Wall Streets neuer Liebling Entfesselt Trump die Banken?
15.11.2016, 19:01 Uhr
Donald Trump hat im Wahlkampf viel gesagt.
(Foto: REUTERS)
Eigentlich war es Hillary Clinton, die als eng mit der Wall Street verbandelt galt. Und Donald Trump war der erklärte Feind der Finanzwirtschaft. Innerhalb einer Woche hat sich das geändert.
Der Chefin der Finanzaufsicht SEC Mary Jo White scheint nichts Gutes zu schwanen. Wenige Tage nach dem Sieg von Donald Trump bei der Präsidentenwahl erklärte die 68-Jährige ihren Rücktritt. White werde im Januar - drei Jahre vor dem regulären Ende ihrer Amtszeit - ihren Posten als SEC-Chefin aufgeben, teilte die Börsenaufsicht am Montag mit.
Gründe für den Amtsverzicht wurden zwar nicht genannt. Aber unter Präsident Barack Obama hatte sie geholfen, die Wall Street an die Kandare zu nehmen. Möglicherweise hat sie sich von dem Glauben an weitere regulierende Maßnahmen unter einem Präsidenten Trump verabschiedet.
Trump vollzieht seit einer Woche eine 180-Grad-Wende. Und die Börsen spiegeln diese Entwicklung. Nach seinem Wahlsieg brachen die Märkte zwar für einige Stunden ein und viele US-Anleger, die zu diesem Zeitpunkt zu Bett gingen, dachten wahrscheinlich, dass sie am nächsten Morgen in einem wahren Armageddon aufwachen würden. Doch schon wenige Stunden später setzten die Kurse zu Höhenflügen an. Trump kommt deutlich versöhnlicher daher als im Wahlkampf - unter anderem zeigt sich das darin, dass er plötzlich nicht mehr der befürchtete Investorenschreck und große Feind der Wall Street ist.
Dieser Wandel kommt einigermaßen überraschend. Denn eigentlich war der 70-Jährige angetreten, den Wall-Street-Sumpf "trockenzulegen", wie er im Wahlkampf gerne tönte. Er wollte der Geldgier der Finanzindustrie ein für allemal den Garaus machen. Ihm hatten Experten sogar zugetraut, das "Narrow Banking" einzuführen. Hierbei werden Banken auf Kredit- und Einlagengeschäfte sowie auf extreme Reservehaltung eingeschränkt und verpflichtet.
Dass sich Trumps Pläne geändert haben, zeigen inzwischen nicht nur die Namen, die für potenzielle Posten in seiner Regierung kursieren. Für den wichtigen Posten des Finanzministers werden hochkarätige Ex-Banker gehandelt, unter anderem Steven Mnuchin, der ehemalige Top-Manager der US-Investmentbank Goldman Sachs. Während des Wahlkampfes war er der Hüter von Trumps Wahlkampfkasse. Auch der Name von JPMorgan-Chase-Chef Jamie Dimon ist bereits als Nachfolger für Jacob Lew gefallen.
Schwieriger Spagat
Besonders bemerkenswert ist, dass nicht Trump, sondern seine Gegnerin Hillary Clinton im Ruf stand, der Liebling der Wall Street zu sein. Sie hatte sich von führenden Finanzunternehmen für Vorträge hoch bezahlen lassen. Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte Auszüge aus den Reden der Demokratin veröffentlich. Daraus ging laut Medienberichten auch hervor, wie freundschaftlich ihr Verhältnis zu den Größen der Wall Street war. Unter anderem diesem Verhältnis soll es überhaupt zu verdanken gewesen sein, dass sich ihr Widersacher so lange im Rennen hielt.
Seitdem er gewählt wurde, sucht Trump nun offenbar aber auch die Nähe zur Finanzwirtschaft. Auf seiner Website greatagain.gov kündigte er inzwischen an, er wolle das von Banken verhasste Dodd-Frank-Gesetz, das eine Antwort auf die Finanzkrise war und Banken lästige Regeln auferlegt, abschaffen.
Tatsächlich dürfte es auch schwierig sein, die Branche weiter an die Leine zu legen, wenn Top-Managern der Wall Street der Regierung angehören. Eine der größten Wetten an der Börse ist deshalb auch die, dass er diesen Spagat nicht wagen wird. Bankentitel sind allesamt gestiegen.
Zu den ersten, die witterten, dass sich das Fähnchen im Börsenwind drehen würde, gehörte Hedgefonds-Milliardär Carl Icahn. Bereits Mittwochmorgen, unmittelbar nach der Wahl, hatte der 80-Jährige rund eine Milliarde Dollar auf steigende Kurse gesetzt, wie er Bloomberg TV verriet. Deregulierung und Investitionen auf Pump nannte er als Gründe für seine Wette. Dass er für den Deal vorzeitig Trumps Wahlpartys hätte verlassen müssen, sei es ihm wert gewesen.
Von dem neuen Präsidenten wird kein Störfeuer in Form von Regulierung ausgehen, so Icahns Einschätzung. Trump würde neue Straßen, Brücken und Flughäfen bauen – ein gigantisches Investitionsprogramm aus dem Boden stampfen, das angeblich 25 Millionen Jobs schaffen wird. Alles auf Pump. Hier sei Geld zu verdienen. Neben Bankenaktien haben inzwischen auch die Papiere von Baumaschinenkonzernen einen Riesensprung nach oben gemacht.
"Regularien wird man nicht so einfach los"
Doch die Frage ist, ob Trump alle unter Obama beschlossenen Auflagen wirklich rückabwickeln kann - die Krankenversicherung ebenso wie die Bankenregulierung. Experten sehen das kritisch. Dodd Frank für Banken zurückzudrehen, sei vielleicht mit Schwierigkeiten noch machbar, sagt Christopher Whalten von der Ratingagentur KBRA. Anders sei es aber mit der Krankenversicherung oder dem Steuersystem, das Trump sich auch vorknöpfen möchte. Roland Boekhout Vorstandschef ING Diba sieht das ebenfalls kritisch: "Die Regularien, die existieren, wird man nicht so einfach los. Das sind langfristige Prozesse die dahinter stecken", sagt er n-tv.
Viele Banken blenden das aus, sie hoffen auf gute Geschäfte mit dem US-Präsidenten. Die Frage ist nur, ob diese Wette aufgeht. Hoch im Kurs steht bei Insidern derzeit ein Kompromiss von Jeb Hensarling, der den Finanzausschuss im Abgeordnetenhaus leitet.
Sein "Financial Choice Act" sieht vor, dass Banken die Wahl bekommen: Wenn sie weiter Kapital zur Sicherheit aufstocken, werden sie von lästigen Auflagen befreit. Wer seine Eigenkapitalbasis für eigene Finanzmarktwetten schrumpfen möchte, wird weiterhin engmaschig überprüft. Trump könnte sich daran orientieren, zumal Hensarling gute Beziehungen zu Trumps Stellvertreter Mike Pence hat, der auch den Senat leiten wird.
Noch weiß man zu wenig über Trump als Politiker, er gilt immer noch als "wild card". Skeptiker weisen darauf hin, dass er über keinerlei Erfahrung verfügt, seine Pläne seien wenig durchdacht. Niemand sollte sich also wundern, wenn er sich hier und da noch überraschend wendig zeigt.
Quelle: ntv.de