
Diese Illustration veranschaulicht, wie sich Antikörper (hell) an ein Coronavirus (rötlich) anhaften.
(Foto: imago images/Science Photo Library)
Beobachter reiben sich ob der wundersamen Genesung von US-Präsident Trump die Augen. Unerwartet zeigt sich der 74-Jährige bereits wenige Tage nach den ersten Covid-19-Symptomen wieder kampfeslustig. Der US-Epidemiologe Fauci hat eine Vermutung, woran es liegen könnte.
Bereits wenige Tage nach Bekanntwerden seiner Infektion mit dem Coronavirus scheint US-Präsident Donald Trump wie Phoenix aus der Asche zu steigen. Seine Ärzte hatten von Fieber und einem Abfall der Sauerstoffsättigung des Blutes wenige Stunden nach dem positiven Corona-Test von Trump berichtet - der 74-Jährige war daraufhin am Freitag per Hubschrauber ins Walter-Reed-Krankenhaus in Washington transportiert worden. Doch am Montagabend verließ Trump das Militärkrankenhaus wieder - um kurz darauf die Treppe zum Balkon auf der Südseite des Weißen Hause hochzusteigen, und dem Piloten seines abfliegenden Hubschraubers zu salutieren.
Seitdem rätseln Experten und Kommentatoren weltweit über die scheinbar schnelle Genesung des US-Präsidenten. Doch der renommierte US-Epidemiologe Anthony Fauci zeigte sich in einem Fernsehinterview weniger verwundert. Zwar wurden dem Präsidenten alle Substanzen verabreicht, die gegen Sars-CoV-2 eine nachgewiesene Wirkung haben. Nach Einschätzung von Fauci könnte aber vor allem ein noch experimentelles Antikörper-Mittel Trumps Gesundheitszustand entscheidend verbessert haben.
Trump war am Freitag bereits vor seinem Abflug in die Klinik mit einer Acht-Gramm-Dosis des Antikörper-Cocktails REGN-COV2 der US-Firma Regeneron behandelt worden. "Ich habe den starken Verdacht, das war es, was ihm geholfen hat", sagte Fauci im Nachrichtensender CNN. Präsident Trump hab das Mittel im Rahmen eines "Compassionate Use" erhalten - eine Behandlungsoption, die die Verwendung eines noch nicht zugelassenen Arzneimittels ermöglicht. Das aus zwei monoklonalen Antikörpern bestehende Mittel war von der Biotech-Firma Regeneron auf Anfrage der Präsidenten-Ärzte bereitgestellt worden. "Ich denke, dass die monoklonalen Antikörper einen Unterschied gemacht haben", so Fauci.
Coronavirus wird blockiert
Antikörper sind wichtige Bestandteile des menschlichen Immunsystems und werden von sogenannten B-Zellen produziert - im Grunde sind es nur kleine Eiweiß-Moleküle, die sich an Eindringlinge wie Viren und Bakterien haften. Dadurch markieren sie diese zum einen für das Immunsystem, zum anderen halten sie dadurch den Erreger davon ab, in menschliche Zellen einzudringen. Im Fall von REGN-COV2 haften sich die Antikörper an eine entscheidende Stelle auf dem Spike-Protein des Coronavirus und verhindern so, dass es an das Schloss der menschlichen Zellen andockt, den sogenannten ACE2-Rezeptor.
Einer der beiden Antikörper des Cocktails stammt von einem Menschen, der eine Sars-CoV-2-Infektion überstanden hatte. Ihm wurde eine B-Zelle seines Immunsystems entnommen und deren Antikörper-Gene geklont - daher der Name monoklonale Antikörper. Sie stammen nämlich alle von einer einzigen (griechisch monos: "einzig" oder "ein") Linie von B-Zellen ab. Der andere monoklonale Antikörper in dem Regeneron-Cocktail stammt aus einer Maus.
Das Antikörper-Mittel REGN-COV2 wird nach bereits erfolgreichen Tierversuchen derzeit in einer klinischen Studie an Menschen erprobt. Vergangene Woche erst hatte Hersteller Regeneron ein Zwischenergebnis veröffentlicht: So hatte die Behandlung bei Infizierten die Viruslast im Rachen deutlich reduziert. Auch die Symptome ließen schneller wieder nach. Die 275 Versuchsteilnehmer, von denen ein Teil ein Placebo erhielt, hatten alle entweder keine oder nur moderate Covid-19-Symptome - also womöglich ähnlich dem Zustand von US-Präsident Trump am vergangenen Freitag.
Neben Regeneron forschen noch zahlreiche andere Unternehmen an Antikörper-Mitteln gegen Covid-19. Mitte September hatte bereits ein anderes US-Unternehmen, Eli Lilly, ähnlich positive Resultate aus einer klinischen Studie mit einem einzelnen monoklonalen Antikörper veröffentlicht. Allerdings sind die klinischen Studien in beiden Fällen noch nicht abgeschlossen. Auch in Deutschland wird an monoklonalen Antikörpern gegen Sars-CoV-2 geforscht: Weit fortgeschritten sind dabei Forscher aus Braunschweig, Erlangen und Köln.
Vor einem Impfstoff verfügbar?
Noch ist kein Antikörper-Mittel gegen Covid-19 zugelassen, und auch das Regeneron-Mittel dürfte für gewöhnliche Patienten noch lange nicht verfügbar sein. Ein Nachteil der Antikörper-Mittel sind zudem die hohen Herstellungskosten. Experten hegen dennoch die Hoffnung, dass diese früher als ein Impfstoff zugelassen werden könnten - und als eine Art Brückentechnologie dabei helfen, das Risiko einer Erkrankung zu reduzieren. Ein Problem bei schweren Covid-19-Verläufen ist allem Anschein nach eine oft zu späte, dann aber übermäßig starke Reaktion des Immunsystems. Antikörper-Präparate könnten die Viren bereits in der Frühphase der Infektion angreifen und so den Verlauf der Erkrankung abmildern.
Ist Trump also ein prominenter Beleg für ein mögliches Wundermittel gegen Sars-CoV-2? Ob es im Fall des US-Präsidenten am Ende wirklich die Antikörper waren, die ihn schnell wieder fit gemacht haben, könne man nicht beweisen, betont US-Epidemiologe Fauci. Dafür müssten erst noch eine Reihe von Studien durchgeführt werden.
Und noch ist Trumps Erkrankung nicht überstanden. "Er sieht gut aus", sagte Fauci über das Erscheinungsbild des US-Präsidenten nach dessen Entlassung. Doch der Epidemiologe warnt auch, dass sich Covid-19 in der Vergangenheit immer wieder als tückisch erwiesen hat - manchmal könne es noch "nach fünf bis acht Tagen einen Umschwung" geben, mit einer ernsten Verschlechterung des Zustands. Zwar sei das nicht wahrscheinlich. "Aber man sollte darauf gefasst sein."
Quelle: ntv.de