Gefangene Soldaten ermordet Amnesty wirft Separatisten Hinrichtungen vor
09.04.2015, 15:27 Uhr
Bei den heftigen Kämpfen um den Flughafen von Donezk wurden nicht nur die Gebäude zerstört. Die Separatisten sollen auch Kriegsverbrechen begangen haben.
(Foto: dpa)
Prorussische Separatisten sollen mehrfach gefangene ukrainische Regierungssoldaten erschossen haben. Diesen Vorwuf erhebt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Sie beruft sich unter anderem auf Material der Rebellen.
Amnesty International hat den prorussischen Aufständischen in der Ostukraine schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen. Die Rebellen sollen gefangene ukrainischer Soldaten exekutiert haben. Die Menschenrechtsorganisation forderte eine "schnelle und unabhängige Untersuchung". Eine Amnesty-Erklärung weist besonders auf den Tod von Igor Branowizki hin. Die Separatisten wiesen die Anschuldigungen zurück.
Branowizki habe am Flughafen von Donezk gekämpft, sei in Gefangenschaft der Rebellen geraten, gefoltert und dann von einem Rebellenkommandeur aus nächster Nähe erschossen worden, erklärte Amnesty. "Ein auf Youtube gestelltes Video zeigt, dass ihm ins Gesicht geschlagen wurde." Laut Amnesty wurde seine Leiche Anfang April den Angehörigen übergeben, am 3. April sei der Soldat in Kiew beigesetzt worden. Die ukrainischen Sicherheitsdienste hätten Ermittlungen aufgenommen.
Die Menschenrechtsgruppe berichtete von Fotos von mindestens drei anderen Fällen, bei denen Soldaten mit einer Kugel in den Kopf exekutiert worden seien. Sie seien vom 12. bis 18. Februar bei Kämpfen in der Stadt Debalzewe von Rebellen gefangen genommen worden.
Schockierende Telefonate
Amnesty greift in der Erklärung Zitate aus einem Telefonat auf, über das die englischsprachige ukrainische Wochenzeitung Kyiv Post am 6. April berichtete. Darin soll ein Rebellenkommandeur mit dem Kampfnamen "Motorola" gesagt haben, er habe "15 Soldaten getötet", die zuvor gefangen genommen worden seien.
Daria Morzowa, die in der von den Rebellen selbstproklamierten "Republik" Donezk für Menschenrechte zuständig ist, sagte zu den Vorwürfen: "Ich dementiere die Gerüchte, in der Volksrepublik seien Kriegsgefangene getötet worden. Derartiges hat nicht stattgefunden." Amnesty forderte, angesichts der "schockierenden" Telefon-Zitate, zahlreicher Zeugenangaben und "Video-Beweise" müsse die Bewertung der Vorgänge "anerkannten Behörden" überantwortet werden.
Bei den Kämpfen im Osten der Ukraine zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Soldaten sowie Kiew-treuen Milizen wurden in den vergangenen zwölf Monaten nach Schätzungen mehr als 6000 Menschen getötet.
Krisentreffen in Berlin
Beide Seiten warfen sich erneut gegenseitig Verstöße gegen die offiziell geltende Waffenruhe vor. Die prorussischen Separatisten seien bei Donezk und bei Schyrokyne am Asowschen Meer vorgerückt und hätten mindestens drei Regierungssoldaten verletzt, sagte ein Armeesprecher. Die Aufständischen wiesen die Anschuldigungen zurück. Innerhalb der vergangenen Woche hätten die Regierungstruppen mehr als 200 Mal gegen die Waffenruhe verstoßen, sagte ein Sprecher der Separatisten. Drei Zivilisten seien dabei getötet worden.
Über die angespannte Situation wollen in Kürze die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine beraten. Das werde "hoffentlich schon Anfang nächster Woche" in Berlin stattfinden, hieß es aus dem Auswärtigen Amt.
Zuletzt waren die vier Außenminister am 21. Januar in der Berliner Villa Borsig zusammengekommen. Drei Wochen später verständigten sich die Staats- und Regierungschefs der vier Länder bei einem Krisengipfel in Minsk auf eine Waffenruhe, die allerdings brüchig ist. Seitdem gab es kein hochrangiges Treffen mehr in dem Vierer-Format.
Quelle: ntv.de, mbo/AFP/dpa