Politik

3-Prozent-Schock für Westerwelle Zahlen lassen FDP-Chef wanken

Guido Westerwelle - abgestürzt.

Guido Westerwelle - abgestürzt.

(Foto: dapd)

Nur noch 3 Prozent der Wähler würden ihr Kreuz bei der FDP machen - eine weiterere Hiobsbotschaft für die Liberalen. Partei-Chef Westerwelle rückt damit immer mehr in den Mittelpunkt einer Personaldiskussion, die es lange nicht gab. Laut Forsa-Chef Güllner hadern die Wähler vor allem mit den Leistungen Westerwelles als Außenminister.

Der weitere Umfrageabsturz der FDP verschärft deutlich die Führungskrise der Partei. In der Parteispitze wird als Grund für das Absacken der Liberalen auf 3 Prozent überwiegend die Dauerdiskussion um den Verbleib von Guido Westerwelle in seiner Funktion des Parteivorsitzenden verantwortlich gemacht. Nach dem wöchentlichen Forsa-Wahltrend von RTL haben die Liberalen seit der Bundestagswahl 2009 etwa 80 Prozent ihrer Anhängerschaft verloren. Damals hatten sie noch 14,6 Prozent erreicht. Zahlreiche politische Beobachter sehen Westerwelle inzwischen massiv in seinen beiden Ämtern beschädigt.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler versuchte, seine Parteifreunde in Niedersachsen zum Zusammenhalten zu ermahnen. "Gerade in schwierigen Situationen sollte eine Partei Geschlossenheit zeigen", erklärte er. Der niedersächsische Landesumweltminister Hans-Heinrich Sander verlangte jedoch eine Trennung von Parteivorsitz und Regierungsamt. "Ich halte Herrn Westerwelle für einen guten Außenminister." Es wäre daher nicht schlecht, den Parteivorsitz in andere Hände zu geben, sagte Sander. "Es ist ja immerhin auch eine Leistung, innerhalb nur eines Jahres von ganz hohen Umfragewerten so tief in den Keller zu fallen." Rösler hielt dagegen: "Die FDP Niedersachsen steht zu Guido Westerwelle." Der Vizepräsident des niedersächsischen Landtags, Hans-Werner Schwarz, sagte, da Westerwelle als Außenminister eine gute Figur abgebe, solle er diese Position weiter ausüben. Es sei aber gleichzeitig sinnvoll, dass beim Parteitag im Mai ein anderer den FDP-Bundesvorsitz übernehme. Die Konzentration auf ein Amt sei in dieser Situation ein sinnvoller Weg.

Westerwelle bekam angesichts seiner Situation vom schleswig-holsteinischen Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki (r.) kürzlich "Mitleid" ausgesprochen.

Westerwelle bekam angesichts seiner Situation vom schleswig-holsteinischen Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki (r.) kürzlich "Mitleid" ausgesprochen.

(Foto: dpa)

Westerwelle ist derzeit im Urlaub in Ägypten. Zuvor hatte er Rückzugsforderungen mit den Worten zurückgewiesen: "Ich verlasse das Deck nicht, wenn es stürmt." Der 48-Jährige legte sich jedoch noch nicht fest, ob er beim nächsten Bundesparteitag im Mai -  nach den Landtagswahlen in Hamburg, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz - wieder antreten wird. Nach neuen Länder-Umfragen käme die FDP derzeit weder in Baden-Württemberg noch in Rheinland-Pfalz ins Parlament. In der Partei wird erwartet, dass sich Westerwelle beim Dreikönigstreffen der FDP am 6. Januar in Stuttgart zu seinen Plänen äußert.

Deutsche sehen "Fehlbesetzung"

Sachsens FDP-Landesvorsitzender Holger Zastrow zeigte sich "zutiefst beunruhigt" über die Personaldebatte. Westerwelle müsse Außenminister, Vizekanzler und Bundesvorsitzender bleiben. "Er ist jemand, der in der Vergangenheit die richtigen Rezepte hatte. Ich traue ihm auch zu, dass er auch jetzt die richtigen Rezepte entwickeln kann." Auch Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) steht trotz wachsender Kritik zum Parteichef und hält auch nichts von einem Rücktritt vor der Landtagswahl. "Wenn wir jetzt die Pferde wechseln, bringt uns das für die Landtagswahl am 27. März überhaupt nichts". Er fügte hinzu: "Wenn er mit uns in den Wahlkampf zieht, werden wir mit ihm in den Wahlkampf ziehen."

Ob die Rückendeckung von Sachsens FDP-Landesvorsitzendem Holger Zastrow reicht?

Ob die Rückendeckung von Sachsens FDP-Landesvorsitzendem Holger Zastrow reicht?

(Foto: dpa)

Generalsekretär Lindner sagte: "Die innerparteiliche Diskussion der FDP wirkt sich jetzt in Umfragen aus." Wer sich aus der FDP über die FDP äußere, müsse sich seiner Verantwortung für anstehende Wahlen bewusst sein. "Wir haben alle die Pflicht, die FDP zu stärken", fügte er hinzu. Auch FDP-Fraktionsvize Patrick Döring sagte, die schwindende Zustimmung sei nicht verwunderlich, "wenn immer wieder Einzelne aus der Partei lieber über Personen als über die Sache reden". Die Menschen hätten andere Sorgen.

Nach Einschätzung von Forsa-Chef Manfred Güllner würde der FDP allerdings auch ein Rücktritt Westerwelles vom Bundesvorsitz kaum helfen. Das negative Urteil der Menschen beruhe vor allem auf seiner Amtsführung als Außenminister. Die Menschen seien über die Leistung der FDP in der Regierung enttäuscht. Westerwelle werde als Außenminister eher als Fehlbesetzung gewertet. "Wenn er seiner Partei helfen wollte, müsste er dieses Amt aufgeben. Er könnte als Partei- oder Fraktionschef im Hintergrund Regie führen", sagte Güllner.

Futter fürs schlechte Image

Innerparteilich wird Westerwelle wird vorgehalten, seine Partei zu wenig aufs Regieren vorbereitet zu habe. Er selbst hatte erkennbar Schwierigkeiten, den Schwenk vom polternden Oppositionspolitiker zum Regierungsmitglied zu vollziehen. So polarisierte er im Frühjahr, indem er Hartz-IV-Leistungen in einem Atemzug mit "spätrömischer Dekadenz" nannte. Damit trug er nach Einschätzung von Kritikern wesentlich zur Entfremdung zwischen ihm und der Partei bei. Der FDP brachte er einmal mehr den Vorwurf der sozialen Kälte ein. Zudem wird Westerwelle zur Last gelegt, die Partei in der Regierung zu sehr auf das Thema Steuersenkungen fixiert zu haben, obwohl diese angesichts von Finanzkrise und Rekordverschuldung kaum Aussicht auf Umsetzung hatten.

Wohl voreilig kündigte der Außenminister den Termin für den Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan an.

Wohl voreilig kündigte der Außenminister den Termin für den Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan an.

(Foto: dapd)

Auf Unverständnis - etwa beim parteiinternen Bündnis "Liberaler Aufbruch" - stößt, dass Westerwelle für seine Partei nicht das Finanzministerium sicherte und selbst unbedingt das Außenministerium besetzen wollte. In einem anderen Ressort hätte er möglicherweise eher Forderungen der FDP durchsetzen können. Der Parteichef hoffte wohl, als Außenminister in die Fußstapfen berühmter Vorgänger wie Hans-Dietrich Genscher treten zu können. In wichtigen Fragen wie der Euro-Krise lief ihm jedoch Kanzlerin Angela Merkel den Rang ab, beim Thema Afghanistan zog Fachminister Karl-Theodor zu Guttenberg bei seinen Truppenbesuchen die Aufmerksamkeit auf sich. Westerwelle dagegen sorgte anfangs mit der Auswahl seiner Reisedelegationen für Negativschlagzeilen. Zudem legte er sich auf einen Zeitpunkt für den Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan fest - und wird inzwischen von Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Guttenberg zurückgepfiffen.

In der Partei kommt Westerwelles als autoritär kritisierter Führungsstil seit diesem Jahr immer weniger an. Bei wichtigen Entscheidungen fühlen sich Ländervertreter und Fachpolitiker außen vor. Westerwelle reagierte im Sommer auf den Unmut in der Partei mit Mini-Korrekturen: einer breiteren thematischen Ausrichtung der Partei, mehr Teamwork, dem Eingeständnis eigener Fehler. Schwerpunktmäßig konzentrierte er sich von da ab aufs Außenamt und überließ die tagespolitische Keilerei seinem Generalsekretär. Dies brachte aber nur ein wenig Ruhe in die Partei. Viele Politiker in den Ländern sorgen sich angesichts der schlechten Umfragewerte nun um ihre Mandate - und murren entsprechend laut.

Quelle: ntv.de, jmü/dpa/rts

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