Strahlung schädigt Immunsystem Frauen sind offenbar besser für Raumfahrten geeignet
12.06.2024, 18:47 Uhr Artikel anhören
Raumfahrerinnen wie Suni Williams von Boeings Starliner-1-Crew haben im Weltraum wahrscheinlich gesundheitliche Vorteile gegenüber ihren männlichen Astronauten-Kollegen.
(Foto: REUTERS)
US-Wissenschaftler stellen in einer Studie fest, dass das Immunsystem von Frauen der Strahlenbelastung bei Raumfahrten offenbar besser widersteht als das von Männern. Andererseits scheinen sie aber anfälliger für bestimmte Herz-Kreislauf- und Krebsrisiken zu sein.
2021 flogen bei der Mission "Inspiration 4" erstmals vier Weltraum-Touristen ins All, zwei Frauen und zwei Männer. Das war nicht nur ein aufregendes Abenteuer für Finanzier Jared Isaacman und die drei anderen Passagiere, sondern hat auch wertvolle wissenschaftliche Ergebnisse geliefert. Denn die vier Hobby-Astronauten wurden vor, während und nach ihrem Flug intensiv medizinisch überwacht. Die Auswertung hat jetzt unter anderem ergeben, dass das Immunsystem von Frauen die Strahlenbelastung bei Weltraumreisen offenbar besser verkraftet als das von Männern.
Insgesamt lieferten die bei "Inspiration 4" gesammelten Daten Material für 44 Studien, die als Space Omics and Medical Atlas (SOMA) in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht wurden. "Dies ist die größte Veröffentlichung biomedizinischer Daten von Astronauten", zitiert "Science" Christopher Mason. Er ist Genetiker an der New Yorker Cornell University.
Raumfahrt ist definitiv ungesund
Durch vorangegangene Studien ist bekannt, dass Raumfahrten ein breites Spektrum von Auswirkungen auf die Gesundheit von Astronauten hat. Dazu gehört ein erhöhtes langfristiges Krebsrisiko durch die Strahlenbelastung, Muskel- und Knochenschwund aufgrund der Schwerelosigkeit sowie Veränderungen der Sehkraft.
Mason und seine Kollegen konzentrierten sich in ihrer Arbeit auf die Strahlenschäden. Sie werteten für ihre Arbeit nicht nur die Daten von "Inspiration 4" aus. Zusätzlich zogen sie die zuletzt von der japanischen Raumfahrtagentur gesammelten Daten sowie die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2019 mit den NASA-Zwillingen Scott und Mark Kelly hinzu.
Weltraum-Touristen liefern wertvolle Daten
Die insgesamt rund 20 Astronauten repräsentierten ein breiteres Spektrum von Menschen als in früheren Studien - nicht nur gesunde, fitte und relativ junge NASA-Astronauten, sagt J. D. Polk, Leiter des Bereichs Gesundheit und Medizin der NASA. Außerdem hat die "Inspiration 4"-Besatzung die Erde in einer Höhe von 585 Kilometern umkreist, also in einer deutlich größeren Höhe als die Internationale Raumstation (ISS) und die chinesische Tiangong-Station. Die Passagiere seien dadurch einer anderen und wahrscheinlich intensiveren Strahlungsumgebung im Weltraum ausgesetzt gewesen, schreibt "Science".
Die Studie zeigt, dass unter anderem die Monozyten geschädigt werden. Dabei handelt es sich um eine Unterform der weißen Blutkörperchen. Das Immunsystem sei dadurch in "höchster Alarmbereitschaft", sagt Mason. Sein Team sequenzierte auch die RNA im Blut der Astronauten und stellte fest, dass der Stress des Raumflugs die Transkription von Genen des Immunsystems beeinträchtigte. Das verringere möglicherweise die Fähigkeit des Körpers, sich gegen Viren zu verteidigen, schreibt "Science".
Interessant ist, dass sich auch herausstellte, dass die Immunsysteme von Männern und Frauen offenbar unterschiedlich stark und anders geschädigt werden. "Die bisherigen Daten deuten darauf hin, dass die genregulatorische und immunologische Reaktion auf den Weltraumflug bei Männern empfindlicher ist", schreiben die Wissenschaftler.
Frauen überstehen auch Schwangerschaften
Warum Frauen Raumfahrten besser überstehen, ist ihnen aber noch nicht klar. Mason hält es für möglich, dass die körperlichen Anforderungen, eine Schwangerschaft überstehen zu können, etwas damit zu tun haben. "Die Fähigkeit, große Veränderungen in der Physiologie und der Flüssigkeitsdynamik zu tolerieren, könnte für die Bewältigung der Schwangerschaft, aber auch für die Bewältigung des Stresses in der Raumfahrt auf physiologischer Ebene von großer Bedeutung sein."
Weiteren Studien der SOMA-Sammlung nach scheint auch die Sehkraft von Frauen durch die Schwerelosigkeit weniger beeinträchtigt zu werden, schreibt "Science". Aber sie haben möglicherweise auch Nachteile gegenüber Männern. Denn den Daten nach könnten Raumfahrerinnen anfälliger für einige Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krebsrisiken sein.
Um belastbare Aussagen über Geschlechterunterschiede treffen zu können, reichen die Daten noch nicht aus. "Weitere Studien werden nötig sein, um diese Trends zu bestätigen", sagt Mason. "Aber solche Ergebnisse können Auswirkungen auf die Erholungszeiten und möglicherweise auf die Auswahl der Besatzung haben, zum Beispiel mehr Frauen, für Höhen-, Mond- und Tiefenraummissionen."
Quelle: ntv.de, kwe