
Ein spezielles Protein in Erdnüssen löst bei manchen Menschen allergische Reaktionen aus.
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Wer auf Erdnüsse allergisch ist, reagiert bereits bei kleinsten Mengen der Nüsse. Im schlimmsten Fall kann eine kleine Unaufmerksamkeit sogar tödlich enden. Um dem vorzubeugen, entwickelt ein Forschungsteam eine neue Desensibilisierungsmethode - und setzt dabei auf Erdnüsse.
Bauchschmerzen, Ausschlag, Atemnot: Die Erdnussallergie ist die häufigste Nahrungsmittelallergie bei Kindern. Im schlimmsten Fall kann der Verzehr der kleinen Nüsse für die Betroffenen sogar tödlich enden. Ein Mittel dagegen gibt es bislang nicht. Ein australisches Forschungsteam hat eine neue Desensibilisierungsmethode ausprobiert, die Hoffnung macht.
Für die Studie, die im Fachmagazin "Clinical & Experimental Allergy" erschienen ist, bekamen 70 Kinder mit Erdnussallergie über zwölf Wochen Erdnüsse, die zuvor 12 Stunden lang gekocht wurden. Danach wurden die Nüsse nur noch zwei Stunden lang gekocht und 20 weitere Wochen konsumiert. Zum Schluss aßen die Kinder 20 Wochen lang einfach geröstete Erdnüsse. Dabei variierte die Art, wie die Erdnüsse verabreicht wurden - in der ersten Phase beispielsweise zweimal am Tag in Pulverform. Die Kinder erhielten anfangs 62,5 mg zerkleinertes gekochtes Erdnusspulver, was etwa einem Sechzehntel einer gekochten Erdnuss entspricht. Die Dosis wurde dann im Laufe der Zeit auf zwölf Gramm Erdnüsse pro Tag gesteigert.
Das Ergebnis: Von den 70 Kindern konnten 56 schließlich die angestrebte Dosis täglich zu sich nehmen, ohne allergisch zu reagieren. Somit wurden 80 Prozent der Probanden im Alter zwischen 6 und 18 Jahren laut Studie gegen Erdnüsse desensibilisiert. Das Verfahren biete somit "einen hohen Schutz vor versehentlicher Exposition", schreibt Studienautor Luke Grzeskowiak von der Flinders University in Adelaide. "Unser Ziel war, die Angst und den Stress zu nehmen, die mit der Sorge vor einer versehentlichen Exposition mit Erdnüssen einhergehen."
Schätzungen zufolge sind in den westlichen Ländern bis zu drei Prozent der Kinder von Erdnussallergien betroffen. Dabei reagiert der Körper auf spezielle Proteine in der Erdnuss. Es kommt zu einem Engegefühl im Hals, zu Husten und häufigem Niesen bis hin zu Asthmaanfällen. Auch Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall können allergische Reaktionen auf Erdnüsse sein, genauso wie Ekzeme oder Hautrötungen. Die schlimmste Reaktion ist der anaphylaktische Schock. Innerhalb kürzester Zeit kann es zu Atemnot, Kreislaufstillstand, Organversagen und schließlich zum Tod kommen.
Allergien vorbeugen
Weil Erdnüsse so heftige Allergien auslösen können, wird immer wieder zu möglichen Lösungsansätzen geforscht. Oft liegt der Fokus darauf, wie bereits bei Kleinkindern verhindert werden kann, dass sich eine Allergie überhaupt erst entwickelt. So auch in einer norwegischen Studie aus dem vergangenen Jahr, die in der Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlicht wurde.
Dabei wurde Säuglingen ab dem dritten Lebensmonat winzige Mengen von Erdnussbutter gegeben. Diese Kinder hatten dann im Alter von drei Jahren im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ein wesentlich geringeres Risiko, eine Erdnussallergie zu entwickeln. Bei ihnen lag das Risiko bei 0,7 Prozent. Bei der Gruppe, die Placebos erhalten hatte, war das Risiko fast dreimal so hoch und lag bei zwei Prozent.
Das Forschungsteam schlussfolgerte: Kleinstkindern sollten möglichst früh Nahrungsmittel gegeben werden, die eventuell Allergien auslösen. Damit unterstützt die skandinavische Studie die Hypothese, die bereits bei früheren Studien aufgestellt worden war, dass eine frühzeitige und regelmäßige Einführung allergieauslösender Lebensmittel in kleinsten Mengen das Allergierisiko auch in späteren Jahren erheblich verringern kann.
Besonders gutes Sicherheitsprofil
In der Vergangenheit gab es auch mehrere Studien, die den gleichen Ansatz wie das Forschungsteam um Grzeskowiak verfolgten: Bereits entstandene Erdnussallergien mit einer oralen Immuntherapie zu behandeln. Allerdings zeigte 2019 eine Meta-Analyse von zwölf anderen Studien solcher Desensibilisierungsmethoden, dass bei den Kindern das Risiko für eine anaphylaktische Reaktion deutlich höher war als bei Kindern in Kontrollgruppen, die entweder ein Placebo oder gar keine Behandlung bekommen hatten. Außerdem war die Wahrscheinlichkeit, dass Adrenalin gespritzt werden musste, bei den behandelten Kindern fast doppelt so hoch. Das Risiko für andere schwerwiegende Nebenwirkungen und nicht-anaphylaktische Reaktionen war ebenfalls erhöht.
Hier tut sich die aktuelle Studie besonders positiv hervor. Die untersuchte Desensibilisierungsmethode weist den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge ein gutes Sicherheitsprofil auf. Erstautor Grzeskowiak betont, dass von 45 Kindern, die sechs Monate nach Abschluss der Studie nachuntersucht wurden, 43 weiterhin regelmäßig Erdnüsse konsumierten. "Keines dieser Kinder hatte über schwere allergische Reaktionen berichtet, weder durch die Behandlung noch durch eine unbeabsichtigte Exposition."
Die Ergebnisse der Studie stellten somit eine mögliche Behandlung einer Erdnussallergie dar, aber keine Heilung, sagt Grzeskowiak. Zudem rät er Eltern dringend davon ab, ihren Allergiker-Kindern auf eigenes Ermessen hin gekochte Erdnüsse zu verabreichen. Die jungen Probanden der Studie seien stets unter der Aufsicht von Experten gewesen. Zudem sind dem Wissenschaftler zufolge noch weitere Untersuchungen für eine ausgefeilte Therapie notwendig.
Quelle: ntv.de