Supertiptop-Traumfinale im DFB-Pokal BVB will die Krönung, Bayern den Trostpreis
17.05.2014, 10:15 Uhr
Zwei Toptrainer, aber nur ein Pokal: Jürgen Klopp und Josep Guardiola üben für das Siegerfoto.
(Foto: dpa)
FC Bayern gegen Dortmund ist das Duell der Superlative im deutschen Fußball. In Berlin spielen die beiden Über-Teams der Bundesliga nun den Pokalsieger aus. Einen Favoriten gibt es nicht, aber viel zu verlieren - zumindest für ein Team.
Worum geht's?
Um den Job von Bayern-Coach Josep Guardiola. Kleiner Scherz, Guardiola ist doch "top-top-top"! Zuallererst geht es natürlich um die Antwort auf eine schlichte Frage: Wer wird diesmal auf dem bekanntesten Werk des Kölner Goldschmieds Wilhelm Nagel verewigt, das in Fachkreisen schnöde als DFB-Pokal bekannt ist? Titelverteidiger FC Bayern, der den Sockel des Cups bereits 16 Mal ziert, oder doch Borussia Dortmund? Vor der Gravur für die Ewigkeit steht in Berlin aber das Spektakel. Man muss schließlich nicht DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sein, um zu erkennen: Das Olympiastadion wird zur Bühne für ein "Traumfinale wie man es sich besser und attraktiver nicht vorstellen kann". Die Erwartungen sind riesig, die Ansprüche auch. Guardiolas Münchner müssen ihrem Trainer im Pokalendspiel zwar nicht den Job retten. Zumindest sollten sie aber den dramatischen Druckabfall nach der März-Meisterschaft ansatzweise vergessen machen, die Bayern-Planungen sahen das Münchner Saisonende ja eigentlich erst eine Woche später in Lissabon vor. Dort gibt es nun eine Madrider Stadtmeisterschaft um die Champions-League-Krone.
Für die im Halbfinale blamierten Bayern ist der Pokal in diesem Jahr nur der beste Trostpreis der Welt. Für Jürgen Klopp nicht. Deshalb witzelte sich der BVB-Coach am Tag vor dem Finale durch die Pressekonferenz, während Guardiola vor sich hin grübelte. Für Klopp ist das 71. DFB-Pokalendspiel nicht weniger als "das größte Finale, das man so spielen kann". Ein Sturmlauf ins Champions-League-Endspiel ist ja beim BVB bislang eher Ausnahme als Regel. Im Pokal ist die Borussia immerhin schon zum sechsten Mal im Finale dabei und strebt als Krönung einer starken Saison den vier ten Triumph an. Der bisher letzte gelang 2012 - durch eine 5:2-Demontage des FC Bayern. Wiedersehen macht also Freude für die Dortmunder, die ihren insgesamt vierten nationalen Titel in vier Jahren gewinnen wollen. Für die Münchner geht es in Berlin hingegen auch um Rache für die Schmach von 2012. Die war damals der desaströse Schlusspunkt unter die traumatische Triple-Vize-Saison der Münchner. Und die Ouvertüre zur traumhaften Triple-Saison ein Jahr später.
Worum geht's noch?
Sockelgravur, Rache, Trostpreis, Job - war es das schon? Nicht ganz. Außerdem geht es im Supersupersuper-Endspiel der beiden deutschen Toptoptopteams mit ihren Hypertrainern noch um:
- die "Vorherrschaft in Deutschland"
Die sieht Bayerns Thomas Müller trotz der Münchner Rekord-Meisterschaft nach dem vergleichsweise schwachen Saisonendspurt (Stichwort: Hölle dahoam) akut gefährdet - einen Topstart von BVB-Toptorjäger Robert Lewandowski beim FC Bayern
Der Bundesliga-Torschützenkönig stürmt in der neuen Saison für die Münchner, benötigt zuvor aber unbedingt noch einen BVB-Titel. Das findet zumindest BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ganz uneigennützig: "Für sein Entree beim FC Bayern ist es viel besser, wenn er als Pokalsieger kommt." - Leben und Tod
Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer gab als martialische Marschroute für das Finale aus: "Jeder muss bereit sein, für den anderen zu sterben." Im "leistungssportlichen Sinne", versteht sich. - einen BVB-Rekord für die Ewigkeit
3:0 beim SV Wilhelmshaven, 2:0 n.V. bei 1860 München, 2:0 in Saarbrücken, 1:0 in Frankfurt, 2:0 gegen den VfL Wolfsburg - das waren die Dortmunder Stationen auf dem Weg ins Endspiel. Aufmerksame Leser bemerken: Der BVB könnte den Pokal ohne Gegentor gewinnen. Das wäre ein Novum.
Wie stehen die Vorzeichen?
Als der FC Bayern zuletzt im Berliner Olympiastadion vorspielte, hieß der Gegner Hertha BSC. Es war März, Uli Hoeneß gerade erst zu einer Haftstrafe verurteilt, Guardiola ein Veredelungstechniker und die Favoritenrolle für jedes weitere Saisonspiel mit Münchner Beteiligung glasklar verteilt: pro FC Bayern. Der siegte damals leicht und locker 3:1 und fuhr als Bundesliga-Meister wieder nach Hause. Es war einer dieser "Rekorde für die Ewigkeit" (Sammer), an den sie sich in München derzeit gerne erinnern. Denn die damalige Dominanz ist einer Sinnkrise des Systems Guardiola gewichen. Blöd für die Bayern: Beim BVB ist es genau andersrum.

Wer gewinnt den DFB-Pokal 2014?
Seit dem ernüchternden 0:3 in der Champions League bei Real Madrid haben sich die Dortmunder eine Superform erarbeitet und es geschafft, ihr Leistungsniveau zu halten. Aus den vergangenen elf Pflichtspielen holte der BVB zwei Unentschieden und neun Siege, darunter ein krachendes 3:0 beim, richtig, FC Bayern. Das berühmte Momentum trägt im Moment schwarzgelb. In München sehen sie sich dennoch als "das Beste, was der deutsche Fußball zu bieten hat", so formuliert es Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Für Thomas Müller ist der Meister in Berlin Favorit. Der Nationalspieler räumt aber ein, dass "der aktuelle Trend die Dortmunder uns ein Stück näher bringt", zumal es um das bayerische Binnenklima schon besser bestellt war. Selbst Ur-Bayer Müller wurden zuletzt Abwanderungsgedanken nachgesagt. Zusammengefasst erlaubt das alles eine äußerst kühne Vorhersage: Entweder gewinnen die Bayern. Oder es jubelt der BVB.
Gibt's Überraschungen?
Bundestrainer Joachim Löw freut sich ganz neutral darauf, dass in "Berlin die Fetzen fliegen, im positiven Sinn". Das plauderte er im "Kicker" aus. Ausfälle für die anstehende Brasilien-Reise muss Löw trotz der in den Chefetagen geschürten München-Dortmunder Rivalität nicht befürchten, obwohl der halbe WM-Kader in Berlin zugange ist. Zumindest Münchens Müller geht aber nicht davon aus, "dass wir uns kaputt treten".
Auch sportlich gilt: Überraschung unwahrscheinlich. Am letzten Bundesliga-Spieltag variierten Klopp und Guardiola zwar noch einmal ihre Systeme. Die taktische Ausrichtung steht aber: Die Bayern werden auch in Berlin Ballbesitz wollen, die Dortmunder bei Ballverlusten konsequent den Angriffsturbo zünden. Leichtsinnige Fehler haben sich die Münchner deshalb in Berlin verboten, darauf warte Dortmund ja nur. Wobei das mit dem Warten relativ ist. Mit seiner extrem offensiven Verteidigungslinie und dem zuletzt wieder funktionierenden Teampressing ist der BVB jederzeit in der Lage, Ballverluste zu erzwingen. Zudem verfügen die Dortmunder im Gegensatz zu den Münchnern taktisch auch über Plan B und C. Paradebeispiel dafür: Dortmunds ultraflexibler WM-Aspirant Kevin Großkreutz, der in dieser Saison praktisch alle Positionen erfolgreich bekleidet hat. Münchens Arjen Robben, in den Duellen mit dem BVB mal tragischer und mal strahlender Held, vertraute dem "Kicker" dennoch ein Geheimnis an: "Zuletzt gab es so viele Spiele gegen Dortmund, dass es fast keine Geheimnisse mehr gibt."
Auf wen kommt es an?
Voraussichtliche Aufstellungen
Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Sokratis, Hummels, Schmelzer - Jojic, Sahin - H. Mkhitaryan, Reus, Großkreutz - Lewandowski
FC Bayern: Neuer - Rafinha, J. Boateng, Dante, Alaba - Javi Martinez - Lahm, T. Kroos - Robben, M. Götze - T. Müller
Schiedsrichter: Florian Meyer
Auf Mario Mandzukic schon mal nicht. Der kroatische Nationalspieler ist gar nicht mit nach Berlin geflogen. Warum er seinen besten Stürmer zu Hause in München ließ, bleibt das Geheimnis von Trainer Josep Guardiola. Der ließ lediglich verlauten: "Es war meine Entscheidung." Spricht also viel dafür, dass Müller einmal mehr beim FC Bayern den Job in der Angriffsmitte bekommt - oder Claudio Pizarro, der effizienteste Stürmer der abgelaufenen Saison. Und sonst? Ist dem Vernehmen nach Javi Martinez als Sechser im defensiven Mittelfeld vor der Viererabwehrkette mit Kapitän Philipp Lahm, Jeróme Boateng, Dante und David Alaba eingeplant. Der Spanier hat sich jedenfalls viel vorgenommen. "Ich muss der Abwehr helfen. Wenn ich gegen Dortmund im Pokalfinale spiele, will ich ihre Konter zerstören", sagte Martinez der "Sportbild". Eine Aussage die gleichzeitig den enormen Respekt verrät, den sie in München vor den Überfallangriffen des BVB haben. Schließlich haben sie mit konterstarken Mannschaften in dieser Saison zuletzt unerfreuliche Erfahrungen gemacht.
Und bei den Dortmundern? Selbstverständlich auf Europas besten Stürmer, Robert Lewandowski. Der hat sich gestern fit gemeldet und aus allen Verschwörungstheorien, er wolle sich vor dem Finale drücken, die Luft rausgelassen. Im Gegenteil: Nach seinen 20 Toren in der Bundesliga will er in Berlin weiter an seinem Ruf als gnadenloser Musterprofi arbeiten. Was böte sich da Besseres an, als in seinem erst einmal letzten Spiel für den BVB gegen seinen neuen Arbeitgeber noch einmal so richtig aufzutrumpfen? Klubchef Hans-Joachim Watzke, der vermutlich die zweite Halbzeit wieder auf der Toilette verbringen wird, ist sich trotz des baldigen Lewandowski-Wechsels nach München jedenfalls sicher: "Von allen Fußballspielern auf der Welt wird Robert mit dieser Situation am gelassensten umgehen." Lewandowski hat für sein Abschiedsspiel laut "Sportbild" eine ganz konkrete Vorstellung: "Ich möchte einen krönenden Abschluss - am liebsten mit einem Pokal in der Hand. Wir werden in Berlin ein Feuerwerk abbrennen." So wie 2012. Damals schoss der Pole im Endspiel drei Tore gegen die Münchner. Aber da hatte er noch nicht bei ihnen unterschrieben.
Falls Lewandowski dieser Umstand wider Erwarten doch hemmt, steht Marco Reus als Schlüsselspieler bereit. Seit Trainer Klopp ihn nicht mehr auf einer Außenposition einsetzt, sondern als Spielmacher, trumpft der deutsche Nationalspieler stärker auf als je zuvor und ist bester BVB-Profi. "Zentral zu spielen, kommt mir mehr zugute. Da nimmt man mehr am Spiel teil." Auch Reus hat eine klare Vorstellung davon, wie das Pokalfinale laufen soll: "Ich bin nach Dortmund gekommen, um Titel zu gewinnen. Und die Chance auf meinen ersten richtigen Titel bietet sich am Samstag." Schließlich sei sein BVB "die Mannschaft, die die Bayern am ehesten schlagen kann". Und das liegt auch an Reus.
Wer fehlt in Berlin?
1. Thiago. 2. Mario Mandzukic. 3. Bastian Schweinsteiger. 4. Franck Ribery, zumindest in der Bayern-Startelf. 5. Ilkay Gündogan (der am längsten verletzte Dortmunder Langzeitverletzte hat sein BVB-Comeback inzwischen auf die neue Saison verschoben). 6. Die Schuhe von Norbert Dickel.
Vor dem Finale 2012 hatte Dortmunds Pokalheld von 1989, damals beim 4:1 über Bremen zweimal erfolgreich, den BVB-Kickern seine Finalschuhe als Glücksbringer mitgeschickt. "Nobby war der Meinung, dass es beim BVB so langsam mal einen anderen Pokalhelden geben sollte", plauderte BVB-Coach Klopp am Freitag aus dem Nähkästchen. Diesmal ist Dickel wieder mit dabei, als Dortmunder Stadionsprecher darf er die BVB-Kurve im Olympiastadion in Pokalstimmung bringen. Seine Erfolgs-Töppen bleiben aber daheim. Nicht nur, weil Robert Lewandowski seit seinem Final-Dreierpack 2012 als Dickel 2.0 durchgeht. Sondern weil sich der Schuhtrick als Geheimrezept gegen die Münchner im Champions-League-Finale 2013 schon überholt hat, sagte Klopp: "Im vergangenen Jahr haben wir es in London mit den Schuhen von Lars Ricken noch mal versucht - das hat ja nicht ganz so gut funktioniert."
Quelle: ntv.de