Wissen

Laser-Chips 25 Mal schneller Mit Lichtgeschwindigkeit in die KI-Zukunft

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Mikroskopische Aufnahme von VCSELs in der Anwendung als optischer neuromorpher Computer.

Mikroskopische Aufnahme von VCSELs in der Anwendung als optischer neuromorpher Computer.

(Foto: TU Berlin)

Wissenschaftler der TU Berlin und des MIT Boston entwickeln den ersten Laser-Chip, der mit Licht statt Elektronen arbeitet. Er soll 100 Mal energieeffizienter und 25 Mal schneller als die besten aktuellen Prozessoren sein und so KI-Anwendungen wie ChatGPT zu neuen, bisher ungeahnten Möglichkeiten verhelfen.

Die Menschen staunen schon jetzt, was ChatGPT und andere KI-Anwendungen können, doch sie könnten noch viel leistungsfähiger sein, wenn es bessere Computer gäbe. Aber die aktuellen Rechensysteme stoßen an ihre Grenzen, das Mooresche Gesetz, nach dem sich alle zwei Jahre die Rechenleistung von Computerchips verdoppelt, gilt schon seit einigen Jahren nicht mehr.

Abhilfe könnten Prozessoren bringen, die mit Licht statt Elektronen arbeiten. Ein Forschungsteam der TU Berlin und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA hat den weltweit ersten Chip entwickelt, der das kann. Ihre Erkenntnisse haben sie im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht.

Herkömmliche Chips am Limit

Das Problem herkömmlicher Mikrochips sind ihre zentralen Bausteine, die Transistoren. Aus thermodynamischen Gründen lassen sie sich nicht beliebig schnell und gleichzeitig energieeffizient schalten. "Die besten kommerziell erhältlichen Chips haben dieses Limit praktisch schon erreicht", sagt Stephan Reitzenstein. Er leitet die Arbeitsgruppe "Optoelektronik und Quantenbauelemente" an der TU Berlin.

Diese physikalische Grenze für die auf Stromfluss basierenden Mikrochips schränke auch die Entwicklung von KI-Anwendungen fundamental ein, erklärt der Wissenschaftler. "Um etwa mächtigere neuronale Netze zu bauen, können wir nicht einfach mehrere Supercomputer zusammenschalten. Wir brauchen dazu ein kompaktes, leistungsfähiges Gesamtsystem."

Laut "All-Electronics" sind Rechenzentren schon heute für etwa fünf Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich. Durch einen verstärkten KI-Einsatz könnten es in wenigen Jahren schon 30 Prozent sein. Für das Training eines KI-Modells müssten die Prozessoren Hunderter Grafikkarten, die jeweils etwa 1000 Watt verbrauchten, für mehrere Wochen laufen, zitiert das Fachmagazin Ralf Herbrich vom Potsdamer Hasso-Plattner-Institut. "1000 Watt ist so viel, wie ein Backofen verbraucht."

Es werde Licht!

Die von der Wissenschaft angestrebte Lösung für das Problem ist, Elektronen durch Licht-Teilchen (Photonen) zu ersetzen. Zum Einsatz kommen dabei Laser, die nur etwa zehn Mikrometer im Durchmesser groß (ein hundertstel Millimeter) sind. Genannt werden sie Vertical Cavity Surface Emitting Laser (VCSEL). Über physikalische Effekte können sie einander beeinflussen und so mathematische Operationen mit hoher Geschwindigkeit und auf kleinem Raum ermöglichen.

Die Miniatur-Laser mussten nicht extra entwickelt werden, es gibt sie bereits, und viele Menschen nutzen sie. Denn sie werden unter anderem schon seit einigen Jahren auf Smartphones zur Gesichtserkennung (Face ID) verwendet. Ein weiteres häufiges Einsatzgebiet sind Telekommunikationsnetze (Glasfaser), wo sie als Lichtquelle dienen.

Für KI werden optisch neuronale Netze (ONN) verwendet, bei denen die künstlichen Neuronen als Strukturen bereits auf dem optischen Chip angelegt werden. "Ein Laser erzeugt seine energiereichen und parallelen Lichtstrahlen dadurch, dass er sie mit Spiegeln mehrfach durch einen Resonatorraum mit einem optisch aktiven Medium schickt", erklärt Reitzenstein. "Ein VCSEL besitzt mehrere Schichten von teilreflektierenden Materialien, die zusammen fast alle Lichtstrahlen wieder in den Resonator zurückspiegeln."

Sehr effizient und leistungsfähig

"Aufbauend auf diesem Know-how haben wir die VCSEL für den Einsatz in einem ONN-Chip angepasst und optimiert", sagt Reitzenstein. Dabei sei es darauf angekommen, eine möglichst hohe Lichtausbeute zu erreichen und die Anordnungen von jeweils 25 VCSEL auf einem Chipsegment auf eine exakt gleiche Lichtwellenlänge zu bringen.

Erste Tests mit dem Laser-Chip-ONN verliefen den Wissenschaftlern zufolge sehr erfolgreich. Das Ergebnis: Die neuen Chips sind 100 Mal energieeffizienter und können 20 Mal mehr Rechenpower pro Fläche bereitstellen als die besten elektronischen Digitalprozessoren. Und das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. "Durch eine relativ leicht zu realisierende Erhöhung der Taktfrequenz der Laser könnten diese Werte vermutlich noch einmal um den Faktor 100 gesteigert werden", sagt Reitzenstein.

Entfesseltes ChatGPT

Mehr zum Thema

"ChatGPT ist in seiner Größe durch die Leistung heutiger Supercomputer begrenzt. Es ist einfach wirtschaftlich nicht sinnvoll, Modelle zu trainieren, die viel größer sind. Unsere neue Technologie könnte den Sprung zu Modellen des maschinellen Lernens ermöglichen, die sonst in naher Zukunft nicht erreichbar wären", sagt Dirk Englund vom MIT. Es geht aber auch eine Nummer kleiner: Die äußerst leistungsfähigen, aber auch enorm sparsamen Chips könnten künftig ebenso in Smartphones und anderen mobilen Geräten eingesetzt werden.

Das könnte schneller gehen als gedacht. Die gewonnenen Erkenntnisse müssen zwar erst mal industriell umgesetzt werden. Aber da die Komponenten eines VCSEL-Systems mit bereits heute verwendeten Fertigungsverfahren hergestellt werden könnten, "gehen wir davon aus, dass es in einigen Jahren für den kommerziellen Einsatz skaliert werden kann", schreiben die Wissenschaftler.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen