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Die stressigste Zeit des Lebens Wodurch die Midlife-Crisis abgelöst wird

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Junge Erwachsene haben heute auch mit hohem Druck durch Selbstvergleiche über Social Media zu kämpfen.

Junge Erwachsene haben heute auch mit hohem Druck durch Selbstvergleiche über Social Media zu kämpfen.

(Foto: picture alliance / Zoonar)

Gefühle von Unzufriedenheit und Leere, eine starke Sehnsucht nach Veränderung und das Bewusstwerden der eigenen Endlichkeit sind typische Zeichen einer sogenannten Midlife-Crisis. Doch die stressigste Zeit des Lebens tritt als Krise häufig in einer ganz anderen Lebensphase auf.

Die Rush-Hour oder der Unglücksgipfel des Lebens: Für die Phase der sogenannten Midlife-Crisis gibt es eine Reihe verschiedener Umschreibungen. Doch von den klassischen Zeichen des psychologischen Phänomens, das zwischen einem und fünf Jahren anhalten kann, berichten 10 bis 20 Prozent der Menschen, wie internationale Übersichtsuntersuchungen zeigen.

Und das psychologische Phänomen könnte in Zukunft verschwinden. Die Midlife-Crisis, die von den meisten in ihren 40ern bis zur Mitte der 50er Jahre auftritt, wird offenbar von der "Quarterlife-Crisis" abgelöst, wie die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung zur Lebenszufriedenheit von Menschen bestätigen.

Die Autoren schreiben, dass in den USA und Großbritannien "psychische Probleme bei jungen Menschen am häufigsten auftreten und mit zunehmendem Alter abnehmen". Dies sei eine enorme Veränderung gegenüber der Vergangenheit, als psychische Probleme ihren Höhepunkt im mittleren Alter erreichten. Auch Untersuchungen in Deutschland belegen einen rasanten Anstieg von psychischen Problemen bei jungen Erwachsenen.

Die Krise junger Erwachsener

Als Quarterlife-Crisis wird die psychische Krise bezeichnet, die junge Erwachsene typischerweise zwischen 20 und 30 Jahren, also am Ende des ersten Viertels ihres Lebens, spüren. Der Begriff kam bereits 1997 in den USA als Analogie zur "Midlife Crisis" auf. Er gewann durch den gleichnamigen Bestseller zweier Betroffener, der 2001 veröffentlicht wurde, zusätzlich an Popularität und wurde zu einer Art Trendbegriff.

Grundsätzlich geht es im Alter zwischen 20 und 30 Jahren um eine Übergangsphase im Leben. Um die Ablösung vom Elternhaus, den Berufseinstieg, einen festen Partner und auch schon um die Frage der Familiengründung. Doch nicht nur das "zu schnelle Erwachsenwerden", sondern sich auch auf einen bestimmten Lebensentwurf oder -ort festlegen zu müssen, scheint viele in diesem Alter zu überfordern. Die Zweifel, ob es nicht noch etwas Besseres oder Passenderes gibt, werden durch den Konsum anderer Lebensentwürfe in sozialen Medien oftmals verstärkt.

Bildung ist kein Garant mehr

Vor allem Menschen, die gerade das Studium absolviert haben, berichten vom Gefühl der Krise. Die späten Zwanziger seien "die schlimmste Zeit des Lebens", wird der Forscher Ran Zilca vom "Harvard Business Review" schon 2016 dazu zitiert. Zu keinem anderen Zeitpunkt steige das Stresslevel so stark an. Die psychologische Forschung spricht im Zusammenhang mit der Quarterlife-Crisis von Gefühlen der Überforderung, von Frust und Selbstzweifeln.

Dass junge Erwachsene das Gefühl haben, den vielfältigen Ansprüchen nicht gewachsen zu sein, zeigt sich auch in Umfragen. So gaben 47 Prozent der zwischen 20- und 30-Jährigen in einer repräsentativen Umfrage von 2020 an, sich in einer Quarterlife-Crisis zu befinden, teilte das Marktforschungsinstituts smart insight mit. Auch der Jugendforscher Matthias Rohrer bezeichnete die Quarterlife-Crisis in einem Radio-Interview als verbreitetes Phänomen.

Wenn Zukunft Angst macht

Die Gründe für die Sinn- und Überforderungskrise in dieser Altersgruppe sind vielfältig und individuell verschieden. Als Hauptauslöser sehen einige Fachleute die Angst vor der Zukunft beziehungsweise das vorherrschende Gefühl von Unsicherheit. Das ist plausibel, denn es gebe immer weniger Garantien, zum Beispiel in Form eines unbefristeten Arbeitsvertrages zum Einstieg in die Berufswelt, ergänzt Rohrer. "Wir haben es mit einer jungen Generation zu tun, die immer höher gebildet ist, in der diese höhere Bildung aber keine Garantie für eine sorgenfreie Zukunft ist", wird der Jugendforscher von NDR.de zitiert. Der härtere Berufseinstieg kann sich laut Rohrer auch auf andere Lebensbereiche auswirken, zum Beispiel darauf, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Hinzu kommen die Prognosen zu den Auswirkungen von Kriegen und des Klimawandels auf die eigene Lebensplanung.

Rat bei Depression und Suizidgefahr
  • Bei Suizidgefahr: Notruf 112
  • Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33
  • Telefonseelsorge (0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei)
  • Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)
  • Deutsche Depressionshilfe (regionale Krisendienste und Kliniken, Tipps für Betroffene und Angehörige)
  • Deutsche Depressionsliga

Genauso wie die Midlife-Crisis ist auch die Quarterlife-Crisis keine psychische Erkrankung und ihre Existenz in Fachkreisen umstritten. Dennoch können Krisen in den verschiedenen Lebensphasen psychische Erkrankungen hervorrufen. Die Krise junger Erwachsener kann beispielsweise zu Depressionen, aber auch zu Ess- und Angststörungen führen. In diesen Fällen sollten Betroffene, deren Angehörige oder Freunde unbedingt professionelle Hilfe hinzuziehen.

Denkbar ist aber auch, dass man durch die Überwindung der Krise als junger Erwachsener mit einer gestärkten Persönlichkeit und klaren Zielen hervorgeht – und die schlimmste Zeit im Leben dann schon gemeistert hat.

Quelle: ntv.de

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