Mehrere Erdbeben in Italien Helfer suchen nach möglichen Vermissten
27.10.2016, 02:20 Uhr
Dem Zivilschutz zufolge gibt es bislang eine verletzte Person - Spezial-Teams suchen nach möglichen Vermissten.
(Foto: AP)
Mehrmals bebt in Italien die Erde - auf der Richterskala wird eine Stärke von bis zu 6,4 gemessen. Gebäude stürzen ein, darunter ein Kirchturm, der auf ein Wohnhaus fällt. Wieder ist die Region betroffen, in der es Ende August hunderte Tote gab.
Zwei Monate nach der Erdbeben-Katastrophe in Mittelitalien mit fast 300 Toten haben mehrere schwere Beben die Region erneut erschüttert. Der heftigste Stoß wurde nach Angaben verschiedener Erdbebenwarten bei der Ortschaft Visso südöstlich von Perugia mit einer Stärke zwischen 5,9 und 6,4 gemessen. Auch in der etwa 120 Kilometer südwestlich gelegenen Hauptstadt Rom war die Erschütterung zu spüren. Es gab Nachbeben. Nach dem ersten Beben am frühen Abend hatten die Behörden zunächst von mindestens zwei Verletzten in der Ortschaft Visso berichtet, die Zahl aber später wieder auf einen gesenkt. Die Gemeinde liegt in der Provinz Macerata in der Region Marken in der Nähe eines Nationalparks.
Wahrscheinlich in Folge des Erdbebens erlitt ein 73-Jähriger einen Herzinfarkt und verstarb. Der Schock könnte den Infarkt ausgelöst haben, meldete die Nachrichtenagentur Ansa. Er sei das erste "indirekte" Todesopfer des Bebens, sagte der Chef der Provinzbehörde. Der Mann sei in der Stadt Tolentino gestorben. Das Gefängnis in der Stadt Camerino wurde nach den Beben geräumt. Die Insassen kamen in eine andere Haftanstalt. Rund 40 Menschen wurden in Camerino wegen leichter Verletzungen oder anderer Beschwerden aufgrund eines Schocks behandelt.
Der Zivilschutz schätzte die Folgen weniger schwer als zunächst befürchtet ein. Die Situation sei "weniger dramatisch als gedacht", sagte Zivilschutz-Chef Fabrizio Curcio auf einer Pressekonferenz. Fernsehbilder zeigten schwere Schäden an Gebäuden. Zwei Spezial-Teams suchten im Schutt nach möglichen Vermissten - es sehe derzeit aber so aus, als gebe es keine, sagte Curcio. Doch noch ist unklar, ob es Todesopfer unter Trümmern gibt.
Zuvor hatte es bereits einen starken Stoß mit einem Wert von 5,5 gegeben. Die Erdbeben trafen jene Region, die bereits Ende August von einem heftigen Beben getroffen worden war. Damals waren 298 Menschen ums Leben gekommen, die meisten davon in der Ortschaft Amatrice. Der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, sagte, auch in seinem Ort sei es erneut zu Schäden gekommen. "Es gab Einstürze, aber nur von Gebäuden, die schon beschädigt waren", sagte er der Nachrichtagentur Ansa zufolge. "Natürlich weckt das wieder die Angst."
Erde bebte "furchtbar lang"
Augenzeugen in der Unglücksregion berichteten nach dem Nachbeben von einer "apokalytischen Situation". Die Erde habe "furchtbar lang" gebebt, sagte Marco Rinaldi, Bürgermeister der Gemeinde Ussita dem TV-Sender Sky TG24. "Die kritischste Situation ist in Castelsantangelo sul Nera, wo die Stromversorgung fehlt", sagte Cesare Spuri vom Zivilschutz in der Region Marken. Der Bürgermeister des Ortes, Mauro Falcucci, sagte auf Sky TG24: "Mit Sicherheit gab es Einstürze."
Der Turm der Kirche Santa Maria in Via in der Gemeinde Camerino stürzte auf ein Wohnhaus. Die Kirche war laut Ansa bereits bei dem verheerenden Erdbeben vom 24. August beschädigt worden. Zunächst gab es keine Berichte über Verletzte. Viele Menschen seien - wie auch in anderen Orten in dem betroffenen Gebiet in der Provinz Macerata nahe Umbrien - zum Zeitpunkt des Bebens am Abend auf der Straße gewesen.
Das nationale geophysische Institut verzeichnete in engen Abständen nach dem ersten Stoß mehrere leichte Beben mit Stärken um die 3. Die meisten davon wurden in der Provinz Macerata gemessen. Auch in der Hauptstadt Rom gab es Schäden. In mehreren Gebäuden seien Risse festgestellt worden, berichtete Ansa. Nach dem ersten Stoß seien innerhalb von einer halben Stunde rund hundert Notrufe beim Zivilschutz eingegangen. Menschen liefen auf die Straße, einige twitterten Videos von wackelnden Lampen und Fenstern, die sich durch das Zittern geöffnet hatten. Auch das Außenministerium wurde sicherheitshalber geräumt.
Mehrere Schulen sollen am heutigen Donnerstag in Mittelitalien geschlossen bleiben. Wegen des starken Nachbebens wurde das Serie-A-Spiel Delfino Pescara und Atalanta Bergamo für zwei Minuten unterbrochen.
Italien wird häufig von Erdstößen heimgesucht, die immer wieder verheerende Folgen haben. Das jüngste Beben und die vorherige Katastrophe in der Region Ende August könnten nach Experteneinschätzung direkt miteinander zusammenhängen. "Die Entfernung zwischen beiden Beben ist rund 30 Kilometer. Es ist also durchaus möglich, dass da eine gewisse Wechselwirkung ist", sagte der Seismologe Frederik Tilmann. Der Forscher am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam hält es für denkbar, dass beide Ereignisse damit Teil eines größeren Abbaus von Spannungen sind - weitere Beben sind also nicht ausgeschlossen.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa