Hauseinsturz mit vielen Opfern Nordkorea meldet "unvorstellbares Unglück"
18.05.2014, 08:20 Uhr
Nordkoreanische Staatsbedienstete und Offiziere stehen mit Angehörigen der Opfer an dem Unglücksort.
(Foto: AP)
Normalerweise achtet das kommunistische Nordkorea sehr genau darauf, dass nur gute Nachrichten das Land verlassen. Nun berichtet die offizielle Nachrichtenagentur KCNA von einem "unvorstellbaren Unglück". Hunderte Menschen könnten gestorben sein.
Beim Einsturz eines Wohnhauses in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang sind möglicherweise Hunderte von Menschen ums Leben gekommen. In einem für das Land ungewöhnlichen Schritt räumte die kommunistische Führung öffentlich ein Fehlverhalten der Verantwortlichen ein und entschuldigte sich bei den Angehörigen. Die amtliche Nachrichtenagentur KCNA sprach von einem "unvorstellbaren Unglück", das bereits am vergangenen Dienstag geschehen sei. Dafür verantwortlich sei der für die Sicherheit zuständige Minister Choe Pu Il, der das Bauprojekt nicht angemessen überwacht habe.
"Der Bau eines Wohnhauses war nicht ordnungsgemäß, und die Beamten übten Aufsicht und Kontrolle in unverantwortlicher Weise aus", hieß es in der KCNA-Erklärung. Berichte über Unfälle und gar Eingeständnisse der Fehlbarkeit von Behörden sind in dem isolierten Land äußerst selten. Es ist ungewöhnlich, dass die Medien Nordkoreas über Hintergründe zu Unfällen im Land berichten. Zuletzt hatte es im April 2004 eine schwere Zugexplosion in Ryongchon im Nordwesten des Landes öffentlich gemacht und um internationale Hilfe gebeten.
Die öffentlichen Entschuldigungen nach dem Unglück dienen nach Einschätzung des Nordkorea-Experten Kim Yong Hyun von der Dongguk-Universität in Seoul dem Image des Machthabers Kim Jong Uns. Sie sollten zeigen, dass er "als Führer die Gefühle der Menschen sehr ernst nimmt".
Keine konkreten Angaben
Den Angaben zufolge wurden die Bergungsarbeiten nach dem neuerlichen Unglück am Samstag eingestellt. Toten- und Verletztenzahlen wurden nicht genannt. Es war lediglich davon die Rede, dass das Unglück "Opfer gefordert" habe. Aus dem Vereinigungsministerium in Südkorea verlautete: "Vermutlich gibt es Hunderte von Toten." Das 23-geschossige Gebäude dürfte für 92 Familien angelegt gewesen sein. In Nordkorea sei es üblich, dass Neubauten bereits vor der Fertigstellung bezogen würden.
Kim Jong Un sei die ganze Nacht wach geblieben, als er von dem Unfall erfahren habe, hieß es in nordkoreanischen Berichten. Er habe Vertreter von Partei, Staat und Armee angewiesen, "alles stehen und liegen zu lassen und die Rettungsarbeiten zu leiten". Auf einem am Sonntag von der staatlichen Zeitung "Rodong Sinmun" veröffentlichten Foto ist ein nicht näher identifizierter Offizier zu sehen, wie er sich an einer Baustelle vor hunderten Menschen entschuldigt.
Nordkorea hatte vor fünf Jahren zu Ehren von Staatsgründer Kim Il Sung den Bau von 100.000 neuen Wohnungen in drei Bezirken von Pjöngjang angekündigt. Die Bauarbeiten wurden trotz der mangelhaften Versorgung in dem verarmten Land weitergetrieben. Südkoreanische Medien hatten im Juli 2011 berichtet, dass Studenten und Soldaten für den Bau rekrutiert wurden, nachdem Geldmangel und Engpässe bei den Materialien immer wieder für Verzögerungen gesorgt hatten.
Pjöngjang hat schätzungsweise zweieinhalb Millionen Einwohner. Ein Großteil von ihnen gehört zur Elite des Landes und gilt als privilegiert. In der Hauptstadt ist die Versorgung mit Strom, Lebensmitteln und anderen Waren sowie mit Dienstleistungen besser als im Rest des Landes.
Kim Jong Un hat seit seinem Machtantritt im Dezember 2011 eine Reihe eigener prestigeträchtiger Bauprojekte angestoßen; im vergangenen Jahr eröffnete er unter anderem einen gigantischen Wasserpark, einen Reitclub, Wohnungen für Wissenschaftler, Lehrer und Sportler in der Hauptstadt sowie ein gewaltiges Skigebiet im Nordosten des Landes. KCNA feierte noch im Dezember die "wundersame" Geschwindigkeit, mit der die Projekte unter Führung des jungen Machthabers fertiggestellt wurden.
Quelle: ntv.de, sba/rts/AFP