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Könnte noch deutlich steigen Firma sagte kurz nach Beben Schock-Opferzahl voraus

Fast 23.000 Todesopfer des Bebens werden in der Türkei und Syrien bisher gezählt. Wie viele werden es am Ende sein?

Fast 23.000 Todesopfer des Bebens werden in der Türkei und Syrien bisher gezählt. Wie viele werden es am Ende sein?

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Nur ein paar Stunden nach dem Beben schätzt die Karlsruher Firma Risklayer bereits Opferzahlen in den Zehntausenden - zu einem Zeitpunkt, als immer noch wenig aus dem betroffenen Gebiet bekannt ist. Doch laut ihrer jüngsten Prognose könnte die Zahl noch deutlich steigen.

In den ersten Stunden nach dem verheerenden Beben in der Türkei kennt noch niemand das ganze Ausmaß. Von etwa 40 Todesfällen ist anfangs die Rede. Doch etwa zur selben Zeit veröffentlicht eine auf die Analyse von Naturkatastrophen spezialisierte Firma ihre eigene Schätzung: "(...) ca. 11.400 Todesfälle (3200 bis 25.900) und ca. 14 Milliarden USD Schaden (6,5 bis 23 Milliarden). Nicht gut!", heißt es in einem Tweet des Unternehmens Risklayer, abgesetzt nur drei Stunden nach dem Beben. Ein paar Stunden später wird die Schätzung auf 29.200 Todesopfern nach oben korrigiert.

Erst nach vier weiteren Tagen wird deutlich, wie erschreckend nah dran Risklayer mit seinen Prognosen lag. Bis Freitag werden fast 23.000 Todesopfer in der Türkei und Syrien gezählt, aber Tausende weitere werden unter den Trümmern vermutet. Wie konnte Risklayer, eine Ausgründung des Zentrums für Katastrophenschutz und Risikominderungstechnik am Karlsruher Institut für Technologie, so schnell derartige Vorhersagen treffen?

"Seit 14 Jahren schnelle Schadenschätzungen"

"Wir betreiben seit 14 Jahren schnelle Schadenschätzungen nach Erdbeben", antwortet Risklayer-Chef James Daniell per E-Mail auf Anfrage von ntv.de. Seit 2010 ist er auch mitverantwortlich für die Erdbebendaten-Webseite Earthquake-report.com. Diese konnte schon vor einigen Jahren innerhalb von 30 Minuten nach einem Beben überall auf der Welt eine Vorhersage über Todesopfer und wirtschaftliche Schäden machen.

Das Unternehmen Risklayer greift bei seinen Berechnungen für das Ausmaß von Katastrophen auf CATDAT zurück, einer gewaltigen Datenbank für historische Katastrophenschäden, die von Daniell seit 2003 entwickelt wurde. "CATDAT verwendet eine riesige Menge an Daten über Gebäudetypen, frühere Todesraten, frühere Erdbeben, sozioökonomische Daten, Daten über Katastrophenhilfe und Bauvorschriften, auch Tageszeit", schreibt Daniell. Diese Daten, die von 1900 bis zum Jahr 2022 reichten, würden dafür genutzt, um blitzschnell Schadensschätzungen bei neuen Ereignissen zu erstellen.

Viele Datenpunkte verbessern Vorhersage

"Je mehr Erdbeben es in der Vergangenheit in dem betreffenden Land gab, desto besser ist das Modell", so Daniell. "In der Türkei hat es viele Erdbeben gegeben, daher gibt es viele Datenpunkte." In Syrien habe es hingegen nicht so viele Ereignisse in der Vergangenheit gegeben - und angesichts des Konflikts gebe es auch ziemlich viele Ungewissheiten, etwa über die Bauweise oder wo Menschen leben.

Was der Vorteil an den schnellen Analysen ist? Schnell verfügbare Informationen seien der Schlüssel zum Verständnis des Ausmaßes und der Auswirkungen von Katastrophen, heißt es auf der Webseite von Risklayer. "Anwohner müssen wissen, was in ihrer Nachbarschaft passiert ist, und Regierungen und Unternehmen wollen wissen, welche Auswirkungen dies auf ihre Lebensgrundlage haben könnte."

Neue Schätzung bei über 50.000 Toten

Im Fall des Bebens in der Türkei lag Risklayer anfangs richtig damit, dass die Opfer in die Zehntausende gehen. Doch seitdem hat das Unternehmen seine Schätzungen immer weiter nach oben korrigiert. Letzter Stand: Am Donnerstag twitterte Risklayer: "Leider haben wir einen weiteren Tag mit erhöhten Schadensbildern in verschiedenen Städten (hauptsächlich im Süden) und einigen Verfeinerungen des Modells erlebt", heißt es dort auf Englisch. Die aktuelle Todesfallschätzung lautet daher nun: 52.355.

Der zeitliche Ablauf am 6. Februar 2023

  • 2.17 Uhr und 2.28 Uhr MEZ: Nahe der türkische Stadt Gaziantep unweit der Grenze zu Syrien bebt die Erde. Die Lage ist unübersichtlich. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt.
  • 5.19 Uhr: "Schadenschätzung (...): ca. 11.400 Todesfälle (3200 bis 25.900) und ca. 14 Mrd. USD Schaden (6,5 bis 23 Mrd.). Nicht gut!", twittert die Firma Risklayer. Kurz darauf ein neuer Tweet: Diesmal wird die Schätzung der Todesfälle auf 16.800 nach oben korrigiert.
  • 5.39 Uhr: Medien berichten, dass bei dem Erdbeben mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen sind.
  • 8.21 Uhr: "320 Todesopfer in #Syrien, 284 in #Türkei bis jetzt bestätigt, aber leider wird es viel, viel mehr", twittert Risklayer.
  • 11.20 Uhr: Die Zahl der Toten in der Türkei ist laut dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf 912 gestiegen. Mehr als 500 Tote werden aus Syrien gemeldet.
  • 11.55 Uhr: Risklayer twittert eine weitere Korrektur der Schätzung: "Mit unserem Risklayer CATDAT-Modell rechnen wir jetzt mit rund 29.200 Todesopfern insgesamt (...)."

10. Februar 2023

  • 15.57 Uhr: Die Zahl der Toten steigt alleine in der Türkei auf 19.338. Mehr als 77.000 Menschen seien verletzt worden, sagt der türkische Präsident Erdogan. Aus Syrien werden zuletzt 3384 Tote gemeldet - zusammen sind es 22.722 erfasste Todesopfer in beiden Ländern.

Quelle: ntv.de

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