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Letzter Flug der Ariane 5 Europa steht plötzlich ohne eigene Rakete da

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Eine Ära geht zu Ende: Die Ariane 5 war für fast drei Jahrzehnte der Ackergaul der europäischen Raumfahrt.

Eine Ära geht zu Ende: Die Ariane 5 war für fast drei Jahrzehnte der Ackergaul der europäischen Raumfahrt.

(Foto: picture alliance/dpa/Arianespace)

Mit dem letzten Flug der Trägerrakete Ariane 5 geht eine Erfolgsgeschichte zu Ende. Gleichzeitig steuert Europas Raumfahrt in eine ungewisse Zukunft. Denn das Nachfolgemodell Ariane 6 lässt weiter auf sich warten. Hoffnungen liegen nun auf der privaten Raumfahrt - auch aus Deutschland.

Nach 27 Jahren startet die europäische Trägerrakete Ariane 5 zum letzten Mal ins All. Vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana aus bringt sie zwei Satelliten in eine Umlaufbahn. Mit dem letzten Flug des Ackergauls der europäischen Raumfahrt steht Europa aber plötzlich ganz ohne eigene große Trägerrakete da. Die USA haben SpaceX, Russland seine Sojus-Raketen. Aber Europa?

Seit dem Jahr 1996 war die Ariane 5 im Einsatz. Allerdings war es ein holpriger Start: Bei ihrem Jungfernflug explodierte sie direkt. 2002 gab es einen weiteren Fehlschlag. Doch mit der Zeit besserte sich das Image. Die Ariane 5 galt schließlich als so zuverlässig, dass die US-Raumfahrtbehörde NASA die europäische Rakete auswählte, um ihr zehn Milliarden Dollar teures James-Webb-Teleskop zu transportieren.

Doch das Modell ist mittlerweile nicht mehr zeitgemäß. Ein Nachfolger steht schon fest: die Ariane 6. Sie ist leistungsstärker und wettbewerbsfähiger als ihre Vorgängerin, da sie nur halb so viel kostet. Sie wurde entwickelt, um im harten Wettbewerb auf dem Markt für Trägerraketen bestehen zu können. Dieser wird mittlerweile von Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX mit mehr als einem Start pro Woche dominiert.

Rund drei Jahre in Verzug

Eigentlich sollte die Ariane 6 schon längst im Betrieb sein. Aber der Erststart verzögerte sich immer wieder, bereits seit drei Jahren ist die Rakete in Verzug. Gründe sind technische Probleme und die Corona-Pandemie. Die Kosten sind mittlerweile auf mehr als vier Milliarden Euro angestiegen.

Und die Ariane 6 ist auch nicht wirklich auf Höhe der Zeit: Sie gehört noch zu den Wegwerf-Raketen der früheren Generationen. Im Jahr 2020 gab Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire auf einer Konferenz zu, dass man "nicht den richtigen Weg" eingeschlagen habe, als man sich 2014 für das Wegwerf-Konzept bei der Ariane 6 entschieden hatte. Frankreich hat wesentlich Anteil an deren Bau. Heute zeigt sich, dass SpaceX mit seinen wiederverwertbaren Raketen die Nase vorne hat.

Dennoch soll es noch Ende 2023 mit einem ersten Start der Ariane 6 klappen, so die bisherigen Pläne. Ein Lichtblick für das antiquierte Gefährt war dabei der Großauftrag des Internet-Unternehmens Amazon: 18 Raketen hat die Firma von Jeff Bezos bestellt, um Satelliten seines Project Kuiper in den Erdorbit zu befördern. Ähnlich wie Starlink von SpaceX soll es Internetverbindungen auch an entlegenen Orten der Erde ermöglichen.

Rückschlag bei Vega C

Künstlerische Darstellung der europäischen Raketen Ariane 6 (links) und Vega C.

Künstlerische Darstellung der europäischen Raketen Ariane 6 (links) und Vega C.

(Foto: ESA)

Die Verzögerungen bei der Ariane 6 waren nicht der einzige Rückschlag für Europas Weltraumraketen-Flotte: Vergangenen Dezember scheiterte der erste kommerzielle Start der mittelgroßen italienischen Trägerrakete Vega C. Zwei hochauflösende Erdbeobachtungssatelliten von Airbus gingen dabei verloren. Zuvor war die Vega C im Sommer 2022 erstmals mit kleinen Forschungssatelliten an Bord erfolgreich ins All gestartet.

Vega C ist eine verbesserte Version der seit 2012 im Einsatz befindlichen Vega-Rakete. Mit ihren knapp 35 Metern Höhe ist sie aber deutlich kleiner als Ariane 5 (etwa 54 Meter) und Ariana 6 (über 60 Meter). Sie kann rund 2,2 Tonnen Fracht in eine Umlaufbahn von 700 Kilometern Höhe bringen. Einen weiteren Start einer Vega-Rakete wird es wohl erst im September geben. Die neueste Version Vega C wird wahrscheinlich erst Ende des Jahres wieder abheben.

Monate ohne eigene Rakete

So oder so gibt es eine Lücke von mehreren Monaten, in denen Europa keinen eigenständigen Zugang zum Weltraum mehr hat. Die Aktivitäten auf dem Weltraumbahnhof Kourou waren bereits durch den Krieg drastisch zurückgegangen. 2022 gab es dort nur sechs Starts, im Jahr davor waren es noch 15 gewesen. Von dort waren auch russische Sojus-Raketen ins All gestartet - Russland hatte als Reaktion auf EU-Sanktionen nach Kriegsausbruch jedoch die Zusammenarbeit eingestellt.

Aber es gibt auch Hoffnung: Auch in Europa machen sich - ähnlich wie einst SpaceX - private Unternehmen auf den Weg ins All. Anders als SpaceX jedoch eher im Segment der kleinen Raketen. Als Hoffnungsträger gilt etwa das Münchner Raumfahrt-Startup Isar Aerospace, gegründet vom Österreicher Daniel Metzler. Noch in diesem Jahr soll dessen Spectrum-Rakete vom Weltraumbahnhof Andøya in Norwegen aus starten.

Boom der Microlauncher

Die Spectrum von Isar Aerospace ist mit 28 Metern Höhe eine vergleichsweise kleine Rakete, die nur geringe Nutzlasten ins All befördern kann - das allerdings in einer hohen Frequenz, so der Plan. Man spricht von Microlaunchern, die nur kleine Satelliten für wissenschaftliche, kommerzielle oder militärische Zwecke transportieren. Bei der ESA geht man davon aus, dass die Nachfrage nach kleinen Raketen steigen wird. Isar Aerospace plant in Zukunft bis zu zehn Starts pro Jahr.

Auch andere deutsche Firmen arbeiten an Microlaunchern: Rocket Factory Augsburg entwickelt die dreistufige Trägerrakete RFA One. Sie soll 30 Meter hoch sein und mehr als eine Tonne Nutzlast in den Erdorbit tragen können. 2025 soll sie zum ersten Mal von Französisch-Guayana aus abheben. Das ebenfalls deutsche Unternehmen HyImpulse aus Neuenstadt am Kocher in Baden-Württemberg arbeitet an einer kleinen Höhenforschungsrakete, die noch dieses Jahr abheben soll. Ein größerer Nachfolger soll Ende 2025 einen Orbit erreichen.

ESA setzt auf private Raketen

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Auch in Spanien entwickelt das Unternehmen PLD Space einen Microlauncher: die 12,5 Meter hohe MIURA 1. Geplant ist ein zweistufiger Nachfolger mit einer Höhe von 34 Metern. Erstmals abheben soll er im Jahr 2025 vom Weltraumbahnhof Kourou. All diese Vorhaben privater Unternehmen in Europa folgen dem allgemeinen Trend zu immer kostengünstigeren Raketen und Satelliten - und setzen auf einen anhaltenden Boom der privaten Raumfahrtindustrie.

Auch die ESA hofft, mit den kleinen Raketen von privaten Unternehmen mögliche Engpässe beim Transport von Satelliten abwenden zu können. Allerdings wird man bei größeren Projekten erstmal auf ausländische Anbieter angewiesen sein: Beim Start des ESA-Weltraumteleskops Euclid etwa musste die ESA auf die Dienste einer Falcon 9 von SpaceX zurückgreifen. Es bleibt abzuwarten, wann die Ariane 6 die Lücke schließen wird, die nach dem letzten Start der Ariane 5 entsteht.

Quelle: ntv.de, mit AFP

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