Ex-Lehman-Boss Fuld ist zurück Der "Gorilla" trommelt wieder
08.12.2014, 10:21 Uhr
Gilt als ein Gesicht der Finanzkrise: Richard Fuld.
(Foto: Reuters)
Ex-Lehman-Chef Dick Fuld will chinesischen Börsenkandidaten zu einem besseren Image verhelfen. Das klingt wie ein Treppenwitz der Finanzgeschichte.
Der Instinkt von Richard, genannt "Dick", Fuld pendelt zwischen zwei Extremen: treffsicher auf der einen Seite, orientierungslos auf der anderen. Und eben weil Fuld manchmal komplett danebenliegt mit seinem Gefühl, stürzte die westliche Welt im Herbst 2008 in eine internationale Finanzkrise, die ihresgleichen sucht.
Der 68-Jährige war Chef der US-Investmentbank Lehman Brothers, deren Pleite eine Lawine auslöste, die zahlreiche andere Geldhäuser beinahe mit in den Abgrund riss und die globale Wirtschaft fast zum Kollabieren brachte. Schon einige Monate vor dem Bankrott von Lehman hatten hochrangige Manager ihren Chef eindringlich vor dem gewarnt, was da auf die Bank zusteuerte. Doch Fuld glaubte fest daran, Lehman habe die Situation im Griff. Der Rest ist Geschichte.
In der Folge ließ ihn das Gefühl dann nicht mehr derart eklatant im Stich wie im Sommer 2008. Fuld war überzeugt davon, es sei wohl besser, eine Weile den Kopf einzuziehen und den Sturm der Wut in der Welt auf gierige und verantwortungslose Banker über sich hinweg fegen zu lassen. Volltreffer!
Er, den sie wegen seines Ehrgeizes und seiner Kampfbereitschaft den "Gorilla" nannten an der Wall Street, verdiente sich in amerikanischen Medien zweifelhafte Titel wie den des "Schlimmsten CEO aller Zeiten". Das Time-Magazine zählte ihn zu den "25 Schuldigen für die Finanzkrise". Fuld wurde zum Inbegriff des "Bad Bankers", dessen Skrupellosigkeit und Gier die Welt in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht hatten. Fuld tauchte vorsichtshalber eine ganze Weile praktisch gar nicht mehr auf. Dann trat er hier und da als Berater in Erscheinung, aber stets unterhalb des Radars der Öffentlichkeit.
Eine Frage des Vertrauens
Drüben in China lachten sie sich derweil ein bisschen ins Fäustchen, dass der Westen mit seinem dekadenten Finanzsystem an die Wand gefahren war. Das war ein gefundenes Fressen für die staatliche Propaganda, die die extremen Auswüchse des maßlosen Kapitalismus geißelte. Zwar geriet auch die Volksrepublik in Folge der Krise wirtschaftlich ins Schlingern, aber letztlich profitierte Peking machtpolitisch wie keine andere Nation von der Katastrophe. Die Welt ordnete sich neu, auch weil Chinas Banken sich während der Krise schadlos hielten.
Dass einer der schillerndsten Bankrott-Banker nun ausgerechnet ein Schlupfloch in China gefunden hat, um neue Finanzgeschäfte abzuwickeln, klingt wie ein Treppenwitz der Geschichte, genauer gesagt der Finanzgeschichte. Geradezu absurd scheint es, wenn man sich vorstellt, dass Fuld chinesischen Börsenkandidaten aus deren Vertrauenskrise in den USA helfen möchte. Daran mangelt es chinesischen Firmen, weil sie in den vergangenen Jahren etliche Male für Negativschlagzeilen sorgten. Meistens waren Bilanzen geschönt. Regelmäßig wurden chinesische Papiere an US-Börsen vom Handel ausgesetzt.
Das bedeutet: Hier tun sich jetzt zwei mit zweifelhafter Reputation zusammen, um anderen zu erzählen, was gut für ihr Geld ist.
Alte Rechnungen offen
Um in China operieren zu können, hat sich Fulds Firma Thor Partners mit einem chinesischen Unternehmen namens Kaida Venture Capital verbündet, das dem Geschäftsmann Wang Yulong gehört. Fuld gestand in einem Interview, dass er seinen chinesischen Partner gerne möge, weil der so ehrlich und pragmatisch sei. Gemeinsam sollen die beiden dem Vernehmen nach einen kleinen Börsenplatz in den USA akquiriert haben, den sie jetzt zum Tummelplatz kleiner und mittelständischer Firmen aus China machen wollen. Der englischsprachigen Tageszeitung "China Daily" sagte Fulds neuer Geschäftspartner Wang: "Wir werden gemeinsam neue Standards, Regeln und Kanäle für chinesische Firmen schaffen, die ein Listing in den USA anstreben."
Fuld glaubt, dass es nun auch für ihn wieder aufwärtsgehen wird: "Wenn du scheiterst, musst du dich selbst wieder aufrappeln und von vorne beginnen, weil du keine andere Wahl hast. Du kannst auch im Bett liegen bleiben und den Mond anheulen. Aber das interessiert niemanden", sagte er dem chinesischen Magazin "Century Weekly". Man muss Fuld zugutehalten, dass er bislang keinen neuen Schaden angerichtet hat. Ein paar alte Rechnungen scheinen aber noch offen zu sein, denn Fuld sagte dem Magazin auch: "Wenn du lange genug am Ufer des Flusses sitzt, wirst du die Körper deiner Feinde vorbeifließen sehen."
Der Neustart des "Bad Bankers" in China personifiziert gleichzeitig die fortschreitende Verknüpfung der Volksrepublik mit dem westlichen Finanzsystem. Dass es ausgerechnet ein prominentes Gesicht aus den Untiefen des amerikanischen Investmentbankings ist, das symbolisch für die Verquickung steht, zeigt auch den Sinneswandel in Peking. 17 der 100 größten Banken der Welt kommen inzwischen aus China. In kleinen Schritten werden sie seit einigen Jahren von der Kontrollbehörde auf das globale Investmentbanking vorbereitet. Das heißt auch: Bei der nächsten Finanzkrise des Westens sitzen alle großen Geldhäuser der Welt in einem Boot. Dick Fuld könnte chinesischen Managern bis dahin beibringen, wie man den Sturm übersteht.
Quelle: ntv.de