"Von Finanzkrise gebrochen" Merckle begeht Suizid
06.01.2009, 19:14 UhrDer finanziell in Bedrängnis geratene schwäbische Unternehmer Adolf Merckle hat sich das Leben genommen. Die Staatsanwaltschaft Ulm erklärte am Dienstag, Merckle sei am Montag von einem Zug bei seinem Heimatort Blaubeuren erfasst und getötet worden. Der 74-Jährige hatte zuletzt mit den Banken um die Rettung seines Familienimperiums gerungen, das unter anderem wegen Fehlspekulationen mit VW-Aktien massiv unter Druck gekommen war.
"Die durch die Finanzkrise verursachte wirtschaftliche Notlage seiner Firmen und die damit verbundenen Unsicherheiten der letzten Wochen sowie die Ohnmacht, nicht mehr handeln zu können, haben den leidenschaftlichen Familienunternehmer gebrochen, und er hat sein Leben beendet", teilte seine Familie mit. Merckles Leiche war nach Angaben der Staatsanwaltschaft am Montagabend von einem Bahnmitarbeiter bei den Gleisen entdeckt worden. Seine Angehörigen hatten ihn am Abend als vermisst gemeldet, nachdem er am Nachmittag das Haus verlassen hatte und nicht zurückgekehrt war.
Der in Dresden geborene Milliardär, der als gesundheitlich angeschlagen galt, hinterlässt neben seiner Frau Ruth die drei Söhne Ludwig, Philipp Daniel und Tobias sowie Tochter Jutta. Der passionierte Bergsteiger, der in jüngeren Jahren mehrere Sechstausender bezwang, galt als kantiger Unternehmer und harter Verhandlungspartner. "Baden-Württemberg verliert eine große Unternehmerpersönlichkeit", zeigte sich Ministerpräsident Günther Oettinger erschüttert.
Der fünftreichste Deutsche
Auch Bundesforschungsministerin Annette Schavan hat sich nach dem Tod des Industriellen tief erschüttert und schockiert gezeigt. "Er war ein leidenschaftlicher Unternehmer und bedeutender Mäzen", teilte Schavan mit. "Das Gemeinwesen lag ihm immer sehr am Herzen." Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende hat ihren Wahlkreis in Ulm und Umgebung. Dort liegt auch Merckles Heimatstadt Blaubeuren.
Der von der Zeitschrift "Forbes" als fünftreichster Deutscher geführte Unternehmer hatte 1967 die familieneigene Firma in Blaubeuren übernommen, die zu diesem Zeitpunkt mit 80 Mitarbeitern gerade einmal vier Millionen DM erwirtschaftete. In den Jahrzehnten danach baute er ein riesiges und schwer durchschaubares Firmenkonglomerat auf, zu dem neben dem Baustoffkonzern HeidelbergCement unter anderem der Generikahersteller Ratiopharm, der Pharmahändler Phoenix und eine Beteiligung am Pistenraupenhersteller Kässbohrer gehören. Die Merckle-Gruppe erwirtschaftete zuletzt mit rund 100.000 Mitarbeitern einen Umsatz von etwa 30 Mrd. Euro.
Lebenswerk bedroht
Der stets öffentlichkeitsscheue Unternehmer war vor einigen Wochen in die Schlagzeilen geraten, nachdem sein Sohn Ludwig bei der von ihm geleiteten Vermögensverwaltung VEM Zahlungsschwierigkeiten eingeräumt hatte. Allein durch Fehlspekulationen mit VW-Aktien war ein dreistelliger Millionenverlust entstanden. Dazu kam, dass HeidelbergCement nach dem Kauf des britischen Konkurrenten Hanson mit mehreren Milliarden Euro in der Kreide steht. Die Kreditgeber fordern frisches Kapital. Damit war Merckle zu harten Verhandlungen mit seinen Gläubigerbanken gezwungen, sein Firmenimperium drohte zusammenzubrechen.
Banker, die Merckle auch persönlich kannten, reagierten fassungslos. Man sei geschockt, hieß es. "Einfacher wird die ganze Situation dadurch sicher nicht", sagte ein Banker. Einer Sprecherin der Merckle-Vermögensverwaltung VEM zufolge hatte Merckle noch zuletzt seine Unterschrift unter einen dringend benötigten Überbrückungskredit für die Firmengruppe gesetzt. "Der Tod des Unternehmers hat keine Auswirkungen auf den weiteren Sanierungsprozess", erklärte VEM. Auch in Bankenkreisen hieß es, der Selbstmord habe keine Folgen für das Rettungspaket.
Merckle hatte sich in den vergangenen Wochen nach zähen Gesprächen mit den Banken im Grundsatz geeinigt. Er benötigte laut Finanzkreisen kurzfristig rund 400 Millionen Euro, die die Banken mittels Überbrückungskredit bereitstellen wollen. Hier sei man auch auf Bankenseite kurz vor der Einigung, hieß es in den Kreisen. Mittelfristig ist der Finanzbedarf aber höher - daher stehen in den nächsten Monaten weitere Verhandlungen über eine umfassende Umschuldung der Gruppe an.
Quelle: ntv.de