Marode Strommasten RWE weist Schuld zurück
06.12.2005, 11:23 UhrTrotz maroder Strommasten der Energiekonzerne RWE und E.ON plant die Branche über ihr Instandhaltungsprogramm hinaus zurzeit keine zusätzlichen Sanierungs-Investitionen. Das bestätigte der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) in Berlin. "Jedes Unternehmen hat schon ein Instandhaltungsprogramm unbeschadet, was jetzt passiert ist", sagte VDEW-Geschäftsführer Eberhard Meller zu witterungsbedingten tagelangen Stromausfällen in Folge der gebrochenen RWE-Leitungsmasten im Münsterland. Während RWE eine Mitschuld von sich wies, hielt der mittelständische Verband der Energie-Abnehmer (VEA) den Konzernen vor, sie hätten für die Stromversorgungs-Sicherheit geplantes Geld in die Gewinne gesteckt.
Nach VEA-Angaben haben die Versorger die Investitionen in ihre Netze in den vergangenen Jahren stark zurückgefahren. Die Ausgaben dafür hätten sich im Zeitraum 1995 bis 2004 halbiert, sagte VEA-Vorstandsmitglied Manfred Panitz im Berliner Deutschlandradio Kultur. Nach Recherchen des Verbandes hätten die Netzbetreiber aus kalkulatorischen Abschreibungen ihrer Anlagen pro Jahr etwa vier Milliarden Euro zur Verfügung gehabt. Seit 1999 seien für solche Instandhaltungen tatsächlich aber im Schnitt 2,25 Milliarden Euro jährlich eingesetzt worden. "Das heißt, die Kunden haben viel mehr bezahlt für die Sicherheit der Versorgung", so Panitz.
Laut VDEW haben solche Investitionen im Gegenteil jedoch zugenommen. Meller erinnerte daran, dass die Mitgliedsunternehmen in diesem Jahr einen Zuwachs der Netz-Aufwendungen um acht Prozent auf 4,2 Milliarden Euro erwarteten. Bis 2020 sei ein Investitionsvolumen von 40 Milliarden Euro geplant -der gleiche Betrag noch einmal für die Modernisierung des Kraftwerksparks. Wie Meller betonte auch der Chef der bundeseigenen Deutschen Energieagentur (dena), Stephan Kohler, die "Versorgungssicherheit auf hohem Niveau" sei garantiert.
Am Tag zuvor hatte auch der Energieriese E.ON eingeräumt, dass die firmeneigenen Strommasten nicht vor einem witterungsbedingten Umknicken gefeit sind. Hochrechnungen zufolge wiesen etwa drei bis fünf Prozent der Masten im Netz so genannte Versprödungen auf. Betroffen seien allein die ein Drittel der Masten, die aus dem bis 1965 verwendeten Thomas-Stahl produziert seien, dessen mindere Qualität auch bei RWE eine Rolle spielte.
Zugleich ging die Auseinandersetzung über Schadensersatzansprüche nach den Vorfällen in Münster weiter. Der dena-Chef forderte die Verbraucherverbände auf, hier auf eine "übertriebene Hetze" gegen die Stromversorger zu verzichten. Zwar gehöre es zum normalen Rechtssystem, dass jeder seine Ersatzansprüche prüfe, sagte Kohler. Die Verbände könnten jedoch nicht über die technische Qualität befinden. Es handele sich um ein regionales Ereignis und keinen flächendeckenden Stromausfall wie zwei Jahre zuvor in Italien.
Holger Krawinkel, Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), räumte ein, eine Durchsetzung solcher Ansprüche werde schwierig werden. Wichtig dabei sei aber, dass die Unternehmen jetzt zugäben, dass die Schwachstellen seit langem bekannt seien. Jetzt sei aufzuwiegen, ob der langsame Turnus der Instandhaltung gerechtfertigt gewesen sei oder eine latente Gefahr nicht ein schnelleres Investitionstempo zu Lasten der hohen Konzerngewinne gerechtfertigt hätte.
Laut RWE belaufen sich die Schäden an den Strommasten im Münsterland auf 35 Millionen Euro. Vorstandschef Berthold Bonekamp von RWE Energy AG in Essen sagte zum Thema Schadenshaftung: "Bevor wir uns endgültig äußern, wollen wir die Ergebnisse des Gutachters haben. Wenn da eine Schuld ist, müssen wir uns der auch stellen, aber ich sehe die nicht." Erste Ergebnisse des Gutachtens sollen in den "nächsten Wochen" vorliegen. Zwar seien knapp zwei Drittel von 82 umgeknickten Masten aus so genanntem Thomasstahl gewesen, der spröde werden könne. Doch hat es laut RWE auch Stahlmasten neuer Bauart und Betonmasten erwischt. Die Masten seien zwischen 2002 und 2004 intensiv inspiziert worden. 28 000 von 44000 RWE-Masten seien aus Thomasstahl. Bis 2015 sollen sie saniert oder ausgetauscht werden.
Quelle: ntv.de