Dramatischer Hilferuf GM geht das Geld aus
07.11.2008, 20:43 UhrDer US-Autobauer General Motors hat sich nach einem Milliarden-Verlust düster über seine Lage und die Situation der gesamten Branche geäußert. Der Opel-Mutter und weltweiten Nummer zwei der Autobranche werde im ersten Halbjahr 2009 das Geld ausgehen, falls es nicht zu weiteren Hilfen oder drastischen Schritten komme, teilte der Konzern mit. Um die Krise zu überleben werde GM die Einführung neuer Modelle verschieben, die Produktion herunterfahren und weitere Stellen abbauen.
"Noch nie dagewesene Turbulenzen in der Wirtschaft und am Kreditmarkt haben die Ergebnisse von GM und der Autobranche dramatisch beeinflusst", erklärte der Konzern. Die Lage sei so schlimm wie seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren nicht mehr.
Allein im abgelaufenen Quartal verringerten sich die verfügbaren Geldmittel bei GM um 6,9 Mrd. Dollar. Per Ende September betrug der Bestand noch 16,2 Milliarden Dollar. GM hat wiederholt erklärt, der Konzern brauche ständig elf bis 14 Mrd. Dollar, um die Autosparte am Laufen zu halten und Zulieferer zu bezahlen.
Die Decke wird dünn
Es sei absehbar, dass die Liquidität bis Jahresende so weit abschmelze, dass sie zur Aufrechterhaltung der Geschäfte gerade noch ausreiche, warnte GM. "Mit Blick auf die ersten beiden Quartale 2009 gehen wir selbst bei der Umsetzung laufender Programme zur Kostensenkung davon aus, dass die Liquidität deutlich unter die notwendige Höhe fallen wird."
Dies sei nur zu verhindern, wenn sich die Wirtschaftslage und die Situation für die Autobranche massiv verbessere. GM benötige hohe Einnahmen aus dem Verkauf von Vermögenswerten, einen besseren Zugang zum Kapitalmarkt oder zu anderen Geldgebern oder weitere staatliche Hilfen. Das Kreditpaket der US-Regierung über 25 Milliarden Dollar sei wichtig, reiche aber nicht aus, sagte GM-Chef Rick Wagoner. "Es muss aber weitere Maßnahmen geben."
Auch Opel betroffen
GM schloss betriebsbedingte Kündigungen in Nordamerika nicht aus. Bei Opel in Rüsselsheim hieß es am Freitagabend, es liefen weite Gespräche zwischen Management und Arbeitnehmervertretern. "Es geht darum, das operative Geschäft in Europa der Nachfrage anzupassen." Opel hatte schon in den vergangenen Wochen die Bänder in vielen westeuropäischen Werken stillstehen lassen, um die Produktion zu drosseln.
Netto wies GM im abgelaufenen Quartal ein Verlust von 2,5 Mrd. Dollar aus, was 4,45 Dollar pro Aktie entsprach. Der Umsatz fiel um rund 13 Prozent auf 37,9 Mrd. Dollar. Analysten hatten einen Verlust pro Aktie von 3,70 Dollar und 40,1 Mrd. Dollar Umsatz erwartet. Weltweit wurden mit 2,1 Mio. Autos elf Prozent weniger als vor Jahresfrist verkauft. In Westeuropa sank der Absatz um 12,3 Prozent,
Einen Teil der Verluste schob GM nach Europa ab: Das Geschäft rund um die Hauptmarke Opel stürzte mit einem operativen Verlust von einer Milliarde Dollar tief ins Minus. Nach Angaben des Konzerns haben sich sowohl der US-Markt als auch die übrigen großen Absatzgebiete schlecht entwickelt.
Chrysler-Kauf auf Eis
GM leidet wie alle Autobauer unter der Kreditklemme infolge der Finanzkrise und einbrechenden Verkaufszahlen. Dabei konnte GM einer raschen Nachfrageverschiebung hin zu verbrauchsarmen, kleineren Autos nicht folgen. Für 2009 nahm GM am Freitag seine Prognose für den US-Absatz über alle Hersteller hinweg auf 11,7 Mio. und für 2010 auf 12,7 Mio. Fahrzeuge zurück. 2007 wurden auf dem US-Markt noch 16,1 Mio. Autos verkauft.
Eine Fusion mit dem Wettbewerber Chrysler, über die zuletzt spekuliert worden war, scheint vorerst vom Tisch. Ohne Chrysler namentlich zu nennen erklärte GM, Überlegungen eines Zukaufs seien zurückgestellt worden. Vorrang hätten Schritte, mit denen im Verlauf des Jahres 2009 etwa 20 Mrd. Dollar Liquidität freigesetzt werden sollen. GM-Aktien verloren am Freitag zeitweise 15 Prozent auf 4,05 Dollar.
Verwirrung am Markt
Vor Bekanntgabe der Zahlen hatte GM für große Verwirrung an den Märkten gesorgt. Weil sich die Bekanntgabe der Ergebnisse verzögerte, wurde der Handel der GM Aktie in New York zeitweise ausgesetzt.
GM-Chef Rick Wagoner sagte zudem bereits vereinbarte Interviews etwa mit TV-Sendern in letzter Minute ab. Der Opel-Mutterkonzern selbst nannte zunächst keinen Grund für die Probleme bei der Zahlenvorlage. Die Ergebnisse sollten eigentlich bereits um 16.30 Uhr deutscher Zeit bekanntgegeben werden und lagen schließlich mit einer Verspätung von fast zwei Stunden vor.
Quelle: ntv.de