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Meilenstein der Energieforschung Laserfusion? Wie die Zündung winziger Atombomben

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Blick in das Fusionsexperiment am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien - in der dortigen National Ignition Facility (NIF) wird Brennstoff mit starken Lasern zur Fusion gebracht.

(Foto: picture alliance/dpa/Lawrence Livermore National Laboratory/AP)

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Die Rede ist von einem Meilenstein bei der zivilen Nutzung der Kernfusion: In den USA gelingt es Forschern erstmals, mit einem Fusionsprozess mehr Energie zu erzeugen, als sie hineinstecken. Bei der Methode handelt es sich um Laserfusion. Doch was ist das? Und taugt sie für ein Kraftwerk?

Wissenschaftlern in den USA gelingt es erstmals, bei einer kontrollierten Kernfusion mehr Energie zu erhalten, als für die Zündung notwendig war. Nach rund 70 Jahren Forschung ist damit ein wichtiger Meilenstein der Forschung erreicht, der Hoffnung auf eine zivile Nutzbarkeit der Fusionsenergie auf Erden macht. Damit eröffnet sich die Perspektive auf eine schier unbegrenzt vorhandene und CO2-freie Energiequelle. Der Durchbruch gelang an der National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien mittels Laserfusion. Aber was ist das eigentlich?

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(Foto: dpa-infografik GmbH)

Bei einer Kernfusion verschmelzen Atomkerne miteinander - daher der Name. Bei diesem Vorgang wird unglaublich viel Energie freigesetzt. Dieser Prozess bringt auch die Sonne zum Leuchten - in ihrem Innern verschmelzen Wasserstoffatome miteinander zu Helium. Licht und Wärme der Sonne sind Grundlage des Lebens auf der Erde.

Kernfusion auf der Erde in technischen Anlagen zu erzeugen, ist eine äußerst verlockende Aussicht. Denn in einem Gramm Wasserstoff steckt so viel Energie wie in elf Tonnen Kohle. Doch das Unterfangen ist äußerst schwierig: Seit den 1950er Jahren versuchen Forscher, Atomkerne miteinander zu verschmelzen. Am besten eignen sich dafür die beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium. Allerdings sind in Fusionsreaktoren extreme Bedingungen nötig, um den Brennstoff zum Verschmelzen zu bringen: Er muss sehr heiß und gleichzeitig dicht sein.

Laserfusion ist Trägheitsfusion

Es gibt verschiedene Ansätze für die technische Kernfusion: Die gängigsten sind der magnetische Einschluss und die Trägheitsfusion, zu der auch die Laserfusion zählt. Beim magnetischen Einschluss wird Wasserstoff-Plasma in einem Magnetfeld eingeschnürt und so stark erhitzt, bis die Atomkerne miteinander verschmelzen. Der geplante ITER-Versuchsreaktor in Frankreich basiert auf dem Prinzip, ebenso der Versuchsreaktor Wendelstein 7-X in Greifswald. Diese Art der Fusion ist auch die bisher am besten erforschte.

Die Trägheitsfusion funktioniert ein wenig anders. Bei ihr wird der Wasserstoff nur für sehr kurze Zeit extrem verdichtet und aufgeheizt. Die Atomkerne verschmelzen und die Trägheit der Masse hält das Plasma davon ab, sofort wieder auseinanderzufliegen - daher der Name.

Es ist dasselbe Prinzip wie bei Wasserstoffbomben. Doch ist bei zivilen Vorhaben die Menge an Brennstoff pro Zündung viel geringer: Es handelt sich meist um kleine, etwa Stecknadelkopf große Kügelchen, Pellets genannt. Winzige Atombomben, wenn man so will. Sie bestehen aus Beryllium oder Kunststoff. In ihnen enthalten ist ein Gemisch aus Deuterium und Tritium. Bei der Laserfusion wird der Brennstoff in diesen Pellets mit starken Laserstrahlen verdichtet und aufgeheizt. Die Atomkerne verschmelzen und die Trägheit hilft ihnen dabei.

Ein NIF-Target-Pellet in einer Hohlraumkapsel mit Laserstrahlen. Die Strahlen komprimieren und erhitzen das Target auf die Bedingungen, die für die Kernfusion erforderlich sind.

Ein Pellet in einer Hohlraumkapsel - Laserstrahlen treten durch Öffnungen an beiden Enden ein. Die Strahlen komprimieren und erhitzen das Pellet mit dem Brennstoff auf die Bedingungen, die für die Kernfusion erforderlich sind.

(Foto: Lawrence Livermore National Laboratory)

Es gibt zwei verschiedene Arten von Laserfusion: die direkte und die indirekte. Beim Durchbruch am NIF kam die indirekte Variante zum Einsatz. Die Laserstrahlen zielen dabei nicht direkt auf das Pellet, sondern an den Rand eines kleinen Hohlraums, in dem dieses sich befindet. Dabei entsteht Röntgenstrahlung, welche den Hohlraum gleichmäßig ausfüllt. Durch die Energie der von allen Seiten eintreffenden Röntgenstrahlen wird das Pellet zur Implosion gebracht und der Brennstoff so stark verdichtet und erhitzt, dass die Atomkerne miteinander verschmelzen - eine Mini-Wasserstoffbombe wird gezündet.

100 Milliarden Erdatmosphären

Am NIF in Kalifornien wird dafür eine riesige Anlage eingesetzt - es ist der größte Laser der Welt: 192 Laserstrahlen werden auf das Ziel gelenkt, wodurch im Pellet eine Temperatur von 100 Millionen Grad und ein Druck von 100 Milliarden Erdatmosphären entsteht.

Doch diese indirekte Laserfusion ist sehr ineffizient. Auch am NIF mussten für die Erzeugung der Laserstrahlen 500 Megajoule an Energie eingespeist werden, um schließlich etwa 2 Megajoule auf das Ziel zu lenken. Dabei wurden jedoch 2,5 Megajoule freigesetzt - der erste Energieüberschuss der Fusionsforschung. Wenn man den gesamten Energieaufwand der Anlage berechnet, konnten jedoch nur 0,5 Prozent der eingebrachten Energie wieder herausgeholt werden.

Als vielversprechender gilt laut Experten daher die direkte Laserfusion. Bei dieser wird, wie der Name schon sagt, das Pellet mit dem Brennstoff von Lasern direkt bestrahlt und damit zur Implosion gebracht. Allerdings ist diese Methode deutlich anfälliger für Instabilitäten. Es wird noch mit jahrelanger Forschungsarbeit gerechnet, um diese zu vermeiden. Es ist nicht sicher, ob es gelingt.

Weiteres "Effizienz-Problem"

Bei der Laserfusion gibt es laut Sibylle Günter, Wissenschaftliche Direktorin am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching, zudem ein weiteres "Effizienz-Problem". Es sei nämlich viel effizienter, kalte Materie zu komprimieren als heiße. "Auch da ist sich die Community einig, dass man auf dem Weg zu einem Kraftwerk erst die relativ kalte Materie auf die erforderliche Dichte komprimieren muss, und dann einen Weg finden muss, im Zentrum des Pellets die Temperatur zu erhöhen", so Günter. Dazu gebe es erste Ideen, aber das sei schwierig.

Ein weiteres Problem bei einem Laserfusions-Kraftwerk: Bisher dauert es mehrere Tage, um für einen Zündungsversuch ein Pellet in die richtige Position zu bringen. "Ein Kraftwerk müsste das mehr als zehnmal pro Sekunde tun. Das ist eine weitere Herausforderung", so Günter. Weitere Herausforderungen seien die Herstellung des Brennstoffs Tritium, eine in der Natur sehr seltene Wasserstoffsorte, die jedoch künstlich aus Lithium gewonnen werden kann.

Quelle: ntv.de

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