Unteres Odertal wird geflutet Deiche extrem belastet
28.05.2010, 19:24 UhrDie Oderflut drückt immer stärker gegen die Deiche. Im Süden Brandenburgs gibt es einen ersten Riss. Ministerpräsident Platzeck bleibt trotzdem zuversichtlich, dass es nicht zur Katastrophe kommt. Um den Druck von den Dämmen zu nehmen, werden nördlich von Frankfurt (Oder) Polder geflutet.
Die aus Polen kommende Flut hat am Freitag auch in Frankfurt (Oder) zur höchsten Hochwasser-Alarmstufe 4 geführt. Dennoch herrschte Optimismus, dass die seit der großen Flut 1997 modernisierten Oder-Deiche überall halten.
Zwar war in Frankfurt (Oder) der Richtwert von 6 Metern zunächst noch nicht erreicht, der Pegel lag aber mit 5,97 Metern nur knapp darunter, wie ein Sprecher der Stadt sagte. Im Landkreis Oder-Spree galt Stufe 4 bereits seit Mitte der Woche. Einige Straßenzüge der Grenzstadt standen bereits seit der Nacht unter Wasser. Damit die Deiche nicht überflutet werden, wurden Spundwände aufgestellt. Außerdem lagen tausende Sandsäcke bereit.
Riss bei Ratzdorf gesichert
Seit Freitagmorgen sinken im südlichen Brandenburg die ersten Pegelstände wieder, die Wassermassen drängen aber unvermindert stark gegen die Deiche. Der Präsident des Landesumweltamts, Matthias Freude, rechnete damit, dass die Pegelstände am Wochenende kaum sinken werden. In der Nähe von Ratzdorf wurde in der Nacht ein erster Schaden an einem unsanierten Deichstück entdeckt - der Riss wurde noch am Vormittag mit Sandsäcken und Reisig gesichert.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zeigte sich bei einem Besuch des Katastrophenschutzstabes im Kreis Märkisch-Oderland optimistisch. Das Oderbruch, ein stark gefährdeter Landstrich, sei sehr gut auf die Flutwelle vorbereitet, sagte er. Dort stünden hochmoderne Deichanlagen. "Die Wackelpudding-Erscheinungen der Deiche, wie wir sie hier 1997 flächendeckend hatten, können wir eigentlich ausschließen."
Polder-Flutung bei Schwedt
Bei Schwedt nördlich von Frankfurt (Oder) wurde am Nachmittag ein rund 1700 Hektar großer Polder geflutet, um Druck von den Deichen zu nehmen. Später sollen die Wassermassen auf ein zweites Areal weiterströmen, sagte eine Sprecherin des Landesumweltamtes. Pro Sekunde schießen 1000 Liter durch das Wehr.

Ansgar Vössing von der Nationalparkstiftung Unteres Odertal zeigt auf die Überflutungswiesen nahe Schwedt.
(Foto: dpa)
"Wir überfluten ganz bewusst den Polder 10. Das ist ein Überschwemmungsgebiet mit 4500 Hektar", berichtete Takàcs Bèla, vom Schwedter Wasser- und Bodenverband. "Etwa 85 Millionen Kubikmeter kann diese Fläche aufnehmen. Damit nehmen wir ein wenig den Druck von der Hochwasser-Oder."
Der Begriff "Polder" stammt aus dem Niederländischen und steht für das Prinzip der Badewanne - mit einem Einlauf und einem Ablauf. Der Einlauf wird bei extremen Fluten geöffnet, das Wasser bleibt einige Tage oder Wochen im Polder stehen und wird nach Abklingen der Gefahr wieder in den Fluss zurückgeleitet.
"Bis heute Abend wird der Polder 10 vollkommen zugelaufen sein", erklärte Ansgar Vössing von der Nationalpark-Stiftung Unteres Odertal mit sorgenvoll gerunzelter Stirn. "Viele Hirsche, Hasen und andere Tiere werden leider von der stürmischen Wassereinleitung überrascht. Ich hoffe, dass sie sich in Sicherheit bringen können."
Immer mehr Entspannung in Polen
In Polen hat sich die Hochwasserlage inzwischen weitgehend entspannt. Innenminister Jerzy Miller hielt die Hochwasserlage am deutsch-polnischen Grenzfluss Oder für stabil. "Der Pegel ist hoch, aber nicht so hoch, dass dort Dammbrüche drohen würden", sagte Miller in Warschau. Das Wasser sei an einigen Stellen durch die Deiche gesickert, es drohe aber keine Katastrophe. Bei Slubice, der polnischen Nachbarstadt Frankfurts, wurden zwei Dörfer evakuiert. Schulen und Kindertagesstätten blieben geschlossen. Zunächst hielten die Deiche auch dort. Die Stadtbrücke, die Frankfurt mit Slubice verbindet, blieb zunächst offen.
Gefährliche Lage für Posen
Angespannt blieb die Situation an der Warthe, einem Nebenfluss der Oder. Auf den Hochwasserscheitel dort bereitete sich die größte Stadt der Region, Posen, vor. Ein Poldersystem soll dafür sorgen, dass die Stadt nicht überflutet wird.
Das nördliche Mecklenburg-Vorpommern bereitete sich bereits auf das Oderhochwasser vor. Mitte nächster Woche soll das Wasser des Stettiner Haffs auf erhöhte Schadstoffwerte untersucht werden, wie eine Sprecherin des Landesumweltministeriums sagte. Erkennbar höhere Wasserstände werden mit dem diesjährigen Hochwasser aber nicht erwartet. Experten des Staatlichen Amtes für Umwelt und Natur in Ueckermünde rechnen - basierend auf den Erfahrungen von 1997 - mit einem Wasseranstieg im Haff "im Zentimeterbereich".
Quelle: ntv.de, dpa/AFP