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Kälteschutz wie bei Eisbären Neue Thermofaser wärmt so wie fünf dicke Daunenjacken

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Forscher haben eine Faser entwickelt, die aufgebaut ist wie das Haar von Eisbären und so extrem gut gegen Kälte isoliert.

Forscher haben eine Faser entwickelt, die aufgebaut ist wie das Haar von Eisbären und so extrem gut gegen Kälte isoliert.

(Foto: picture alliance/dpa/TASS)

Nicht nur Polarforscher dürften sich über diese Neuentwicklung freuen: Nach dem Prinzip des Eisbärenfells hat ein chinesisches Forschungsteam Thermotextilien mit extremem Kälteschutz entwickelt. Und: Je niedriger die Gradzahl, desto besser isoliert das Kleidungsstück.

Das Fell von Eisbären als Inspirationsquelle für extrem wärmeisolierende Textilien: Chinesische Forscher haben eine Faser entwickelt, die aufgebaut ist wie das Haar der arktischen Tiere, nämlich mit einem porösen Kern und einer Umhüllung. Das poröse Innere schließt viel Luft ein, was den Wärmeverlust minimiert. Die Umhüllung verleiht der Struktur Stabilität. Die Gruppe um Mingrui Wu von der Zhejiang University in Hangzhou ließ aus diesen Fasern ein Sweatshirt stricken. Die Textilie hielt bei minus 20 Grad Celsius genauso viel Wärme am Körper wie eine fünfmal so dicke Daunenjacke, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Science".

Für den luftigen Kern der Faser verwendeten Wu und Kollegen ein sogenanntes Aerogel. Aerogele wurden bereits vor mehr als 90 Jahren entwickelt, sie bilden einen hochporösen Feststoff, der sich gut als Isolationsmaterial eignet. "Leider ist ihre Anwendung in Textilien aufgrund ihrer Zerbrechlichkeit und schlechten Verarbeitbarkeit stark eingeschränkt", schreiben die Autoren über Aerogele. Dieses Hindernis überwanden sie, indem sie die Aerogelfaser mit einem thermoplastischen Polyurethan, einem sehr dehnbaren Kunststoff, umhüllten.

Technik des Gefrierspinnens

Um eine in Längsrichtung ausgerichtete Mikrostruktur zu erhalten, nutzte das Team um Wu die Technik des Gefrierspinnens: Ein flüssiger Aerogelstrang wird langsam durch einen kalten Kupferring geführt, um ein gerichtetes Eiskristallwachstum zu erzeugen. Dadurch entstehen lamellenartige feste Strukturen mit großen Luftzwischenräumen. Nach einer Gefriertrocknung ist die Struktur stabil.

Anschließend durchläuft die Aerogelfaser eine Polyurethanlösung. Je nach Zähflüssigkeit der Lösung gerät die Faserhülle unterschiedlich dick. Versuche ergaben, dass eine 0,08 Millimeter dicke Polyurethanschicht um einen Kern mit einem Durchmesser von 0,6 Millimetern den besten Kompromiss zwischen Isolierung und Stabilität darstellt.

Dann testeten die Wissenschaftler die Eigenschaften der neuen Faser. Sie dehnten die Faser auf das Zehnfache ihrer Länge, was sie schadlos überstand. Auch 10.000 Zyklen der Dehnung auf die doppelte Länge bewirkten keine Veränderung der Wärmeisolierung. "Diese stabile Wärmedämmleistung führen wir auf die robuste Kapselschicht zurück, die die Unversehrtheit der Faser gewährleistet", schreiben die Studienautoren.

Je niedriger die Gradzahl, desto besser die Isolierung

Bei minus 20 Grad Celsius wiesen ein Baumwoll-Sweatshirt eine äußere Temperatur von 10,8 Grad, ein Woll-Sweatshirt 7,2 Grad, eine Daunenjacke 3,8 Grad und ein Sweatshirt aus den neuen Fasern 3,5 Grad auf. Je niedriger die Gradzahl, desto besser isoliert das Kleidungsstück.

Das änderte sich auch nicht nach dem Waschen. Dies ist ein weiterer Vorteil der neuen Fasern, denn die meisten Aerogele büßen bei der Berührung mit Wasser an Funktionsfähigkeit ein. Außerdem zeigten die Forscher, dass die Fasern auch gefärbt werden können. Dazu mixten sie Farbstoffe in die Aerogellösung. Weil die Hülle durchsichtig ist, sind die Farben des Aerogelkerns zu sehen. Die Umkapselung schützt sowohl die Farbe als auch das Aerogel vor Abrieb.

"Im Gegensatz zu herkömmlichen Strategien zur Dotierung oder Beschichtung von Textilien mit Aerogel verwendeten wir einen biomimetischen Ansatz, bei dem die thermischen und mechanischen Eigenschaften der Aerogelfaser getrennt entworfen wurden", fassen die Studienautoren ihr Vorgehen zusammen.

Noch zu langsam für industriellen Prozess

In einem Kommentar, ebenfalls in "Science", schreiben Zhizhi Sheng und Xuetong Zhang vom Institute of Nano-Tech and Nano-Bionics in Suzhou (China) über die Forschungsergebnisse: "Dies könnte die Entwicklung fortschrittlicher Thermotextilien für den persönlichen Gebrauch anstoßen."

Sie merken jedoch an, dass das Faserspinnen derzeit noch zu langsam ist für einen industriellen Prozess. Beim Nassspinnen wird in derselben Zeit etwa zehnmal so viel Faser produziert. Dennoch stellen sie fest: "Durch die gleichzeitige Weiterentwicklung von Materialien und Herstellung könnten Aerogelfasern viele potenzielle Anwendungen haben."

Quelle: ntv.de, Stefan Parsch, dpa

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