Keine Angst in Singapur Geisterjäger reinigt mit Zwiebelschalen
21.02.2011, 08:02 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Wenn man in Chew Hon Chins Büro kommt, wird man sogleich von seinem dritten Auge erfasst. Mit dem sieht er Geister. Doch er kann sie nicht nur sehen, sondern auch vertreiben. Dieses Geschäft läuft gut, denn Religion und Aberglaube sind in Singapur noch immer tief verwurzelt.
Zhang Qiao Zhu fühlt sich verfolgt. Jede Nacht hat die 56-jährige Hausfrau aus Singapur das Gefühl, etwas oder jemand wolle sie ersticken. Als sie sich nicht mehr zu helfen wusste, engagierte sie Geisterjäger Chew Hon Chin. Der wird rasch fündig - wie in den meisten seiner Fälle. Der 64-Jährige macht nach eigenen Angaben ein gutes Geschäft in Singapur mit seiner vorwiegend chinesischstämmigen Bevölkerung. Pro Tag kümmert er sich um drei bis vier Fälle.
Chew Hon Chin steht mit seiner neuen Kundin im Wohnzimmer. Eine Weile schaut der stämmige Mann mit seiner getönten Brille um sich, dann zeigt er auf eine leere, gut ausgeleuchtete Ecke: "Da steht eine alte Frau mit einem blauen Kleid und lockigen Haaren", sagt er. Zhang staunt, doch Chew lässt ihr keine Zeit zum Nachdenken: "Jetzt ignorieren wir sie erstmal. Ich reinige zunächst Ihr Haus von bösen Geistern und werde sie später verjagen", sagt er seiner Kundin und geht mit ihr ins Schlafzimmer.
Blau-gestreiftes Handtuch muss weg
Dort zieht er mit ernster Miene ein Paar gekrümmte Metallstäbe vor, an denen schwarze Kugeln leicht hin und her schwingen. Nach kurzer Zeit deutet er auf einen geschlossenen Schrank. "Hier ist ein blaues gestreiftes Handtuch drin", sagt er auf Mandarin. "Nehmen Sie es aus dem Schrank und räumen Sie es weg." Zhang kommt den Anweisungen nach, ohne Fragen zu stellen.
Religion und Aberglaube sind im wohlhabenden Stadtstaat Singapur noch immer tief verwurzelt. Chew kann gut davon leben, Dämonen auszutreiben und Flüche aufzuheben. Seine Dienste reichen von der "Hilfe zum Glück" für umgerechnet 50 Euro bis zur "Besänftigung von Verstorbenen" für 57 Euro - bei besonders schwierigen "Seelen" kann der Preis auch in die Tausende gehen.
"Ich habe das dritte Auge"
Seine okkulten Fähigkeiten erwarb sich der ehemalige Nachtclubbesitzer nach eigenen Worten, nachdem er selbst von einem Fluch erlöst worden war. Ein ehemaliger Angestellter habe ihn verwünscht, um sich für seine Entlassung zu rächen. Jahrelang habe er Blut gespuckt, manchmal auch Insekten und Metallspäne, erzählt er. Nach seiner Genesung sei ihm der Jadekaiser, eine taoistische Gottheit, erschienen und habe ihn zu seinem "Patensohn" ernannt. Während einer 108-tägigen Meditation auf einer verlassenen indonesischen Insel sei er dann von seinem göttlichen Paten in die Geheimnisse von Weissagung und Exorzismus eingeweiht worden.
Über dem Eingang zu Chews Ladengeschäft prangt ein rotes Schild mit der goldenen Aufschrift "Ghostbusters" - eine augenzwinkernde Anspielung auf die gleichnamige US-Komödie aus dem Jahr 1984. Im Gegensatz zu den "Geisterjägern" aus Hollywood bedient sich Chew aber keiner Science-Fiction-Technologie. "Ich habe das dritte Auge - wenn Sie mein Büro betreten, sehe ich sofort die Dämonen um Sie herum", sagt der gläubige Taoist. Bei einem seiner Hausbesuche mischt er grobes Salz mit brennender Holzkohle in einer kleinen Bronzeurne. Zusammen mit Zwiebelschalen erzeugte das Gemisch beißenden Qualm. "Geister fürchten diesen Geruch. Wenn das Salz knistert, ist das wie eine Explosion, und sie flüchten", verrät er.
Keine Angst vor Geistern
Seine Kunden führt der BMW-Liebhaber auch mal zu einer ruhigen Lichtung in einem Vorort, wo er einen Feuerkreis um sie entfacht und sie dann auffordert, aus dem Flammenring herauszutreten. Danach dürfen sie ein Kräuterbad nehmen. "Feuer verbrennt das Böse im Körper, Wasser wäscht die Seele", doziert Chew. Der tägliche Kontakt mit dem Bösen lässt den 64-jährigen Geisterjäger unbeeindruckt: "So wie ein Polizist vor Kriminellen keine Angst hat, so fürchte ich mich nicht vor Geistern. Vielmehr sollten sie vor mir Angst haben."
Quelle: ntv.de, Philip Lim, AFP