Engpass oder nicht? Milchstreik zeigt Wirkung
28.05.2008, 11:45 UhrDer Lieferboykott der deutschen Milchbauern hat nach Angaben des Verbandes deutscher Milchviehhalter (BDM) bereits erste Auswirkungen. "Es tut sich was in der Branche", bilanzierte der Vorsitzende, Romuald Schaber bei n-tv, nachdem tausende Bauern den Molkereien einen Tag lang keine Milch angeliefert hatten. Die Preise auf dem Spotmarkt zögen schon an. Die Erzeuger setzten ihren Protest gegen die aus ihrer Sicht zu niedrigen Preise auch fort. "Nachdem der erste Tag bereits über unseren Erwartungen lag, sind wir zuversichtlich, dass der Lieferstreik am Tag zwei noch zulegen wird", sagte ein BDM-Sprecher.
"Wir raten den Verbrauchern wirklich dringend, sich einzudecken. Milch wird in naher Zukunft knapp werden - Milchprodukte werden knapp werden. Es beteiligen sich immer mehr Bauern an dem Lieferstopp und die Versorgung wird sicherlich nicht mehr gewährleistet sein können", rät Schaber bei n-tv den Endabnehmern für Milchprodukte.
Solidarität in Europa
Aus den europäischen Ländern erhielten die Bauern viel Zuspruch und Solidarität, berichtete ein BDM-Sprecher. Sein Verband sei zuversichtlich, dass der Milchfluss aus dem Ausland deutlich abnehmen werde. Milchbauernverbände aus den Niederlanden, der Schweiz, Österreich, Belgien, Luxemburg und Teilen Frankreichs hätten ihre Unterstützung zugesagt. Mit Irland und Tschechien liefen Gespräche. Der Verband fordert einen Milchpreis von mindestens 40 Cent pro Liter, regional unterschiedlich werden zwischen 27 Cent und 35 Cent bezahlt.
Dem BDM gehören nach eigenen Angaben 32.000 Milchbauern an, die täglich rund 35.000 Tonnen Milch oder 45 Prozent der deutschen Milchproduktion erzeugen. Der Lieferstopp soll so lange fortgesetzt werden, bis der Milchindustrie- und der Genossenschaftsverband einlenken.
Sonnleitner fordert Problembewusstsein
Der Präsident des Bauernverbands, Gerd Sonnleitner, will mit der Aktion Problembewusstsein schaffen. "Der Lebensmitteleinzelhandel übt durch seine Konzentration einen riesigen Druck auf unsere zersplitterte Molkereistruktur aus und deswegen müssen wir dort beginnen, wo unsere Preise zu Boden getreten worden sind. Und das ist der Lebensmitteleinzelhandel", sagt Sonnleitner bei n-tv.
Unter den Landwirten herrscht eine große Solidarität mit der Milchquote. Auf die Frage, ob die Quote schuld sei an den niedrigen Preisen, sagte Sonnleitner: "Nein! Wir müssen jetzt noch die Quote bis 2015 leben. Und, wenn wir die Quote leben und, wenn der Lebensmitteleinzelhandel und die Marktbeteiligten fair mit den Milchbauern umgehen, dann muss auch wieder ein besserer Milchpreis herauskommen."
Auch Milchbauern-Präsident Schaber macht sich für die Quote stark, übt aber auch Kritik: "Die EU-Kommission hat ja erst in den letzten Monaten die Quote noch einmal um zwei Prozent nach oben gesetzt, um ganz gezielt Druck auf die Milchpreise auszuüben. Dieses war ein vollkommen falsches Signal für die Märkte. Wir bekommen jetzt die Quittung. Deshalb sind wir der Meinung, dass die produzierte Menge an dem tatsächlichen Absatzpotenzial, an den Absatzmöglichkeiten ausgerichtet werden muss. () Wir sollten möglichst Schwankungen im Markt vermeiden. Schwankungen nützen nur dem Handel, nützen den Spekulanten, nicht aber den Erzeugern und schon gar nicht den Verbrauchern."
Bundesministerium: Preisdruck wird nachlassen
Das Bundeslandwirtschaftsministerium erwartet ein Nachlassen des Preisdrucks auf die deutschen Milchbauern. "Wir gehen davon aus, dass sich die Auszahlungspreise spätestens in der zweiten Jahreshälfte stabilisieren", sagte der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Müller (CSU) der "Passauer Neuen Presse". Der Handel müsse endlich wieder zu fairen Preisen zurückkehren. "Wir dürfen unsere heimische Milchproduktion nicht kurzfristigen Interessen opfern." Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene weitere Erhöhung der Milchquoten lehnte Müller ab.
Die Hilfsorganisationen "Brot für die Welt", FIAN und Germanwatch bezeichneten den Lieferstopp als legitimes Mittel, um kostendeckende Erzeugerpreise durchzusetzen. Die Organisationen machten für die Entwicklung nicht zuletzt die EU-Politik verantwortlich. Die Europäische Union habe durch die kurzfristige Ausdehnung der Milchquote um zwei Prozent zum Preisverfall bei Milch beigetragen.
Die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) unterstützt den Lieferboykott der Milchbauern in Deutschland. "Wir erklären uns solidarisch mit den Landwirten, die gerechte Preise durchsetzen wollen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, Hans-Joachim Wilms, laut einer Mitteilung der IG BAU. "Nur wer faire Preise erzielt, ist auch in der Lage, seine Arbeitnehmer ordentlich zu bezahlen." Es sei nicht hinnehmbar, dass große Handelsketten die Preise diktierten. Der Milchpreis müsse zumindest die Erzeugungskosten decken.
Quelle: ntv.de