Verkauf des Aktienhandels? TCI will Börse aufbohren
09.09.2008, 11:37 UhrNach rund eineinhalb Jahren Ruhe um die Deutsche Börse machen die Großaktionäre nun wieder kräftig Druck. Erneut kochen Spekulationen über eine Zerschlagung des Börsenbetreibers hoch und erneut stehen laut einem Pressebericht die Hegdefonds TCI und Atticus dahinter. Nur geht es diesmal nicht um den Verkauf der Abwicklungstochter Clearstream, sondern um das Aktienmarktgeschäft der Deutschen Börse, wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf Finanzkreise berichtete. Allerdings wäre ein solcher Verkauf aufgrund des Rechtsrahmens nicht ohne weiteres möglich, wie Börsenrat und Börsenaufsicht betonen.
Rund eine Woche zuvor hatten die zwei Großaktionäre der Finanzaufsicht BaFin ihre Zusammenarbeit gemeldet, um ihren Forderungen nach weiteren Wertsteigerungen bei der Deutschen Börse größeres Gewicht zu verleihen. Ob das untersagt werden kann, wird derzeit von der Hessischen Börsenaufsicht geprüft.
Das "Handelsblatt" berichtete nun, dass TCI-Chef Christopher Hohn den Verkauf des Kassamarktsegments der Frankfurter an die Londoner Börse ins Gespräch gebracht habe. "Wir halten an unserem erfolgreichen integrierten Geschäftsmodell fest", sagte ein Sprecher der Deutschen Börse. "Uns liegen keine förmlichen Eingaben vor." Zudem kommentiere die Deutsche Börse das Verhalten einzelner Aktionäre nicht, stehe jedoch "in ständigem Dialog" mit ihnen. Hintergrund der neuen TCI-Offensive in Sachen Kassamarkt könnte der aufkeimende Wettbewerb durch alternative billigere Handelsplattformen wie Chi-X oder Turqoise sein. Deren Angebote erhöhen seit geraumer Zeit der Margendruck auf die etablierten europäischen Börsenbetreiber. Die Aktienkurse der Deutschen Börse sowie von NYSE Euronext und der London Stock Exchange (LSE) sanken seither kräftig.
Rechtliche Hindernisse
Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Wiesbaden, bei dem die Hessische Börsenaufsicht angesiedelt ist, kommentierte: "Einem Verkauf des Kassamarktgeschäfts muss die Börsenaufsichtsbehörde zustimmen und zudem gibt es beachtliche rechtliche Hindernisse." Die Deutsche Börse selbst sei nur die Trägergesellschaft des Kassamarktes und rechtlich zum Betrieb verpflichtet, habe aber "keine Verfügungsgewalt".
Auch der Börsenrat hat Mitspracherecht. "Für einen Verkauf wäre die Zustimmung des Börsenrates erforderlich", betonte Börsenexperte Wolfgang Gerke, der zugleich Mitglied im Börsenrat der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) ist. Er lehnt einen Verkauf ab und betonte den Erfolg der Zusammenarbeit von Börsenrat und Deutscher Börse. "Die Deutsche Börse hat eine hervorragende Arbeit geleistet bei der Entwicklung ihrer Geschäftsbereiche Kassamarkt und Terminmarkt. Das sollte fortgesetzt werden."
Analysten werteten das Vorpreschen der Großaktionäre zum Teil als weiteren "Akt der Verzweiflung", nachdem sie zunächst große Anteile am Unternehmen gekauft hatten und der Kurs nach Phasen immenser Wertzuwächse nun wieder kräftig gesunken ist. "Die zwei Hedgefonds sind groß bei der Börse eingestiegen und nun haben sie das Problem, wieder gut aus der Sache herauszukommen", sagte einer. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und allgemein sinkender Aktienkurse sei das nicht leicht. Zu den Spekulationen über einen Verkauf des Kassamarktgeschäfts sagte ein Experte zudem: "Das halte ich für höchst unwahrscheinlich. Außerdem ist der Kassamarkt nach wie vor profitabel." Er rechnet eher damit, dass sich die Hedgefonds bei der nächsten Aufsichtsratswahl im Mai 2009 einen Platz im Kontrollgremium sichern werden, um ihren Einfluss besser geltend zu machen.
TCI und Atticus hatten mit ihren Börsenbeteiligungen in Höhe von jeweils rund zehn und rund neun Prozent etwa zwei Jahre lang kräftige Buchgewinne verzeichnet. Seit Jahresbeginn allerdings ist ein großer Teil wieder zerronnen. So brach der Aktienkurs der Deutschen Börse seit dem Hoch zum Jahresbeginn um 47 Prozent ein und der der LSE sogar um 60 Prozent. Die Aktie der NYSE Euronext verlor zur selben Zeit 53 Prozent und verglichen mit dem Hoch im November 2006 sogar 63 Prozent.
Quelle: ntv.de