Zahl der Pass-Anträge steigt Reiche Griechen packen ihre Koffer
09.07.2015, 15:03 Uhr
Mehr als 200.000 Griechen haben ihr Land seit Beginn der Krise verlassen. Jetzt bereiten auch reiche Familien ihre Ausreise vor. Darauf deuten zumindest die Anträge auf Reisepässe in den Vororten von Athen hin.
Angesichts der dramatischen Finanzkrise in Griechenland hat die Zahl der Anträge auf Ausstellung neuer Reisepässe drastisch zugenommen. Die Zeitung "Kathimerini" wertet dies als ein Indiz dafür, dass viele Griechen aus Angst vor einem Grexit, einem Ausstieg aus der Eurozone, erwägen auszuwandern.
In Athen seien zuletzt an einem Tag 1580 Anträge bei den zuständigen Polizeistellen vorgelegt worden, schreibt die Zeitung. Dies sei eine Steigerung um über 50 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Tag des Vorjahres. Die Zunahme der Pass-Anträge habe begonnen, als Ministerpräsident Alexis Tsipras eine Volksabstimmung über Spar- und Reformmaßnahmen angesetzt habe.
Auch der Blog "Greek Reporter" hatte über eine Zunahme der Pass-Anträge berichtet. Danach hätten einige wohlhabende Familien in den nördlichen und südlichen Vororten der griechischen Hauptstadt Vorbereitungen getroffen, das Land zu verlassen, als vor knapp zwei Wochen die Kapitalverkehrskontrollen eingeführt worden waren. Bei den Anträgen gehe es meist um Kinder, die keinen Personalausweis bekommen könnten, und daher auch für Reisen innerhalb der EU einen Pass benötigten.
Der Blog zitiert einen Polizisten mit den Worten, die Schlangen vor den Dienststellen seien beispiellos. "Wir haben den Eindruck, die reichen Familien wollen bereit zur Ausreise sein, je nach der Situation des Landes." Da es nicht genügend Mitarbeiter in der zuständige Behörde gebe, seien einige Angestellte rund um die Uhr damit beschäftigt, den "Sturm der Anträge" abzuarbeiten. Auch "Kathimerini" schreibt, den größten Zuwachs an Anträgen gebe es in den nördlichen und südlichen Vororten von Athen.
Angesichts einer Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten von deutlich über 50 Prozent ist Auswanderung für Griechenland kein neues Phänomen. Schon vor der Parlamentswahl im Januar hatte der Unternehmensverband "Endeavour" ermittelt, dass mehr als 200.000 Griechen seit Beginn der Krise ausgewandert waren – also immerhin rund zwei Prozent der Bevölkerung. Die meisten gingen nach Deutschland oder Großbritannien. Allein 7000 Ärzte sollen zwischen 2009 und 2014 ausgewandert sein, schreibt die deutsche "Ärzte-Zeitung" unter Berufung auf Zahlen der Athener Ärztekammer.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa