Politik

Zweimal lebenslang und 1900 Jahre Justiz fordert lange Haftstrafe für Gülen

Gülen lebt seit 1999 im Exil in den USA - die Türkei fordert seine Auslieferung.

Gülen lebt seit 1999 im Exil in den USA - die Türkei fordert seine Auslieferung.

(Foto: AP)

Die Verhaftungswelle in der Türkei geht weiter. Dutzende Istanbuler Unternehmen werden bei einer Großrazzia durchsucht. Derweil fordert die türkische Staatsanwaltschaft eine harte Strafe für den angeblichen Drahtzieher des Putschversuchs, Gülen.

Die türkische Staatsanwaltschaft fordert zweimal lebenslange Haft für den von der Regierung als Drahtzieher des Putschversuchs verantwortlich gemachten islamischen Prediger Fethullah Gülen. In einer 2527 Seiten langen Anklageschrift wirft die Behörde Gülen den "Versuch der gewaltsamen Zerstörung der verfassungsmäßigen Ordnung" sowie die "Bildung und Führung einer bewaffneten terroristischen Gruppe" vor, wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.

Zusätzlich zu zweimal lebenslänglich fordert die Anklagebehörde dem Bericht zufolge weitere 1900 Jahre Gefängnis für Gülen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht seinen einstigen Weggefährten und heutigen Rivalen als Drahtzieher des Umsturzversuchs vor einem Monat, bei dem 283 Menschen getötet und mehr als 2000 weitere verletzt worden waren. Erdogan verlangt daher mit Nachdruck die Auslieferung des 75-jährigen Geistlichen, der seit 1999 im Exil in den USA lebt. Die USA wollen dem Gesuch aber nur nachkommen, wenn Ankara konkrete Beweise präsentiert.

Großrazzia gegen Unternehmen

Die Polizei ging gegen Dutzende Unternehmen in Istanbul vor, darunter die Akfen-Holding.

Die Polizei ging gegen Dutzende Unternehmen in Istanbul vor, darunter die Akfen-Holding.

(Foto: AP)

Offiziellen Angaben zufolge wurden seit dem Umsturzversuch Mitte Juli mehr als 35.000 Menschen festgenommen, von denen mittlerweile 11.600 wieder frei sind. Viele Menschen werden allein deshalb festgenommen, weil ihnen eine Nähe zur Gülen-Bewegung nachgesagt wird. 81.000 weitere Staatsbedienstete wurden entlassen oder suspendiert, darunter Soldaten, Polizisten, Richter und Lehrer.

Mittlerweile geht die Regierung auch verstärkt gegen Medien und Geschäftsleute vor. So wurden in Istanbul zahlreiche Unternehmen durchsucht und 50 Menschen verhaftet. Darunter sei der Vorsitzende der Akfa Holding, die unter anderem im Baugeschäft tätig ist, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Auch die Supermarktkette A101, zu der Tausende Filialen gehören, war betroffen. Die Nachrichtenagentur Dogan meldete, A101-Chef Turgut Aydin sei in seinem Haus am Schwarzen Meer festgenommen worden. Insgesamt seien 120 Verdächtige zur Fahndung ausgeschrieben. Die Unternehmen hätten mutmaßlich Verbindung zu Gülen, hieß es zum Hintergrund der Großrazzia.

Auch die Publikation der pro-kurdischen Zeitung "Özgür Gündem" wurde vorübergehend eingestellt. Ein Istanbuler Gericht ordnete ihre Schließung an. Wie aus der von Aktivisten verbreiteten Entscheidung hervorgeht, wird dem Blatt Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Die Zeitung soll außerdem wie das Sprachrohr der Untergrundorganisation agiert haben. Aus Regierungskreisen hieß es, die Gerichtsentscheidung sei unabhängig vom geltenden Ausnahmezustand gefallen und könne angefochten werden. Gegen zahlreiche Journalisten und Unterstützer der "Özgür Gündem" läuft zudem seit Wochen ein Verfahren wegen Terrorpropaganda.

Premier gegen Todesstrafe

In Folge des Putschversuchs diskutiert die Türkei zudem die Widereinführung der Todesstrafe. Der türkische Regierungschef Binali Yildirim distanzierte sich allerdings davon. "Ein Mensch stirbt nur einmal, wenn er hingerichtet wird", sagte Yildirim im Parlament in Ankara. Die Unterstützer des Putschversuchs in der Türkei hätten aber eine härtere Bestrafung verdient, nämlich "ein unparteiisches und faires Verfahren". Die Täter müssten zur Rechenschaft gezogen werden, und zwar mit rechtsstaatlichen Mitteln und nicht aus Rache.

Kurz nach dem gescheiterten Umsturzversuch hatte die türkische Regierung eine Wiedereinführung der Todesstrafe in Aussicht gestellt. In seinen jüngsten Reden ging Präsident Recep Tayyip Erdogan aber nicht mehr auf das Thema ein. Die Türkei hatte die Todesstrafe im Jahr 2002 im Zuge ihres Strebens nach einer EU-Mitgliedschaft abgeschafft. Rufe nach ihrer Wiedereinführung wurden international scharf kritisiert, Vertreter der Europäischen Union drohten für diesen Fall mit einem Abbruch der Beitrittsgespräche mit Ankara.

Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa

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