"Fünftes Bein" beim Landen Gecko nutzt Schwanz als Stabilisator
07.09.2021, 10:18 Uhr
Die Landetechnik eines Geckos.
(Foto: Andre Wee)
Der Schwanz von Geckos hat viele Funktionen. Besonders kurios ist sein Nutzen, wenn die Tiere nach meterlangem Gleiten gegen Bäume prallen. Das haben Forscher erstmals entschlüsselt - und nach dem Prinzip einen Roboter entworfen.
Geckos laufen senkrecht glatte Wände hinauf oder kopfüber unter einer Decke. Die enorme Haftfähigkeit verdanken sie besonderen Lamellen an ihren Füßen. Auch der Schwanz der kleinen Echsen erfüllt diverse Funktionen - etwa als zusätzlicher Antrieb und Stabilisator beim Laufen über Wasserflächen.
Nun stellt ein deutsch-amerikanisches Forscherteam eine weitere Funktion des Schwanzes vor: Die zu den Halbfinger-Geckos gehörende Art Hemidactylus platyurus nutzt ihn beim Gleiten und insbesondere bei der kuriosen Landung an Baumstämmen, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt "Communications Biology".
Die nur wenige Gramm wiegenden Tiere leben in Wäldern Südasiens und sind dafür bekannt, zwischen Bäumen zu gleiten, oft über mehrere Meter. Wie sie das genau tun, ermittelte das Team um Ardian Jusufi vom Stuttgarter Max-Planck-Institut für intelligente Systeme zunächst im Regenwald von Singapur mit Hilfe von Hochgeschwindigkeitskameras, deren Aufnahmen die Wissenschaftler anschließend in Zeitlupe analysierten.
Raffinierte Technik
"Bevor sie abheben, bewegen sie ihren Kopf nach oben und unten und von einer Seite zur anderen, um vor dem Start das Ziel zu sehen, als wollten sie die Entfernung abschätzen", erzählt Jusufi. In der Luft stabilisieren die Tiere dann ihre Haltung mit dem Schwanz.
Kurios sind die blitzschnellen Landungen an senkrechten Baumstämmen. Dort prallen die Geckos zunächst mit Kopf und Schultern auf - mit einer Geschwindigkeit bis 21 Kilometer pro Stunde, das entspricht etwa 140 Körperlängen pro Sekunde. Zunächst haften sie kurz mit den Vorderfüßen fest, doch zum Abfedern des Aufpralls beugen sie den Rumpf um bis zu 100 Grad nach hinten. Dabei verlieren die Vorderfüße den Halt, und nur die Hinterbeine bleiben haften. Um sich zusätzlich abzustützen, pressen die Tiere ihren Schwanz gegen den Baumstamm.
Nur die an den Stamm gepressten Hinterfüße und der Schwanz sorgen dafür, dass die Tiere haften bleiben und nicht herabfallen. Der Schwanz wirkt laut Jusufi wie ein fünftes Bein und hilft dem Gecko, sich nach dem Aufprall zu stabilisieren.
"Dieser Reflex geschieht so schnell, dass nur ein Video in Zeitlupe den Mechanismus klären konnte", sagt Jusufi. In der Natur klappte die Landung nach diesem Prinzip in knapp 90 Prozent der Fälle. Geckos, die ihren Schwanz verloren hatten, blieben nicht haften und fielen auf den Waldboden.
Inspiration für Roboterdesign
In einem weiteren Schritt bauten die Forscher einen Gecko-Softroboter per 3D-Druck. Die Haftfähigkeit der Füße wurde per Klettverfahren nachgestellt, und der Schwanz wurde nach Kontakt der Vorderbeine zu einer Filzoberfläche an diese Fläche gepresst.
Wurde der Roboter auf die senkrechte Oberfläche katapultiert, blieb er in 55 Prozent der Versuche haften. Entfernten die Forscher den Schwanz, waren es nur 15 Prozent. Messungen zeigten, dass ein längerer Schwanz die Kraft reduziert, die die Hinterbeine zum Haften aufbringen müssen.
Die Erkenntnisse lassen sich den Forschern zufolge etwa für das Design von Vielzweck-Robotern anwenden oder zur Stabilisierung fliegender Geräte wie etwa Drohnen. "Die Natur hat viele unerwartete und elegante Lösungen für technische Probleme", sagt Jusufi. "Das wird wunderbar durch die Art und Weise veranschaulicht, wie Geckos ihre Schwänze nutzen können, um einen Frontalzusammenprall in ein erfolgreiches Landemanöver zu verwandeln."
Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa