Abhängigkeit verringern Kann man Gaskraftwerke nicht ersetzen?
10.09.2022, 09:19 Uhr
Die meisten Gaskraftwerke in Deutschland - wie das im Hafen von Düsseldorf - erzeugen nicht nur Strom, sondern auch Fernwärme.
(Foto: picture alliance / Jochen Tack)
Der Ukraine-Krieg löst auch eine Energiekrise aus: Russland dreht das Gas ab, die Preise schießen in die Höhe. Weil in Deutschland auch Strom aus Gas gewonnen wird, steigen die Strompreise ebenfalls rasant. Doch es gibt Alternativen zu den Gaskraftwerken.
Gas ist eine wichtige Energiequelle für Deutschland. Ein Viertel der gesamten genutzten Energie stammt aus der Verbrennung von Erdgas. Auch Strom wird daraus gewonnen, was aber schon vor dem Ukraine-Krieg verhältnismäßig teuer war. Mit der Verknappung der Liefermengen durch Russland steigen die Preise noch höher. Doch warum muss man überhaupt Strom aus Gas erzeugen? Und kann man das nicht anders machen?
Es gibt Alternativen zu den Gaskraftwerken. Anfang August wurde ein erstes Reserve-Steinkohlekraftwerk in Niedersachsen an den Strommarkt zurückgeholt. Deutschland will später im Jahr auch auf Braunkohle-Kraftwerke zurückgreifen, um Gas zu ersetzen. Allerdings haben Kohlekraftwerke einen deutlich schlechteren CO2-Fußabdruck: Im Vergleich zu Erdgas wird etwa doppelt so viel CO2 freigesetzt.
Auch die Verlängerung der Laufzeiten der letzten drei Atomkraftwerke wurde diskutiert. Das Einsparpotenzial für Gas durch Atomkraft ist laut einer Analyse des Energie-Beraters Energy Brainpool jedoch gering: Der Streckbetrieb könnte demnach nur ein Prozent des jährlichen Gasverbrauchs ersetzen.
Gaskraftwerke liefern auch Wärme
Der Gas-Strom wird zudem überwiegend in Kraftwerken mit sogenannter Kraft-Wärme-Kopplung produziert. Das ist bei 600 der insgesamt rund 700 Gaskraftwerke in Deutschland der Fall. Ein Teil der entstehenden Wärmeenergie wird als Fernwärme genutzt. Laut dem Bundeswirtschaftsministerium werden in Deutschland 5,6 Millionen Wohnungen mit Fernwärme geheizt.
Und Gaskraftwerke werden auch an anderer Stelle benötigt: Zu jedem Zeitpunkt muss genau so viel Strom ins Netz eingespeist werden, wie verbraucht wird - sonst kommt es zu Stromausfällen. Vor allem Wind- und Sonnenenergie schwanken jedoch je nach Witterung und Tageszeit zum Teil deutlich. Gaskraftwerke können diese Schwankungen sehr gut ausgleichen, weil man sie innerhalb weniger Minuten auf Spitzenleistungen hochfahren kann. Kohle- und Atomkraftwerke sind dafür nicht gut geeignet.
Pumpspeicherkraftwerke sind zwar ebenso flexibel wie Gaskraftwerke. Doch es gibt zu wenige von ihnen - die installierte Leistung beträgt nur ein Viertel der von Gaskraftwerken. Und im großen Maßstab ausbauen kann man Pumpspeicherkraftwerke nicht, es mangelt an Standorten. Und irgendwo müsste auch der Strom dafür herkommen. Das vorläufige Fazit des Bundeswirtschaftsministeriums Anfang August lautete daher: Ein kompletter Verzicht auf Gas in der Stromerzeugung ist derzeit nicht möglich. Die Versorgung von Verbrauchern sei andernfalls gefährdet.
Speicherlösung ist gefragt
Doch es gibt Möglichkeiten, die Abhängigkeit vom Gas in Zukunft zu verringern. Strom zu sparen, ist die eine. Ein weiterer Ausbau erneuerbarer Energien und Energiespeicher, die andere. Als Speicher infrage kommen etwa Batterien in Großanlagen, in Elektroautos und Akkus in Wohnhäusern, welche Strom aus Photovoltaik speichern. Bisher spielen Batteriespeicher jedoch nur eine kleine Rolle. Unter einem Gigawatt Leistung war laut einem Bericht der Bundesnetzagentur installiert - nur ein Bruchteil der Leistung von Gaskraftwerken.
Eine weitere Alternative für Strom aus Erdgas könnte die Power-to-Gas-Technologie werden. Mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien wird dabei Wasser durch Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Der "grüne Wasserstoff" wiederum kann mit CO2 auch zu Methan umgewandelt werden - im Prinzip dasselbe wie Erdgas. Der synthetische Brennstoff ist im Unterschied jedoch CO2-neutral, kann aber ebenfalls in Gaskraftwerken verstromt werden.
Weiterer Vorteil von Power-to-Gas: Die mit der Energiewende häufiger werdenden Überschüsse an Wind- und Sonnenenergie können zur Herstellung des künstlichen Kraftstoffs genutzt werden, was das Stromnetz vor Überlastung bewahrt. Bisher müssen dafür als letzte Maßnahme immer noch Windräder abgeschaltet werden. 2021 gingen dadurch laut Bundesnetzagentur etwa drei Prozent des Windstroms verloren.
Energie in künstlichem Gas
Durch Power-to-Gas könnte zudem Energie endlich auch in richtig großem Maßstab gespeichert werden. Etwa in den existierenden Großspeichern, wie dem im niedersächsischen Rheden, dem größten Gasspeicher Deutschlands, der aus einem ehemaligen Gasfeld in 2000 Metern Tiefe besteht. Er kann fast vier Milliarden Kubikmeter Erdgas aufnehmen, womit zwei Millionen Einfamilienhäuser ein Jahr lang versorgt werden können.
Doch Power-to-Gas hat auch Nachteile: Auf diese Weise hergestellter Brennstoff ist derzeit noch deutlich teurer als fossiles Erdgas. Sollten jedoch die Kosten für Erneuerbare Energien und Elektrolyseanlagen weiter sinken, könnte Power-to-Gas in Zukunft eine größere Rolle spielen. Eine Analyse von Energy Brainpool prophezeite, dass grüner Wasserstoff spätestens 2040 preislich mit Erdgas mithalten kann. Mit den jüngsten Rekordständen der Gaspreise könnte dies vielleicht sogar schon früher der Fall sein.
Quelle: ntv.de