Corona-Krankheitsverlauf "Im Notfall bleibt nur künstliche Beatmung"
14.03.2020, 08:12 Uhr
Medizinisches Personal betreut im chinesischen einen Patienten in kritischem Zustand.
(Foto: imago images/ZUMA Wire)
Das Coronavirus hat Deutschland seit Wochen im Griff. Zwar sind die Symptome in den meisten Fällen nicht gravierender als bei einem grippalen Infekt, doch für Patienten mit Vorerkrankungen kann es gefährlich werden. Wie der Krankheitsverlauf von Corona-Infizierten aussieht, erklärt Martin Witzenrath, Professor für Lungenheilkunde und stellvertretender Leiter der Klinik für Infektiologie und Pneumologie an der Berliner Charité, im Interview mit ntv.de.
ntv.de: Herr Witzenrath, kann man bei Coronavirus-Patienten von einem "typischen" Krankheitsverlauf sprechen? Wenn ja, wie sieht dieser aus?
Martin Witzenrath: Ja, das kann man durchaus. Ein Infizierter merkt davon zunächst nichts. Nach ein paar Tagen beginnen die ersten Symptome in den oberen Atemwegen. Es fühlt sich an wie eine leichte Erkältung. Im Verlauf der Erkrankung haben die meisten Menschen Fieber und einen trockenen Husten. Hinzu kommen allgemeine Symptome wie Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Halsschmerzen, seltener auch Muskel- oder Gelenkschmerzen und Schüttelfrost. Die meisten Menschen sind dann mit der Erkrankung durch, etwa 20 Prozent von ihnen erkranken jedoch schwerer, hauptsächlich Ältere. Sie entwickeln im weiteren Verlauf eine tiefe Atemwegsinfektion im Sinne einer Lungenentzündung. Und einige wenige von ihnen entwickeln dann wiederum einige Tage später auch ein Lungenversagen.
Ein italienischer Arzt hatte kürzlich in einem vielbeachteten Facebook-Eintrag seine Erfahrungen im Umgang mit Covid-19-Patienten geschildert. Er hat die beidseitige Lungenentzündung als häufigste Todesursache benannt. Stimmt das mit Ihren Erfahrungen überein?
Patienten, die am Coronavirus sterben, versterben entweder an einer beidseitigen Lungenentzündung oder sie entwickeln eine sogenannte Sepsis, also eine Blutvergiftung. In manchen Fällen bekommen Patienten Herz-Kreislauf-Probleme und sterben daran. Das sind aber häufig Patienten, die auch schon vorher Herz-Kreislauf-Probleme hatten.
Was wir bisher wissen, ist, dass ungefähr drei Viertel der Corona-Patienten, die tatsächlich auch eine Lungenentzündung entwickeln, eine beidseitige Lungenentzündung bekommen. Das bedeutet aber auch, dass etwa ein Viertel der Patienten eine einseitige Lungenentzündung hat. Eine einseitige Lungenentzündung schließt die Diagnose Coronavirus also nicht aus.
Wie werden beidseitige Lungenentzündungen behandelt? Das sind ja alles keine unbekannten Symptome.
Richtig, beidseitige Lungenentzündungen kennen wir natürlich, üblicherweise durch andere Erreger, wie beispielsweise Bakterien oder Viren, zum Beispiel das Influenza-Virus. Bei den Bakterien können wir Antibiotika geben. Bei den Influenza-Viren haben wir ein Medikament, das wir einsetzen können. Aber beim Coronavirus gibt es noch keins. Uns bleiben dann nur Maßnahmen wie Sauerstoff geben und im Notfall die künstliche Beatmung.
Haben wir genug Beatmungsplätze in deutschen Krankenhäusern?
Wir haben in Deutschland die glückliche Situation, dass wir pro Einwohner relativ viele intensiv stationäre Betten oder Plätze haben. Aber es kann natürlich durchaus die Situation entstehen, dass derart viele Menschen gleichzeitig erkrankt sind und die Plätze deshalb knapp werden könnten. Da müssen wir vorbeugen und das tun wir im Moment auch.
Nichtsdestotrotz hilft ja auch künstliche Beatmung nicht in allen Fällen, wie anhand der vielen Todesfälle, zum Beispiel in Italien, zu sehen ist. Dort werden die schwer erkrankten Corona-Patienten ja auch künstlich beatmet, oder?
Richtig ist, dass man manchmal trotz Beatmung an einer Lungenentzündung stirbt. Die besondere Problematik in Italien ist, dass es dort deutlich weniger Beatmungsplätze pro Einwohner gibt. Und die Ressourcen sind dort einfach vollkommen aufgebraucht, das hören wir zurzeit immer wieder von den Kollegen in Italien. Offenbar gibt es auch Patienten, die tatsächlich keinen Platz mehr bekommen. Das heißt, deutlich vorerkrankte Patienten bekommen in einigen Fällen auch gar keinen Platz mehr auf einer Intensivstation, weil die Plätze einfach zu rar gesät sind.
Mit Martin Witzenrath sprach Kevin Schulte
Quelle: ntv.de