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Experten warnen vor Klima-Turbo Drei Grad wärmer bis 2050 - was würde das für Deutschland bedeuten?

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Die deutsche Nordseeküste wäre in einer Drei-Grad-Welt massiv bedroht - der Meeresspiegel könnte bis zu fünf Meter steigen.

Die deutsche Nordseeküste wäre in einer Drei-Grad-Welt massiv bedroht - der Meeresspiegel könnte bis zu fünf Meter steigen.

(Foto: IMAGO/Zoonar)

Die Erde könnte sich in den kommenden Jahren deutlich schneller erwärmen als bisher gedacht, warnen deutsche Forscher. Bis 2050 könnte die Temperatur im Schnitt um drei Grad angestiegen sein. Ob es so weit kommt, ist umstritten, doch die Folgen wären katastrophal.

Leben wir schon im Jahr 2050 in einer um drei Grad erwärmten Welt? Dieses Szenario veröffentlichten die Deutsche Meteorologische Gesellschaft (DMG) und die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) aktuell auf dem Extremwetterkongress in Hamburg. "Die globale Erwärmung beschleunigt sich in gefährlicher Weise", heißt es in der Mitteilung.

Die Mitteilung hat großes Aufsehen und eine Diskussion erzeugt - aus zweierlei Gründen: Bisher gingen die Experten davon aus, dass wir etwa auf einem 2,7-Grad-Kurs sind, und das bis 2100 und nicht schon bis 2050. Und Deutschland und Europa erwärmen sich stärker als der Rest der Welt. Eine globale Erwärmung um drei Grad würde für Deutschland fünf oder gar sechs Grad mehr bedeuten. Unvorstellbar.

Viele Experten bleiben skeptisch

Viele Experten sind daher skeptisch und zweifeln an einer solch dramatischen Erderwärmung. "Ich halte eine Erwärmung um drei Grad Celsius bis 2050 nicht für unmöglich, aber doch für sehr unwahrscheinlich", sagte Helge Gößling vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Denn dann müsste sich die Erwärmungsrate mehr als verdoppeln, fast verdreifachen.

Das sieht auch Karsten Haustein vom Meteorologischen Institut der Universität Leipzig so: "Die drei Grad Celsius bis 2050 halte ich für schwierig, da der Temperaturanstieg sich auf deutlich über 0,5 Grad pro Dekade erhöhen müsste. Aber selbst 2 bis 2,5 Grad im Jahr 2050 sind kein Grund zum Zurücklehnen. Ganz im Gegenteil", warnte er.

Wie sieht Leben in einer Drei-Grad-Welt aus?

Wie aber würde unser Leben in einer Drei-Grad-Welt aussehen? Meteorologen und Wissenschaftler scheuen solch düstere Blicke in die Zukunft, aber sicher ist: angenehm wird es nicht. Diese Szenarien sind realistisch:

  • Hitzewellen werden neue, unfassbare Temperaturen mit sich bringen. Temperaturen von 50 Grad in Metropolen wie Neu-Delhi erscheinen möglich. Und diese Hitzewellen kommen immer häufiger und sie bleiben länger, werden damit intensiver. Auch in Deutschland.
  • Wissenschaftlichen Berechnungen zufolge wird es in der Drei-Grad-Welt Hitzewellen, die derzeit nur alle 25 Jahre vorkommen, dann alle zwei Jahre geben.
  • Heiße Sommertage können gegenüber der vorindustriellen Zeit um zehn Grad wärmer ausfallen und damit zu einer erheblich größeren Gesundheitsbelastung werden.
  • Viele Forscher gehen davon aus, dass bei einer Erwärmung von drei Grad der komplette Westantarktische Eisschild verschwindet. Allein dadurch könnte der Meeresspiegel um fünf Meter steigen. Sämtliche Küstenstädte dieser Erde wären bedroht. Die deutsche Küste wäre wohl massiv betroffen, die Halligen wären verschwunden, das Wattenmeer auch. Das norddeutsche Tiefland durch Deiche zu schützen, ist eine milliardenschwere Aufgabe.
  • Wir werden in einer Welt der sich ausbreitenden Wüsten leben. Das wiederum bedeutet: weniger Anbauflächen für Getreide. Außerdem wird die Hitzetoleranz von Mais und Soja überschritten, Ernteerträge können deutlich einbrechen, Nahrungsmittelknappheit wird möglich. Die Temperaturen für Weizen sind heute schon in Süddeutschland ertragsmindernd.
  • In einer Drei-Grad-Welt verschwinden fast alle europäischen Gletscher - die Bewässerung von Ackerland wird schwieriger, weil das Schmelzwasser aus den Bergen fehlt. Auch das wird deutsche Flüsse und die Landwirtschaft betreffen.
  • Da durch die Erwärmung mehr Energie in der Atmosphäre ist, werden Hochwasser, Starkregen und Fluten zunehmen.
  • Sturmfluten werden heftiger ausfallen - auch in Deutschland.
  • Der Amazonas-Regenwald kommt an seine Grenzen. Möglicherweise geht er in einer Drei-Grad-Welt durch Brände verloren und wird zur Steppe.

Für Europa gibt es dann aber noch ein ganz anderes Szenario: Der Golfstrom könnte versiegen, mit kaum zu kalkulierenden Folgen für Nord- und Mitteleuropa: Es würde unfassbar kalte Winter geben mit kaum vorstellbaren Extremwettern.

So oder so: Es muss gehandelt werden

Ob die drei Grad kommen oder etwas weniger: es ist auf jeden Fall höchste Zeit zu handeln. "Die Beschleunigung der globalen Erwärmung ist derart schnell, dass wir aus der Klimakurve fliegen", sagte Frank Böttcher, Vorsitzender der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft und Veranstalter des Kongresses in Hamburg. "Wir brauchen entschlossenes Handeln: Klimaschutz, um die Erderwärmung zu bremsen, und gleichzeitig Anpassung, um die Folgen besser bewältigen zu können", ergänzte Tobias Fuchs vom Deutschen Wetterdienst.

Am Ende ist jedes Zehntelgrad Erwärmung eine enorme Belastung für die Menschen. Schließlich sind im Rekordsommer 2024 laut einer aktuellen Studie mehr als 62.000 Menschen an den Folgen extremer Hitze in Europa gestorben. Besonders ältere Menschen sind Hitzewellen oft schutzlos ausgesetzt - und die werden zunehmen. Denn das Klimasystem ist träge: "Selbst wenn wir sofort aufhören würden, Treibhausgase freizusetzen, würde die Erwärmung noch etliche Jahrzehnte andauern", warnte Christian Franzke von der Universität Busan in Südkorea.

Und je wärmer es wird, umso teurer sind die Folgekosten: Bis 2050 könnten die Klimaschäden auf bis zu 900 Milliarden Euro steigen, gleichzeitig seien Milliardeninvestitionen in die Klimaanpassung nötig, warnte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung auf dem Kongress in Hamburg. Klimaschutz aber lohne sich: "Jeder investierte Euro bringt 1,80 bis 4,80 Euro zurück, vor allem, weil enorme Schäden verhindert werden."

Quelle: ntv.de

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