Es kommt auf die Dosis an Süßstoff Aspartam laut WHO "möglicherweise krebserregend"
14.07.2023, 01:15 Uhr Artikel anhören
Süßstoffe wie Zucker sind schädlich - wobei die konsumierte Menge eine große Rolle spielt.
(Foto: picture alliance/dpa)
Aspartam ist einer der weltweit am häufigsten eingesetzten Süßstoffe, findet sich etwa in Getränken, Desserts, Süßwaren oder Kaugummi. Die Krebsforschungsagentur der WHO bewertet den Süßstoff nun neu. Für den empfohlenen Konsum hat das aber keine Auswirkungen.
Die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO stuft den Süßstoff Aspartam als "möglicherweise krebserregend" ein. In den üblicherweise verwendeten Mengen sei der Verzehr jedoch unbedenklich, teilten die IARC und der WHO-Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe JECFA mit.
"Krebs ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen. Die Wissenschaft arbeitet ständig daran, die möglichen auslösenden oder begünstigenden Faktoren zu bewerten, in der Hoffnung, die Zahl der Todesfälle zu verringern", sagte Francesco Branca, WHO-Direktor für Ernährung und Lebensmittelsicherheit. "Die Bewertungen von Aspartam haben gezeigt, dass die Sicherheit bei den üblicherweise verwendeten Mengen zwar kein großes Problem darstellt, jedoch potenzielle Auswirkungen beschrieben wurden, die durch mehr und bessere Studien untersucht werden müssen."
Aspartam ist einer der weltweit am häufigsten eingesetzten Süßstoffe. Das kalorienarme Süßungsmittel ist in Europa für die Verwendung als Tafelsüßstoff und als Lebensmittelzusatzstoff in Nahrungsmitteln zugelassen - etwa in Getränken, Desserts, Süßwaren, Milchprodukten, Kaugummi, kalorienreduzierten Produkten und Erzeugnissen zur Gewichtskontrolle. Das Süßungsmittel wird seit Jahrzehnten umfassend untersucht. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA gilt Aspartam aufgrund eingehender Sicherheitsbewertungen als unbedenklich für den menschlichen Verzehr.
WHO ändert Mengenrichtlinie nicht
"Wenn die Verbraucher vor der Entscheidung stehen, ob sie eine Cola mit Süßstoff oder eine mit Zucker nehmen sollen, sollte meiner Meinung nach eine dritte Option in Betracht gezogen werden, nämlich stattdessen Wasser zu trinken", sagte Branca mit Blick auf Verbraucher, die zur Vermeidung von Zucker zu künstlichen Süßstoffen greifen und von der Einstufung verunsichert sein könnten. Der WHO-Ausschuss JECFA erklärte, dass er weiterhin empfehle, den Konsum unter 40 Milligramm Aspartam pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag zu halten. Dieser Wert wurde erstmals 1981 festgelegt und Regulierungsbehörden weltweit haben ähnliche Leitlinien.
Die IARC-Einstufung "möglicherweise krebserregend" für den Menschen ist die dritte von insgesamt vier Stufen und bedeutet, dass es begrenzte Hinweise darauf gibt, dass ein Stoff Krebs verursachen kann. Die Höhe des Konsums wird dabei nicht berücksichtigt. Ein 70 kg schwerer Erwachsener müsste laut JECFA mehr als neun bis 14 Dosen Diät-Limonade pro Tag trinken, um die zulässige tägliche Aufnahmemenge zu überschreiten. "Unsere Ergebnisse deuten nicht darauf hin, dass der gelegentliche Konsum für die meisten Verbraucher ein Risiko darstellen könnte", sagte Branca. Die WHO fordere die Unternehmen daher nicht auf, Aspartam ganz aus ihren Produkten zu entfernen, sondern rufe Hersteller und Verbraucher zur Mäßigung auf.
Die IARC hat ihre Entscheidung auf Basis von drei Studien an Menschen in den USA und Europa getroffen, die auf einen Zusammenhang zwischen Leberkrebs und dem Konsum von Süßstoffen hinweisen. Die erste dieser Studien wurde 2016 veröffentlicht. Laut IARC waren begrenzte Beweise aus früheren Tierstudien ebenfalls ein Faktor, obwohl die fraglichen Studien umstritten sind. Wissenschaftler, die nicht an den Überprüfungen beteiligt waren, erklärten, es gebe nur begrenzte Beweise für einen Zusammenhang zwischen Aspartam und Krebs.
"Insgesamt steht die Bewertung der IARC auf eher schwachen Beinen, dies wird aber auch durch den Hinweis auf eine begrenzte Evidenz eingeräumt", urteilte der Ernährungswissenschaftler Jürgen König von der Universität Wien. Stefan Kabisch, Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Berliner Charité, hofft, "dass die neue Einstufung besonnen aufgenommen wird und Konsumenten nicht dazu bringt, von Süßstoffen auf Zucker umzusteigen". "Es gibt keinen soliden Grund, Süßstoffe aktiv zu vermeiden, aber auch keinen Grund, Süßstoffe aktiv zu empfehlen. Der Nutzen ist gering, der Schaden nicht klar nachweisbar."
Quelle: ntv.de, mpe/rts