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Stinkender Feind am Strand Algenplage versaut Urlaubsträume in der Karibik

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Wer derzeit in Tulum an der mexikanischen Karibikküste spazieren gehen will, ...

(Foto: picture alliance/dpa)

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Viel Sonne, weiße Sandstrände und türkisblaues Meer - so stellen sich die allermeisten Menschen den Traumurlaub in der Karibik vor. Doch dieses Jahr müssen sie sich die Traumstrände mit einem stinkenden Besucher aus dem Wasser teilen: Riesige Algenteppiche breiten sich unaufhaltsam aus.

Der tropische Traumurlaub hat einen stinkenden Feind: In beliebten Urlaubszielen in der Karibik und am Golf von Mexiko werden massenhaft Braunalgen an die Strände gespült. Der Spaziergang in der warmen Sonne führt oft zwischen großen Flecken angeschwemmter Algen vorbei. Zum Baden im klaren Meer müssen sich Touristen an einigen Stellen erst einmal trauen, durch einen mehrere Meter breiten schwimmenden braunen Teppich zu waten.

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... hält sich lieber die Nase zu: ...

(Foto: picture alliance/dpa)

"In diesem Jahr treten die Braunalgen früher als sonst auf", sagt die in Cancún lebende Mexikanerin Magda Bremstaller. "Manchmal gibt es sehr wenige, manchmal sind es Algenberge", erklärt die 55-Jährige, die mit einem Österreicher verheiratet ist. Spezielle Teams säubern mit Rechen und Maschinen die Strände. Die großen Hotels legen Barrieren im Meer aus, um ihre Abschnitte sauber zu halten. Die mexikanische Marine fängt die Algen der Gattung Golftange (Sargassum) schon vor der Küste ab. Doch die schiere Masse sei irgendwann kaum noch zu bewältigen, erklärt Bremstaller.

Die Aussichten für die kommenden Monate sind nicht besser, sondern speziell für die Karibik und an der US-Küste sogar besonders schlecht. "Es gibt Anzeichen dafür, dass die diesjährige Braunalgen-Blüte wahrscheinlich die größte sein wird, die je verzeichnet wurde", sagen Meeresforscher der Universität von Südflorida vorher, die die Ausbreitung der Braunalgen seit 2011 erfassen. Bereits Ende März trieben demnach rund 13 Tonnen der freischwimmenden Algen vom Zentralatlantik auf die Karibik zu - eine Rekordmenge für diesen Zeitraum. Der Höhepunkt der Blütezeit wird üblicherweise erst in den warmen Sommermonaten Juni oder Juli erreicht.

Gestank zum Nase zuhalten

Auch Penny Dyer an der jamaikanischen Nordküste kann das smaragdgrüne Karibikwasser von ihrem Balkon aus immer selten entdecken. Immer häufiger sind stattdessen dunkle Schatten von Algen zu sehen. "Das ist neu", sagt die 81-Jährige aus Oracabessa.

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... Denn die braune Algenplage stinkt zum Himmel.

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In dem kleinen Ort schätzen sich die Menschen glücklich, nicht allzu viel von der Algenplage abzubekommen, die anderswo für Ärger sorgt. Zwar schwemmen auch in Oracabessa einige Algen an und die Strände müssen etwa zweimal pro Jahr gesäubert werden, wie die örtlichen Angler erzählen. Viel öfter trage die Strömung diese aber an nahe gelegene Küstenabschnitte bei Port Maria. Wenn man dort vorbeifahre, müsse man sich wegen des Gestanks die Nase zuhalten, sagt der 52-jährige Tiefseefischer Milton Cole.

"Noch nie gesehen"

Meeresströmungen und Winde könnten die Situation an einem bestimmten Ort von einem Tag auf den anderen verändern, sagt der mexikanische Biologe Esteban Amaro. Er leitet die Überwachungsinitiative "Red de Monitoreo del Sargazo de Quintana Roo", die auf Facebook eine Karte der momentanen Lage an rund 100 Stränden der mexikanischen Region veröffentlicht. Nur knapp zehn Prozent der überwachten Orte waren Anfang April demnach frei von Braunalgen.

Reisewillige informieren sich in Facebook-Gruppen und Foren über die besten Reiseziele, damit die Braunalgen ihnen nicht den Urlaub verderben. Andere wollen kurz vor ihrer Ankunft wissen, wie die Situation etwa in Barbados oder Florida ist. Urlauber teilen in den Gruppen Fotos und Videos von der aktuellen Lage. Die einen feiern das momentan klare Wasser: "Sehr schön heute." Die anderen klagen über das braune Meer: "So etwas habe ich noch nie gesehen."

Gefahr für Baby-Schildkröten

Auf offener See tragen Braunalgen zur Gesundheit des Meeres bei. Aber wenn sie sich an der Küste zersetzen, stinken sie nach faulem Ei und sind umweltschädlich. Seegräser sterben, Mangroven trocknen aus und Baby-Meeresschildkröten bleiben nach dem Schlüpfen auf dem Weg zum Meer stecken.

So viel organisches Material an der Küste könnte die türkisblaue Farbe des Meeres und die weißen Strände der Karibik für immer verändern, sagt die in Mexiko lebende niederländische Biologin Brigitta van Tussenbroek auf einem Forum. Forscher suchen weiter nach möglichen Auslösern. Abholzung im Amazonasgebiet? Höhere Temperaturen im Meer? Überschüssige Nährstoffe durch menschliche Aktivitäten, die aus den Flüssen in Afrika und Südamerika in den Atlantik gelangen? Möglicherweise.

Explosive Ausbreitung seit 2010

Entscheidend könnte laut Studien jedoch ein Wetterphänomen gewesen sein: die Nordatlantische Oszillation (NOA). Im Winter 2009-2010 gab es eine ungewöhnliche Veränderung der Windverhältnisse im nordatlantischen Raum, wie US-Forscher berichten. Das hat dazu geführt, dass sich die Braunalgen von der Sargassosee östlich von Florida, wo es sie immer schon gab, ausbreiteten. Die Winde und die Strömungen trugen sie südwärts entlang der afrikanischen Küste bis zum tropischen Atlantik. Dort fanden die Braunalgen günstige Bedingungen für ihre explosive Ausbreitung: viel Sonnenlicht, warme Wassertemperaturen und Nährstoffe.

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Für Regionen, die fast ausschließlich vom Tourismus leben, ist ihr Image als Reiseziel von grundlegender Bedeutung. Im mexikanischen Quintana Roo haben sich bislang die Touristen von den Algen nicht abschrecken lassen und kommen in immer größeren Zahlen an, wie die amtlichen Statistiken zeigen.

"Wir müssen die natürlichen Ressourcen bewahren, um den Tourismus weiterhin anzuziehen", sagt allerdings der Biologe Amaro. Die mexikanische Karibik vermarkte schließlich Postkarten mit türkisfarbenem Wasser, unglaublichen Stränden und Dschungel. "Wir müssen uns um die Gans kümmern, die die goldenen Eier legt."

Quelle: ntv.de, Andrea Sosa Cabrios und Nick Kaiser, dpa

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