "Ein Streik hätte gravierende Folgen für die Volkswirtschaft", sagte er der "Frankfurter Rundschau". Zugleich appellierte er an Bahnchef Hartmut Mehdorn und den GDL-Vorsitzenden Manfred Schell, doch noch eine Einigung zu suchen. "Das Urteil eröffnet Möglichkeiten zum Streik, bürdet aber den Tarifpartnern eine noch größere Verantwortung auf. Es ist das Gebot der Stunde, die Verhandlungen zügig wieder aufzunehmen", sagte Tiefensee.
Quelle: ntv.de