Ultrascharf und in Farbe Springspinnen haben den Durchblick
18.05.2015, 18:24 UhrAlle Bewegungen werden registriert, Opfer in Sekundenbruchteilen anvisiert - die Augen der Springspinne sind Hochleistungsinstrumente. Nicht nur mit seiner Sehschärfe besticht das Tier. Eine einzigartige biologische Sonnenbrille hilft den Jägern bei der Partnersuche.
Das Sehvermögen von Springspinnen ist spektakulär. Die achtbeinigen Jäger sehen gestochen scharf – und das in Farbe. Bei Spinnen der Gruppe Habronattus gibt es sogar ähnlich wie beim Menschen drei Farbkanäle, berichten US-Forscher im Fachmagazin "Current Biology". Die beiden Hauptaugen sehen demnach im Grün-, Rot- und UV-Bereich – obwohl sie nur zwei Photorezeptor-Typen besitzen.
"Ihr Geheimnis ist ein Filter, mit dem einige für Grün sensitive Zellen dazu gebracht werden, Rot wahrzunehmen – wie mit einer Art Sonnenbrille", so die Forscher. Das bedeute aber nicht, dass die Tiere ihre Umgebung wie ein Mensch wahrnehmen. Wegen ihres extrem kleinen Gesichtsfelds müssten sie eine Szenerie vielmehr Linie für Linie "scannen", um ein vollständiges Farbbild zu erhalten.
Damit ein Tier Farben sehen kann, müssen seine Augen mindestens zwei Photorezeptor-Typen haben, die für verschiedene Farbspektren empfindlich sind. Dies ist bei sehr vielen Lebewesen der Fall, bei den meisten Wirbeltieren zum Beispiel. Säugetiere sind überwiegend dichromatisch: Sie haben zwei Zapfentypen. Primaten und der Mensch sind trichromatisch.
Einzigartige Sehschärfe
Im Verhältnis zur Körpergröße erreichen Springspinnen beim Sehen eine höhere Auflösung als jedes andere Tier, wie die Wissenschaftler um Daniel Zurek und Nathan Morehouse von der University of Pittsburgh schreiben. Vom Aufbau her unterscheiden sich ihre Augen völlig von denen bei Vögeln etwa oder Schmetterlingen. Eines aber ist ihnen gemeinsam: Sie nutzen lichtempfindliche Pigmente für die Farbwahrnehmung.
Die Forscher untersuchten Spinnen der Art Habronattus pyrrithrix, bei der die Männchen bunt gemustert sind. Mit den zwei bei Spinnen üblichen Rezeptortypen ließen sich langwellige Farben wie Rot-Töne nicht unterscheiden, erläutern die Forscher. Dies habe im Widerspruch dazu gestanden, dass das Muster von H. pyrrithrix – ein wichtiger Bestandteil der Brautwerbung – aus grünen, cremefarbenen, orangen und roten Ornamenten besteht.
Hinweis auf Sonnenbrillen-Pigment
Die genaue Analyse der Netzhautschichten in den Hauptaugen führte dann auf die Spur des Sonnenbrillen-Pigments. Die Wellenlänge des von den Rezeptoren wahrgenommenen Lichts verschiebt sich demnach von 530 Nanometer (Gelbgrün) auf 626 Nanometer (Rot). Auf diese Weise wird ein dritter Farbkanal geschaffen, die Spinnen nehmen ihre Umgebung zumindest in einem kleinen Netzhautausschnitt ähnlich wie Primaten und Menschen trichromatisch wahr.
Damit verbunden seien erweiterte Möglichkeiten, potenzielle Beute an deren Färbung zu erkennen, erläutern die Forscher. Auch andere Habronattus-Arten sehen demnach auf diese Weise, Spinnen aus der erweiterten Verwandtschaft jedoch nicht. Denkbar sei ein evolutionäres Wechselwirken der Farbmuster-Brautwerbung mit der Fähigkeit, ein größeres Farbspektrum erkennen zu können, schreiben die Forscher. Geprüft werden müsse noch, ob Spinnen mit trichromatischer Wahrnehmung rötlich oder gelblich gefärbte Beutetiere besser erkennen und fangen können.
Weltweit sind mehr als 5000 Arten von Springspinnen bekannt. Die meisten leben in den Tropen, aber auch in Europa gibt es Dutzende Spezies. Die bis zu einen Zentimeter messenden Tiere können zielgerichtet mehrere Körperlängen weit auf ihre Beute springen – meist Insekten oder andere Spinnen.
Blickt man eine Springspinne an, hat man den Eindruck, sie starre zurück – was angesichts des hervorragenden Sehvermögens wohl auch nicht ganz falsch ist. Zwei große, dunkle Hauptaugen sitzen nach vorne gerichtet am Kopf, flankiert von zwei Nebenaugen mit überlappendem Blickfeld. Die seitliche Umgebung behalten vier weitere, kleinere Augen im Blick. Registrieren sie eine Bewegung, dreht sich die Spinne frontal in Richtung der potenziellen Beute.
Quelle: ntv.de, ail/dpa