Antigene entfernt Enzyme nehmen Spenderorgan Unverträglichkeit
24.02.2022, 10:33 Uhr (aktualisiert)
Dr. Aizhou Wang, die Hauptautorin der Studie, bei der Durchführung des Experiments an der EVLP.
(Foto: University Health Network (UHN), Kanada)
Organtransplantationen scheitern oft an der Unverträglichkeit von Spender und Empfänger. Kanadische Forschende können diesen Faktor nun ausschalten, zunächst im Experiment, aber bald möglicherweise auch bei echten Organübertragungen.
Kanadischen Forschenden ist es gelungen, ein Spenderorgan so mit Enzymen zu behandeln, dass es für alle Blutgruppen verwendbar ist, ohne abgestoßen zu werden. Mit dem Versuch sollte gezeigt werden, dass die Unverträglichkeit der Blutgruppen von Spender und Empfänger nicht länger ein Ausschlusskriterium für eine Transplantation sein muss.
Im konkreten Fall wurde eine Spenderlunge in Kanada außerhalb des menschlichen Körpers ("ex vivo") so behandelt, dass sie später keine Abstoßungsreaktion zeigte, obwohl sie es nach ihrer ursprünglichen Blutgruppe hätte tun müssen. Das in Toronto entwickelte "Ex Vivo Lung Perfusion"-System (EVLP) pumpt dabei flüssige Nährstoffe durch das Organ, um es vor der Transplantation zu reparieren und zu verbessern. Als Ausgangsmaterial wurden menschliche Spenderlungen benutzt, die aus medizinischen Gründen nicht für eine Transplantation geeignet waren.
Antigene bei Organtransplantationen oft tückisch
Die Blutgruppe eines Menschen wird durch das Vorhandensein von Antigenen auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen bestimmt, nur die Blutgruppe 0 hat keines. Diese Antigene können eine Immunreaktion auslösen, wenn sie für den Körper fremd sind. Deshalb kann man bei Bluttransfusionen nur Blut von Spendern erhalten, die dieselbe Blutgruppe oder zumindest keine Antigene gegen die eigene Blutgruppe haben. Ein Lungenflügel wurde im Experiment mit Enzymen behandelt, um die Antigene von der Oberfläche des Organs zu entfernen. Der andere Lungenflügel desselben Spenders blieb unbehandelt.
Neben den Antigenen gibt es aber auch noch je nach Blutgruppe unterschiedliche Antikörper. A hat Antikörper gegen B, B gegen A, AB-Blut hat keine Antikörper, aber Blutgruppe 0 hat Antikörper gegen A und B. Deshalb fügte das Team dem Kreislauf Blut der Blutgruppe 0 mit hohen Konzentrationen von Anti-A-Antikörpern hinzu, um eine AB0-inkompatible Transplantation zu simulieren. Das Team testete dann die Lunge, indem es dieses Blut vom Typ 0, das hohe Konzentrationen an Antikörpern gegen das A-Antigen aufweist, durch das EVLP-System pumpte. Die Ergebnisse zeigten, dass der behandelte Lungenflügel durch das Typ-0-Blut nicht negativ beeinflusst wurde, während der unbehandelte Lungenflügel Anzeichen einer Abstoßung zeigte.
Enzyme aus dem menschlichen Darm
Die bei dem Versuch verwendeten Enzyme stammen aus dem menschlichen Darm. Ihre Eigenschaften wurden schon 2018 entdeckt. Universell einsetzbare Organe zu haben, bedeute, "dass wir die Barriere der Blutübereinstimmung beseitigen und Patienten nach medizinischer Dringlichkeit priorisieren könnten, wodurch mehr Leben gerettet und weniger Organe verschwendet würden", sagt Dr. Marcelo Cypel in einer Mitteilung. Der Thoraxchirurg am University Health Network (UHN) und Professor für Chirurgie an der Universität von Toronto ist Mitautor der Studie, die im Magazin Science Translational Medicine veröffentlicht wurde. Cypel hatte bereits die Ex Vivo Lung Perfusion (EVLP) entwickelt.
Für Patienten, die auf ein Spenderorgan mit einer bestimmten Blutgruppe warten, könnte dieses Verfahren die Transplantation beschleunigen, Wartezeiten drastisch verkürzen und Leben retten.
(Dieser Artikel wurde am Montag, 21. Februar 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, sba