Schrumpfende Einwohnerzahl China nicht mehr bevölkerungsreichstes Land der Erde
13.04.2023, 19:41 Uhr
Mehr als 100 Millionenstädte gibt es in China - dennoch wird es den Titel der größten Bevölkerung der Erde abgeben müssen.
(Foto: picture alliance / ZB)
Lange ist China unbestritten das Land mit den meisten Einwohnern. Doch laut einer Vorhersage der UN wird es diesen Titel nun verlieren. Denn Chinas Bevölkerung schrumpft - der Konkurrent um Platz eins jedoch wächst immer weiter. Aber wie lange noch?
Schon seit langer Zeit ist China eine der Weltregionen mit den meisten Einwohnern. Das wird auf die weiten Flächen fruchtbarer Böden und das für Landwirtschaft günstige Klima zurückgeführt. Auch gab es in den vergangenen Jahrhunderten lange Phasen politischer Stabilität, die Bevölkerung wurde von blutigen Kriegen verschont. Dasselbe gilt allerdings für Indien.
Ab den 1950er Jahren brachen mit der Verbesserung in der Medizin und der Landwirtschaft alle Dämme: China und Indien wuchsen zu Mega-Populationen heran. China überschritt in den 1980ern die 1-Milliarde-Marke, Indien folgte Ende der 1990er. Heute leben in beiden Ländern jeweils etwas mehr als 1,4 Milliarden Menschen - mehr als in Europa, Nord- und Südamerika zusammengenommen.
Während China lange Zeit das bevölkerungsreichste Land war, steht nun ein Führungswechsel an: Nach Vorhersagen der UN wird Indien am 14. April China überholen. Allerdings ist dieses genaue Datum laut Demografen mit Vorsicht zu genießen: "Es ist eine grobe Annäherung, die beste Schätzung", sagte Patrick Gerland, Leiter der Abteilung für Bevölkerungsprognosen bei der UNO der Nachrichtenagentur AP.
Früher als erwartet überholt
Tatsächlich hatten Experten lange damit gerechnet, dass Indien erst später in diesem Jahrzehnt China hinter sich lassen würde. Dass es doch schon 2023 so weit ist, liegt an der in China weiter gesunkenen Fruchtbarkeitsrate, also der durchschnittlichen Zahl der Kinder pro Frau. Diese lag in der Volksrepublik zuletzt bei 1,2 und war damit eine der niedrigsten weltweit.
Aber auch in Indien hat die Fruchtbarkeitsrate in den vergangenen Jahren rasant abgenommen, zuletzt lag sie bei 2 Kindern pro Frau. In den 1950er Jahren lag sie noch bei 6, in den 1990er Jahren waren es nur noch etwas mehr als 3. Nun wird erstmals die wichtige Marke von 2,1 unterschritten, ab der eine Bevölkerung zwangsläufig schrumpft. Von einer Bevölkerungsexplosion in Indien kann also keine Rede mehr sein. Dennoch dürfte Indiens Bevölkerung das Wachstum erst mal weiter fortsetzen. Nach der mittleren Schätzung der UN könnte das Land bis Ende des Jahrzehnts die 1,5-Milliarden-Marke überschreiten.
Bevölkerungsexplosion in Indien gestoppt
Doch warum wächst Indien weiter, obwohl die Fruchtbarkeitsrate unter 2,1 liegt? Dies liegt an der besonderen Altersstruktur: Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung sind unter 25 Jahre alt. Viele Frauen sind damit derzeit im gebärfähigen Alter. Wenn etwa von 300 Millionen jede im Schnitt 2 Kinder bekommt, werden 600 Millionen Kinder geboren. Gleichzeitig sind nur knapp 100 Millionen Inder älter als 65 Jahre. Es können also gar nicht so viele Menschen sterben, wie neue geboren werden.
Allerdings ist die weitere Entwicklung in Indien von vielen Unwägbarkeiten begleitet: Neben der Fruchtbarkeitsrate spielt auch die Lebenserwartung eine Rolle, beides Faktoren, die sich unvorhersehbar ändern. Die UN-Prognosen gehen an den Rändern daher deutlich auseinander: Die Maximalschätzung für Indien liegt bei mehr als 2 Milliarden Menschen im Jahr 2100, die Minimalschätzung bei rund 1 Milliarde, also weniger als heute.
China schrumpft bereits
Für China liegt die Prognose-Spanne für 2100 zwischen 1,2 Milliarden und 490 Millionen Einwohnern. Das Land dürfte den Zenit seiner Bevölkerung bei gut 1,4 Milliarden bereits überschritten haben: Anfang des Jahres meldete das Statistikamt in Peking den ersten Bevölkerungsrückgang seit sechs Jahrzehnten. Und der Altersmedian, bei dem genau die eine Hälfte der Bevölkerung jünger, die andere älter ist, liegt in China bei 39 Jahren, was einem Industrieland wie den USA ähnelt. In Indien liegt der Median bei 28 Jahren, eher auf dem Niveau von Schwellenländern wie Mexiko oder Südafrika.
Und die Bevölkerung in China altert rapide: Mittlerweile leben in dem Land weltweit die meisten älteren Menschen. Im Jahr 2010 waren 254 Millionen Chinesen über 60 Jahre. Es wird erwartet, dass deren Zahl bis zum Jahr 2040 auf rund 400 Millionen ansteigt, was dann mehr als ein Viertel der Bevölkerung wäre. In Indien dürfte der Anteil der Älteren noch deutlich länger darunter liegen.
Diese Entwicklungen haben Folgen für die beiden Super-Nationen: In Indien könnte eine wachsende Erwerbsbevölkerung auch das Wachstum der Wirtschaftstätigkeit ankurbeln. In China hingegen gibt es immer weniger Erwachsene im arbeitsfähigen Alter, die eine alternde Bevölkerung unterstützen können. Demzufolge könnte die wirtschaftliche Dynamik weiter auseinander gehen, was letztlich auch eine Rolle bei Macht und Einfluss in der Region spielen dürfte. Womöglich ist die Tatsache, dass Indien China bei der Bevölkerung überholt, mehr als nur ein statistischer Fun Fact.
Quelle: ntv.de