Politik

Gemeinschaft abhängiger Staaten Putin baut sich seine neue Union

Wladimir Putin kämpft um ein starkes und mächtiges Russland.

Wladimir Putin kämpft um ein starkes und mächtiges Russland.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Blicke der Welt sind derzeit auf die Ukraine gerichtet. Der Hauptverantwortliche der Krise dort sitzt aber nicht in Kiew, sondern in Moskau. Für Wladimir Putin ist das Nachbarland nur ein Baustein auf dem Weg zu einem größeren weltpolitischen Einfluss Russlands.

Sie stören Putin bei seinen Plänen: Demonstranten in Kiew.

Sie stören Putin bei seinen Plänen: Demonstranten in Kiew.

(Foto: REUTERS)

Wladimir Putin übt in diesen Tagen ungewoh nte verbale Zurückhaltung. Und das, obwohl es in der Ukraine gewaltig brodelt und der Kremlchef einen gehörigen Anteil an dieser prekären Situation hat. Putins Kiewer Kollege Wiktor Janukowitsch kämpft um sein politisches Überleben. Seine Regierung muss sich im Parlament (Rada) einem Misstrauensvotum stellen. Der pro-russische Kurs der Kiewer Machthaber bringt Zehntausende Ukrainer auf die Barrikaden. Das nach Russland flächenmäßig zweitgrößte Land Europas ringt um seine Zukunft. Wendet es sich Europa zu oder bleibt es im Würgegriff des übermächtigen Nachbarn?

Im Gegensatz zu vielen russischen Spitzenpolitikern der Vergangenheit ist Putin kein Freund von Trinkgelagen. Dennoch wird hinter den dicken Kremlmauern Feierstimmung geherrscht haben, als sich Janukowitsch dem massiven Druck aus Moskau gebeugt und das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht unterschrieben hat. Die Störfeuer waren gewaltig: Russland fuhr den bilateralen Handel runter und brachte so die ohnehin schon angeschlagene Ökonomie der Ukraine in noch größere Schwierigkeiten. Vor allem die Schwerindustrie im Osten - dieser ist Janukowitsch-Land - leidet darunter.

Aber Putin schwingt nicht nur die Peitsche: Er reicht auch das Zuckerbrot in Form von wirtschaftlichen Versprechungen und Zugeständnissen finanzieller Art. Kurzum: Der Ukraine, die aus Putins Sicht gar kein richtiger Staat ist, wird mit aller Deutlichkeit klargemacht, dass sie ohne russisches Wohlwollen gar nicht überlebensfähig ist. Putins Waffen sind nicht Kanonen und Raketen, sondern Öl und Gas. In seinem machtpolitischen Plan ist die Ukraine nur ein Bestandteil. Putin verfolgt ein großes Ziel: die Rückkehr Russlands zur Großmacht.

Interessen in Syrien und Iran

Westliche Politiker bekommen das neue russische Selbstbewusstsein zu spüren. So bei der Syrien-Krise oder den Atomverhandlungen mit dem Iran: Russland mischt seit Putins Rückkehr in den Kreml im Mai 2012 nicht nur kräftig mit, sondern reißt sogar die Initiative an sich. Ohne Moskau können schwierige internationale Probleme nicht gelöst werden, wie US-Präsident Barack Obama derzeit lernen muss. Die Europäer wissen das schon etwas länger.

Russlands Präsident lässt Baschar al-Assad - hier bei einem Treffen 2006 in Moskau - nicht fallen.

Russlands Präsident lässt Baschar al-Assad - hier bei einem Treffen 2006 in Moskau - nicht fallen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Putin vertritt dabei knallhart die russischen Int eressen. Ein islamistisches Regime in Syrien würde die von ihm mühevoll und mit viel Blutvergießen hergestellte Ruhe in der Kaukasusregion gefährden. Deshalb ist Putin an einem Verbleib seines Damaszener Kollegen Baschar al-Assad an der Macht interessiert. Der Kremlchef hat dabei die Freischärler aus Tschetschenien und Dagestan im Blick, die auf der Seite der Islamisten gegen den Syrer kämpfen. Die schiitischen Mullahs im Iran sieht Putin als Bollwerk gegen das sunnitisch-fundamentalistische Saudi-Arabien an.  

Wie seine Politik im Westen ankommt, interessiert Putin nicht. Er kann sich das leisten, denn Russland ist zu groß und zu wichtig, um an den Rand gedrängt zu werden. In Putins Augen ist sein Land seit dem Untergang der Sowjetunion von den USA und den Europäern nicht respektvoll behandelt worden. Er räumt mit dem schwierigen außenpolitischen Erbe seines Vorgängers Boris Jelzin auf. Putins Ziel ist ein Gegengewicht zu EU und Nato, deren Ausweitung bis an die russische Westgrenze Jelzin nicht verhindern konnte.

Bis hierhin und nicht weiter

Die ehemaligen Sowjetrepubliken - Ausnahmen sind die drei baltischen Staaten - gehören aus Putins Sicht zum russischen Einflussbereich. Ein starkes Russland, das seine Satelliten wieder enger an sich bindet, um eine Art moderne Sowjetunion zu schaffen

Unter dem roten Sowjetstern: Putin mit Alexander Lukaschenko.

Unter dem roten Sowjetstern: Putin mit Alexander Lukaschenko.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Demokratie spielt dabei keine Rolle. Weißrusslan d mit seinem Diktator Alexander Lukaschenko bildet mit Russland und Kasachstan bereits eine Zollunion. Das Regime in Minsk befindet sich bereits seit der Jelzin-Zeit an der Kandare Moskaus. Die Abhängigkeit von Öl und Gas zwingt es dazu. Dreht Russland den Energiehahn zu, dann geht in Weißrussland nichts mehr. Zudem hängt Lukaschenko am russischen Finanztropf. Von Putin bewilligte Kredite sichern die weißrussische Zahlungsfähigkeit und somit soziale Zugeständnisse Lukaschenkos an sein Volk, die sich das ökonomisch schwache Weißrussland eigentlich nicht leisten kann. Militärisch arbeiten beide Länder ohnehin schon sehr eng zusammen.

Auch im Kaukasusraum schafft Putin Fakten. Armenien hat er sich bereits gefügig gemacht. Die Regierung in Eriwan schreckt vor einer zu engen Bindung an die EU zurück. Dies geschieht wie im Fall der Ukraine ebenfalls nicht freiwillig, sondern Moskau "hilft" bei der Entscheidungsfindung. Russland hat eine Militärbasis in Armenien, die dort als wichtiges Instrument zum Schutz vor dem Erzfeind Aserbaidschan angesehen wird.

Ilcham Alijew

Ilcham Alijew

(Foto: picture alliance / dpa)

Aus diesem Grund will sich auch der Machthaber in B aku, Ilcham Alijew, nicht mit dem russischen Riesen anlegen. Der Alijew-Clan ist traditionell eng mit der Moskauer Zentrale verbunden, Ilchams Vater Gaidar war als Chef der aserischen Kommunisten ein enger Gefolgsmann des 1982 verstorbenen KPdSU-Generalsekretärs Leonid Breschnjew. Georgien laboriert an der militärischen Niederlage, die es 2008 gegen Russland im Streit um die Regionen Abchasien und Südossetien erlitten hatte. Im Gegensatz zum ehemaligen Staatschef Micheil Saakaschwili betreibt der derzeitige Präsident Georgi Margwelaschwili eine vorsichtige Annäherung an Russland. Er hält sich aber die Tür nach Europa offen.

Auch in den ehemaligen Sowjetrepubliken Mittelasiens ist Russland präsent. Tadschikistan ist für Moskau strategisch wichtig. Um ein Einsickern von Islamisten aus Afghanistan in das politisch instabile Land zu verhindern, befinden sich auch russische Soldaten an der tadschikisch-afghanischen Grenze. Die Nato zieht sich nach dem Ende ihres Afghanistan-Engagements im kommenden Jahr aus dieser Region zurück. Auch das unruhige Kirgistan ist von Moskau abhängig. Bei Kant gibt es eine russische Truppenbasis. Zudem lässt Putin auch Hunderte Millionen US-Dollar in Richtung Bischkek fließen. Die größte mittelasiatische Republik Kasachstan pflegt unter ihrem Dauerpräsidenten Nursultan Nasarbajew traditionell enge Beziehungen zu Russland. Die Russen verwalten dort nach wie vor die zu Sowjetzeiten erbaute Weltraumstadt Baikonur. Sie ist ein eigenständiger Distrikt innerhalb Kasachstans.

Keine unabhängigen Staaten

Die von Jelzin gemeinsam mit dem Weißrussen Stanislaw Schuschkjewitsch und dem Ukrainer Leonid Krawtschuk 1991 aus der Taufe gehobene Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) sieht Putin nicht als brauchbares Mittel zur Durchsetzung russischer Ziele in Europa, der Kaukasusregion und Mittelasien an. Sie hat in den vergangenen Jahren auch an Bedeutung verloren. Die meisten GUS-Staaten sind nicht unabhängig beziehungsweise ohne russische "Hilfe" alleine nicht lebensfähig. Putin setzt stattdessen auf die Eurasische Union, die 2015 aus der Taufe gehoben werden soll. Bereits jetzt existiert die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft mit den Mitgliedern Russland, Weißrussland, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan. Putin sieht sie offiziell als Vermittler zwischen Europa und dem Asien-Pazifik-Raum.

Putin hat einmal gesagt, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts gewesen sei. Der ehemalige Geheimdienstler sieht nun sein Eurasien-Projekt als neues Mittel an, die ehemaligen Sowjetrepubliken wieder näherzubringen - natürlich unter russischer Führung. Er habe "nicht die Absicht, eine neue Sowjetunion zu errichten", beteuert Putin.

So naiv, an eine neue UdSSR zu glauben, ist Russlands starker Mann natürlich nicht. Er arbeitet an einer neuen Union, die es ökonomisch mit den USA, China und der EU aufnehmen kann. Und Putin meint es ernst. "Ich will Dinge ändern, ich will nicht hinter dem Busch sitzen und mit Stöckchen werfen", äußerte er einmal. Russlands Präsident ist gerade dabei, diesen Satz mit Taten zu untermauern. Die Demonstranten in Kiew stören dabei nur.

Quelle: ntv.de

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