Mehr Effizienz im Zusammenleben? Schimpansen gestikulieren so schnell, wie Menschen sprechen
23.07.2024, 18:39 Uhr Artikel anhören
Ein Schimpansenmännchen hält dem Fotografen den ausgestreckten Arm entgegen.
(Foto: picture alliance / blickwinkel/S. Meyers)
Sprache ist die Grundlage für die Entwicklung des Menschen. Doch eine vergleichbare Art der Kommunikation könnte es auch zwischen Schimpansen geben. Das stützen die Forschungsergebnisse eines Teams, das die Geschwindigkeit der tierischen Gesten untersucht hat.
In unserer Kommunikation sind wir Menschen wahre Reaktionskünstler: Sprechen wir miteinander, vergeht zwischen den Wortwechseln nur ein Sekundenbruchteil. Dennoch ist die Geschwindigkeit unserer Unterhaltungen wohl gar nicht so besonders. Ein Team von Forscherinnen und Forschern fand heraus, dass auch Schimpansen in einem ähnlich hohen Tempo miteinander kommunizieren. Nur verwenden die Menschenaffen dabei keine verbale Sprache. Sie gestikulieren.
"Menschliche Sprachen sind unglaublich vielfältig, aber ein gemeinsames Merkmal ist die Strukturierung unserer Gespräche mit rasanten Wortwechseln von durchschnittlich nur 200 Millisekunden", so Cathrine Hobaiter von der schottischen Universität St. Andrews über die Gesprächspausen in menschlichen Unterhaltungen. "Es war aber noch eine ungeklärte Frage, ob das einzigartig für den Menschen ist oder ob andere Tiere diese Struktur auch haben." Die im Fachblatt "Current Biology" veröffentlichte Studie zeigt nun, dass das zumindest bei Schimpansen ebenso der Fall zu sein scheint.
Austausch von tierischen Gesten
Die Forscherinnen und Forscher analysierten insgesamt 8500 Gesten von 252 Schimpansen aus fünf wild lebenden Schimpansengruppen Ostafrikas und stoppten die Zeit, die zwischen den einzelnen Gesten in einer "Unterhaltung" verging. "Wir haben herausgefunden, dass das Timing der Gesten von Schimpansen und den Wortwechseln von Menschen ähnlich schnell ist", erläutert Erstautorin Gal Badihi. Dies deute darauf hin, dass bei der Entwicklung beider Arten von sozialer Interaktion ähnliche evolutionäre Mechanismen am Werk gewesen seien.
Eine andere Theorie des Teams ist die Möglichkeit, dass sich die hohe Geschwindigkeit als Kommunikationsstrategie bei Menschen und Affen unabhängig voneinander durchgesetzt haben könnte.
In der Fähigkeit zu schnellen Gesprächen sieht die Forschungsgruppe in erster Linie einen Weg zu mehr Effizienz im Zusammenleben. Denn für einen schnellen Austausch brauche man weniger Zeit und Energie. Eigene und gemeinsame Ziele könnten dadurch schneller und mit weniger Aufwand erreicht werden, vermuten die Autorinnen und Autoren.
Feine Unterschiede zwischen Affenkulturen
Sogar kulturelle Abweichungen machten die Forschenden aus. So wie Menschen in verschiedenen Ländern unterschiedlich lange Pausen zwischen Wortwechseln lassen, hätte sich auch die Reaktionsgeschwindigkeit der Schimpansen beim Gestikulieren je nach Gruppe minimal unterschieden. "Faszinierender Weise scheinen sie mit uns sowohl unser einheitliches Timing als auch die feinen kulturellen Unterschiede zu teilen", sagt Hobaiter. "Bei den Menschen sind es die Dänen, die "langsamer" im Antworten sind, und bei den Ostafrikanischen Schimpansen ist es die Sonso-Gruppe in Uganda."
Immerhin inhaltlich unterscheiden sich die Gespräche von Menschen und Schimpansen laut den Forschenden übrigens deutlich. Ihre Gesten setzen Schimpansen demnach hauptsächlich zu Handlungsaufforderungen ein, während uns Menschen in unseren Unterhaltungen ein deutlich komplexeres Bedeutungssortiment zur Verfügung stehe.
Quelle: ntv.de, Katharina Köhler, dpa