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Staatsfonds-Vorschlag Sarkozy beißt auf Granit

EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy hat vor dem Hintergrund der Finanzkrise eine Beteiligung des Staates an Schlüsselindustrien vorgeschlagen. Die EU-Mitgliedsländer könnten staatliche Investitionsfonds gründen, die Aktien von Unternehmen kauften, deren Kurse in den Keller gesunken seien, sagte der französische Staatspräsident vor dem Europaparlament in Straßburg. Später könnten die Fonds ihre Anteile mit Gewinn wieder verkaufen.

Sarkozy betonte: "Ich möchte nicht, dass die europäischen Bürger in einigen Monaten aufwachen und entdecken, dass die europäischen Gesellschaften nicht-europäischen Hauptstädten gehören." Angesichts der Hilfe der USA von 25 Mrd. Dollar für drei Autohersteller könnten auch die EU-Länder von Fall zu Fall ihre Autoindustrie stützen, um schwere Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sagte Sarkozy. "Wir müssen weiter bei uns Autos, Schiffe und Flugzeuge bauen."

Ministertreffen nicht ausreichend

Als Heilmittel erneuerte Sarkozy seinen früheren Vorschlag einer klar identifizierbaren Wirtschaftsregierung für die Euro-Zone. Wenn die Krisen derartige Ausmaße annähmen, reichten Treffen der Finanzminister nicht mehr aus. "Nur die Staats- und Regierungschefs haben die demokratische Legitimation", Entscheidungen von großer Tragweite zu treffen. Diese Wirtschaftsregierung sollte eng mit der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammenarbeiten. Die Unabhängigkeit der EZB sei unantastbar, doch so wie bisher "kann es nicht weitergehen", sagte Sarkozy.

Die Finanzkrise hat der realen Wirtschaft nach Einschätzung Sarkozys schon einen Schlag versetzt: "Die Krise ist da, es ist sinnlos, sie vorherzusagen, wir erleben sie schon." Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso betonte, Tag für Tag werde deutlicher, dass Europa vor einem scharfen Abschwung stehe.

Scharfe Kritik aus Deutschland

Die Forderung Sarkozys stießen in Berlin auf teils heftige Kritik. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hält die Forderungen grundsätzlich für unvereinbar mit der deutschen Wirtschaftspolitik. "Der französische Vorschlag, europäische Industrie durch staatliche Beteiligungen vor der Übernahme durch ausländische Staatsfonds zu schützen, widerspricht allen erfolgreichen Grundsätzen unserer Wirtschaftspolitik", sagte der CSU-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden, nannte Sarkozys Vorstellungen maßlos. Sarkozy verkenne, dass der Wohlstand in Deutschland und vielen europäischen Ländern "im wesentlichen von der Bereitschaft ausländischer Unternehmen abhängt, bei uns zu investieren", sagte von Klaeden. Staatswirtschaft sei grundsätzlich zu misstrauen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, unterstellte Sarkozy, die Krise für ungehörte alte Vorschläge nutzen zu wollen: "Sarkozy füllt schlechten französischen Wein in neue Schläuche, der durch das Umfüllen nicht besser geworden ist", sagte Polenz.

Der finanzpolitische Sprecher der FDP, Hermann Otto Solms, bezeichnete die Forderungen des französischen Präsidenten ebenfalls als unvernünftig. "Wir sollten jetzt erst einmal auf die stabilisierende Wirkung der europäischen Hilfspakete für den Finanzmarkt vertrauen", sagte Solms. "Aktienkurse künstlich hoch zu halten ist keine vernünftige Lösung."

Gipfel in New York geplant

Die US-Regierung hat Sarkozy inzwischen für einen Welt-Finanzgipfel gewonnen. Nun will er mit Barroso nach China reisen, um die Regierung in Peking einzuladen. Auch andere große Schwellenländer wie Indien, Brasilien, Südafrika und Mexiko sollen an dem Treffen mit den sieben führenden Industriestaaten und Russland teilnehmen. Der Gipfel soll bald nach der US-Präsidentenwahl am 4. November voraussichtlich in New York stattfinden.

Die EU will erreichen, dass weltweite Regeln für die Finanzmärkte eingeführt werden, um künftigen Krisen vorzubeugen. Für Banken und Finanzmärkte sollten Prinzipien festgelegt werden. Alle Finanzmarktteilnehmer müssten einer Aufsicht unterliegen - auch die bisher unregulierten Hedge-Fonds.

Sarkozy will über eine europäische Ratingagentur in Konkurrenz zu den amerikanischen Marktführern bei dem Gipfel ebenso sprechen wie über das System der vollkommen flexiblen Wechselkurse und die finanzielle Abhängigkeit der USA vom Rest der Welt. Einzelheiten sollen auf einem zusätzlichen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs vorbereitet werden. "Wir müssen verhindern, dass so etwas noch einmal geschieht", sagte Sarkozy mit Blick auf die schlimmste Finanzkrise seit bald 80 Jahren.

Quelle: ntv.de

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