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Studie zu Bleibelastung Antiker Bergbau machte Europäer dümmer

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Mit Gras bewachsene Hügel markieren den Standort der Bleimine aus der Römerzeit in Charterhouse auf Mendip im Vereinigten Königreich.

Mit Gras bewachsene Hügel markieren den Standort der Bleimine aus der Römerzeit in Charterhouse auf Mendip im Vereinigten Königreich.

(Foto: Andrew Wilson)

Die Errungenschaften der alten Römer beeinflussen bis heute das Leben in Europa - doch offenbar nicht immer positiv. So wurde damals Blei im großen Stil abgebaut. Dabei gelangten allerdings riesige Mengen des giftigen Stoffs in die Atmosphäre. Eine Studie zeigt nun die gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung.

Zur Blütezeit des Römischen Reiches haben Bergbau-Aktivitäten einer Studie zufolge die Atmosphäre so stark mit Blei belastet, dass die Intelligenz von großen Teilen der europäischen Bevölkerung darunter litt. Das schließt ein internationales Forschungsteam aus der Analyse von drei Eisbohrkernen aus verschiedenen Teilen Grönlands und aus der russischen Arktis.

Das Forschungsteam analysierte Eisbohrkerne aus verschiedenen Teilen Grönlands und aus der russischen Arktis.

Das Forschungsteam analysierte Eisbohrkerne aus verschiedenen Teilen Grönlands und aus der russischen Arktis.

(Foto: Jessi LeMay/DRI)

"Eine Senkung des Intelligenzquotienten um 2 bis 3 Punkte klingt vielleicht nicht besonders viel", sagt Co-Autor Nathan Chellman vom Desert Research Institute in Reno im US-Bundesstaat Nevada. "Aber wenn man das auf praktisch die gesamte europäische Bevölkerung überträgt, dann ist das schon beachtlich."

Der Bleibergbau war zu römischer Zeit stark ausgeprägt - solche Bergwerke gab es vielerorts im Römischen Reich, etwa auf der Iberischen Halbinsel, auf den Britischen Inseln, in Mitteleuropa und auf dem Balkan. Die Bleirückstände in der Atmosphäre stammten vor allem aus der Silbergewinnung aus dem Bleierz Galenit, wie das Team um Joseph McConnell vom Desert Research Institute in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS) berichtet.

Spuren des Schwermetalls finden sich etwa in Eisbohrkernen aus der Arktis. Auch dass das Trinkwasser römischer Städte und manche Getränke stark mit Blei belastet waren und der Gesundheit der Menschen zusetzten, ist seit Langem bekannt. Blei kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, das Immunsystem schwächen und etliche Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gedächtnisprobleme begünstigen.

Wechselnde Bleibelastungen über die Zeit

Das Team um McConnell analysierte nun drei Eisbohrkerne aus der Arktis auf Blei-Isotope, vor allem für die Zeit von 500 vor Christus bis 600 nach Christus. Aus den Werten errechnete die Gruppe dann anhand von Atmosphärenmodellen die damalige Luftbelastung im Römischen Reich - und daraus wiederum die Auswirkungen auf die Intelligenz.

Eis im Kernrohr beim Bohren auf dem Grönlandeis.

Eis im Kernrohr beim Bohren auf dem Grönlandeis.

(Foto: Joseph McConnell)

Die Luftbelastung lag demnach im europäischen Teil des Reiches bei durchschnittlich 1,04 Nanogramm pro Kubikmeter Luft, in Afrika lag sie etwas mehr als halb so hoch. Besonders bedenklich waren die Werte im Südwesten und in der Mitte der Iberischen Halbinsel, wo speziell in der Region des Rio Tinto Bergbau in großem Stil betrieben wurde.

Die Analyse der Eisbohrkerne ergab, dass die Bleibelastung der Atmosphäre im späten 2. Jahrhundert vor Christus ein erstes Maximum erreichte. Einen starken Anstieg verortet das Team dann um das Jahr 15 vor Christus bis in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts nach Christus - also während jener stabilen Phase der römischen Geschichte, die unter dem Namen Pax Romana (Römischer Frieden) bekannt ist.

Während dieser fast 200-jährigen Phase gelangten den Kalkulationen zufolge 500.000 Tonnen Blei in die Atmosphäre. Höhere Belastungen verzeichnet das Team danach erst wieder im Hochmittelalter, also nach dem Jahr 1000. Extremwerte folgten später im 20. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre, als Blei in großem Stil Benzin zugesetzt wurde. Die Konzentrationen erreichten Anfang der 1970er Jahre das bis zu 40-Fache der Werte aus der Antike.

Weitere historische Folgen denkbar

Gerade im 20. Jahrhundert wurde deutlich, wie schädlich Blei selbst in geringen Mengen für den Organismus ist. Am einfachsten quantifizieren lässt sich das für die Intelligenz. "Blei hat bekanntermaßen ein weites Spektrum von Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, aber wir konzentrierten uns auf die kognitiven Verluste, denn das können wir bemessen", erläutert Chellman.

Demnach sank der Intelligenzquotient (IQ) im Römischen Reich bleibedingt im Mittel um 2,5 bis 3 Punkte, in Teilen der Iberischen Halbinsel sogar um mehr als 4 Punkte. Zum Vergleich: Der mittlere IQ von Menschen liegt bei etwa 100 Punkten. Die Forscher betonen jedoch, dass sich ihre Schätzung lediglich auf die Folgen von Blei in der Atmosphäre bezieht. Denn Blei wurde im Römischen Reich auch für Wasserleitungen verwendet, für Gefäße und in Form von Bleiacetat auch zum Süßen etwa von Wein.

Möglicherweise, so spekuliert die Gruppe, hatte die hohe Bleibelastung noch eine weitere, historische Folge. Da Blei auch das Immunsystem schädigt, könnte die Belastung zur Antoninischen Pest beigetragen haben: Diese erste große Epidemie des Römischen Reiches, deren genaue medizinische Ursache bislang nicht geklärt ist, raffte demnach im Zeitraum von 165 bis 180 nach Christus schätzungsweise fünf bis zehn Millionen Menschen dahin - grob zehn Prozent der damaligen Stadt- und Landbevölkerung. Dass diese Krankheitswelle unmittelbar auf fast zwei Jahrhunderte einer bis dahin beispiellosen Bleibelastung folgte, sei auffällig.

Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa

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