Gekappter Vagusnerv Magen-Operation senkt Parkinson-Risiko
09.06.2017, 11:41 Uhr
Magengeschwür-Operationen, bei denen der Vagusnerv durchtrennt wird, sind nicht mehr zeitgemäß.
(Foto: picture alliance / Angelika Warm)
Bisher weiß man wenig über die genauen Ursachen von Parkinson. Nun sind sich Forscher sicher, dass die Verbindung zwischen Magen und Gehirn über den Vagusnerv mit der Entstehung der neurodegenerativen Erkrankung zu tun hat.
Rund doppelt so viele Parkinson-Patienten leiden im Vergleich zur Gesamtbevölkerung an Verstopfungen und Schlafstörungen, bevor sie eine Parkinson-Diagnose bekommen. Dem typischen Zittern und anderen motorischen Einschränkungen gehen solche untypischen Symptome, oftmals sogar jahrelang, voraus. Eine mögliche Verbindung zwischen Gehirn und Darm haben Parkinson-Forscher schon längere Zeit vermutet. Nun können schwedische Forscher einen Beweis dafür liefern.
Die Wissenschaftler suchten zunächst mit Hilfe der nationalen Gesundheitsdatenbank alle Patienten, die sich zwischen 1970 und 2010 einer sogenannten Vagotomie unterzogen hatten, heraus. Bei dieser Operation wurden in der Vergangenheit einzelne Äste oder auch der gesamte sogenannte Vagusnerv operativ durchtrennt. Auf diese Weise sollte die Produktion von Magensäure verringert und Magengeschwüre sowie Geschwüre des Zwölffingerdarms therapiert werden. Heute wird diese Art der Magengeschwürtherapie nicht mehr angewendet.
Größte Effekte bei vollständiger Durchtrennung
Die Forscher fanden insgesamt 9430 Patienten, bei denen dieser Eingriff durchgeführt worden war. Davon erkrankten 101 an Parkinson, das entspricht 1,07 Prozent. Im Vergleich dazu waren in der Allgemeinbevölkerung 1,28 Prozent Parkinson-Fälle zu verzeichnen. Noch deutlicher zeigte sich der Effekt, als die Forscher sich auf die Patienten konzentrierten, bei denen der Vagusnerv vollständig gekappt worden war. Hier war das Risiko, an Parkinson zu erkranken, um 22 Prozent geringer als in der Allgemeinbevölkerung. Lag der Eingriff mindestens fünf Jahre oder länger zurück, sank das Parkinson-Risiko sogar um 41 Prozent.
Mit ihren Ergebnissen stützen die Forscher nicht nur die Untersuchung einer dänischen Arbeitsgruppe, sondern auch noch die sogenannte Aszensionshypothese, die davon ausgeht, dass Parkinson zumindest teilweise im Verdauungstrakt beginnt. Eine Schlüsselrolle wird dabei einem fehlgefalteten Eiweißmolekül mit den Namen Alpha-Synuklein eingeräumt. Dieses soll sich im Gehirn von Parkinson-Patienten ablagern. Alpha-Synuklein könnte durch den Einfluss von Umweltgiften, aber auch im Nervensystem des Magen-Darm-Traktes entstehen, so die Hypothese. Von dort aus könnten die Eiweißmoleküle dann wie auf einer Steigleiter den Vagusnerv samt seiner Verästelungen bis zum Gehirn hochsteigen.
"Die neue Studie stützt die Hypothese, dass die Parkinson-Krankheit im Magen entsteht und sich über die Nervenbahnen ins Gehirn ausbreitet", kommentiert Professor Daniela Berg von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. "Auch wenn wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine neue Therapie anbieten können, wird ein besseres Verständnis des Verlaufs des Zelluntergangs langfristig natürlich auch den Patienten zugutekommen", so Berg, die die Klinik für Neurologie am Campus Kiel des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein leitet.
Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler im Fachmagazin "Neurology" veröffentlicht.
Quelle: ntv.de, jaz