Panorama

Abrissfahrzeuge rücken an East Side Gallery ist in Gefahr

Ohne weitere Ankündigungen haben Bauarbeiter bereits die Säge angesetzt.

Ohne weitere Ankündigungen haben Bauarbeiter bereits die Säge angesetzt.

(Foto: dapd)

Berlin-Touristen haben eine lange Liste an Attraktionen abzuarbeiten: Reichstag, Brandenburger Tor, Kudamm - und für viele gehört auch die East Side Gallery im Osten der Stadt dazu. Doch Teile des bemalten Stücks Berliner Mauer sollen nun weichen. Überraschend hat der Abriss bereits begonnen.

Zu Hunderttausenden strömen die Touristen jedes Jahr zum längsten noch erhaltenen Stück Mauer in Berlin: der East Side Gallery an der Spree. Sie wollen eine Ahnung  davon bekommen, wie sich die Teilung der Stadt von 1961 bis 1989  anfühlte. Und sie wollen die weltberühmten Bilder wie den  "Bruderkuss" sehen, die Künstler 1990 auf die Betonwand malten. Doch das rund 1,3 Kilometer lange Mauerstück ist längst nicht mehr so geschlossen wie früher. An mehreren Stellen klaffen Öffnungen, um Zugänge zur Spree zu ermöglichen. Nun sollen zwei weitere Schneisen hineingeschlagen werden.

Überraschend hat der befürchtete Abriss von Teilen der East Side Gallery bereits begonnen. Am Donnerstag rückten Baufahrzeuge an der Mauer-Galerie an und entfernten auf einer Länge von mehr als 20 Metern die Oberkante des bemalten original erhaltenen Betonwalls, der einst die Stadt teilte. Zu erkennen waren auch zwei lange Schnitte durch Bilder. Am Freitagmorgen wurde der Abtransport erster Mauerteile vorbereitet. Polizisten sichern den abgesperrten Gehweg.

Weltweit längste Open-Air-Galerie

1. März: Ein Bauarbeiter befestigt einen Kranhaken an einem Mauerstück der East Side Gallery.

1. März: Ein Bauarbeiter befestigt einen Kranhaken an einem Mauerstück der East Side Gallery.

(Foto: dapd)

Die East Side Gallery in der Nähe der Oberbaumbrücke entstand nach dem Mauerfall. Knapp 120 Künstler bemalten den Betonwall auf 1,3 Kilometern Länge. Die Touristenattraktion gilt als weltweit längste Open-Ai r-Galerie.

Die Initiative "Mediaspree versenken" bezog sich auf Bauarbeiter und rechnete damit, dass am Freitag mehrere Betonteile aus der Galerie herausgerissen würden. Sie rief zum Protest und einer Menschenkette auf.

Künstler sind bestürzt

In der Vergangenheit hatten Investoren bereits Durchbrüche erstritten.  Auch dieses Mal sollen wegen eines Bauprojekts zwischen der früheren Hinterlandmauer und der Spree Blöcke herausgenommen und versetzt werden. Auf dem Areal soll ein Hochhaus mit Luxuswohnungen entstehen. Auch eine im Zweiten Weltkrieg zerstörte Brücke, die Brommybrücke, soll neu gebaut werden. Diese verband bis 1948 die beiden durch die Spree getrennten Stadtteile Friedrichshain und Kreuzberg. 2005 beschloss der Senat, die Brücke wieder zu errichten. Künstler und Bürgerinitiativen akzeptieren die Pläne nicht, die zum Teil noch vom Anfang der 1990er Jahre stammen.

Polizisten sichern den abgesperrten Gehweg vor der bemalten Mauer.

Polizisten sichern den abgesperrten Gehweg vor der bemalten Mauer.

(Foto: dpa)

Unklar ist, wer die Arbeiten veranlasste. Im Bezirksamt von Friedrichshain-Kreuzberg sagte eine Sprecherin: "Wir haben damit nichts zu tun." Der Künstler Thierry Noir, dessen Bilder vermutlich betroffen sein werden, sagte: "Ich finde es unerträglich zu sehen, dass die Mauer hier einfach so brutal abgerissen wird."

Ein anderer Künstler, Kani Alavi, forderte den Berliner Senat auf, sich klar zum Erhalt der East Side Gallery zu bekennen. Zudem müsse der Senat schnellstmöglich alle Schritte einleiten, um das Denkmal und das Kunstwerk zu schützen, teilte der erste Vorsitzende der Künstlerinitiative East Side Gallery mit. Die Galerie dürfe nicht filetiert werden.

"West Side Gallery"?

Die offiziellen Berlin-Werber von Visitberlin stimmen dem insofern zu, dass die East Side Gallery für die Besucher der Stadt von großer Bedeutung ist. Sprecherin Katharina Dreger nennt die Mauer eine "Top-Sehenswürdigkeit". Für den Berlin-Tourismus sei es wichtig, dass "geschichtsträchtige Orte" wie die East Side Gallery "weiterhin erlebbar bleiben", erklärt sie. Wenn die Mauer immer wieder durch Lücken unterbrochen sei, falle dieses Nachempfinden schwer.

Laut Schulz will das Landesdenkmalamt dafür sorgen, dass zumindest keines der East-Side-Gallery-Bilder auseinandergerissen wird. Die herausgetrennten Segmente sollen im Park hinter der Mauer aufgestellt werden. Und für die Rückseite des Mauerstücks gibt es auch Pläne. Diskutiert wird derzeit ein Projekt namens "West Side Gallery". Der Fotograf Kai Wiedenhöfer möchte auf der Mauerseite, die der Spree zugewandt ist, großformatige Fotos von den "Grenzen der Welt" anbringen, wie der Bezirksbürgermeister berichtet.

Probeweise wurden schon Bilder unter anderem aus Nordirland und Mexiko gezeigt. Diese seien sehr "beeindruckend" gewesen, sagt Schulz, der die Westseite noch sehr gut aus Mauerzeiten kennt. Von seiner Wohnung in Kreuzberg blickte er damals auf die deutsch-deutsche Grenze mit Volkspolizisten und Todesstreifen. "Das sind Bilder, die man nie vergisst", sagt er.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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