Fußball

Wer rückt in den Kader auf? Löw muss puzzeln und lässt Fragen offen

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Die große Fußball-Weltmeister-Party sollte es werden, doch das 2:4 im Testspiel gegen Argentinien hinterlässt mehr Sorgenfalten als Freudentränen. Vor allem mit Blick auf das erste EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland muss und wird Bundestrainer Löw nachlegen.

Ein 0:4 nach 50 Minuten im eigenen Stadion, das bringt sogar einen feierwütigen Fußball-Weltmeister in Erklärungsnöte. Bundestrainer Joachim Löw sah auch angemessen angefressen aus, als er nach der letztlich mit 2:4 verlorenen Neuauflage des WM-Endspiels gegen Argentinien zur Pressekonferenz in Düsseldorf kam. Allerdings: Löw war nicht angefressen, zumindest nicht wegen seines Teams. Der Bundestrainer war unglücklich über die Pfiffe gegen Mario Gomez, aber zufrieden mit dem, was seine Weltmeister den 51.192 Zuschauern gegen den Vize-Weltmeister geboten hatten. Und das verkündete er mit einer Bestimmtheit, die Zweifeln weitaus weniger Raum ließ als die DFB-Abwehr zuvor den argentinischen Angreifern.

Und ja, auch Löw haderte nach Spiel 1 als Fußball-Weltmeister, in 113 Partien als Bundestrainer hat er sich bei nun 16 Niederlagen noch nicht ans Verlieren gewöhnen müssen. Aber er haderte nicht mit seinen Spielern, sondern mit dem unglücklichen Verlauf, den die Partie in Düsseldorf genommen hatte. "Das war ein Spiel, was insgesamt vom Spielverlauf her so ein bisschen gegen uns lief", bilanzierte Löw einen Fußballabend, der das geplante Maß an Rausch und Festlichkeit nicht ganz erreichte. Mit ihrem Viererpack bis zur 50. Minute hatten die Argentinier nicht nur die Stimmung gedämpft. Sie hatten sich im Kurznachrichtendienst Twitter auch noch den deutschen Feier-Hashtag #4gefühl auf ärgerliche Weise zu eigen gemacht.

Der wiederholte Hinweis des Stadionsprechers nach Spielende, das DFB-Team habe ja das wichtige Duell mit Argentinien gewonnen, also das WM-Finale vor 52 Tagen in Rio, war rührend und sollte trösten. Aber er verpuffte als Stimmungsaufheller ebenso wirkungslos wie zuvor die deutschen Versuche, den mit drei Vorlagen und einem Tor grandios aufspielenden Angel di Maria zu stoppen - oder Löws Bemühen, das Positive am deutschen Spiel hervorzuhaben.

Defensivverbund wenig weltmeisterlich

Deutschland - Argentinien 2:4 (0:2)

Tore: 0:1 Agüero (20.), 0:2 Lamela (40.), 0:3 F. Fernandez (47.), 0:4 Di María (50.), 1:4 Schürrle (52.), 2:4 Götze (78.)
Deutschland: Neuer (46. Weidenfeller) - Großkreutz, Ginter, Höwedes (77. Rüdiger), Durm - Kramer, Kroos (71. Rudy) - Schürrle (57. Müller), Reus, Draxler (33. Podolski) - Gomez (57. Götze)
Argentinien: Romero (79. Andujar)- Zabaleta (77. Campagnaro), Demichelis, F. Fernandez, Rojo - Biglia, Mascherano - Lamela (68. Gago), Perez (46. A. Fernandez), Di María (86. Alvarez) - Agüero (83. Gaitan)
Schiedsrichter: Kuipers (Niederlande) - Zuschauer: 51.132 (ausverkauft)

Der Bundestrainer nahm sein Team in Düsseldorf demonstrativ in Schutz. In seiner Erzählung, und auch in der des Gladbachers Christoph Kramer, waren die Gegentreffer vor der Halbzeitpause unvermittelt und irgendwie unverdient über das DFB-Team hereingebrochen. "Wir hatten einige gute Angriffe, zwei, drei riesige Chancen, die wir wirklich gut herausgespielt hatten, lagen dann 0:2 zurück", schilderte Löw, wie er das Spiel erlebt hatte: "Nach der Halbzeit dann der Doppelschlag, dann war es natürlich schwer." Einig war man sich allerdings, dass zwei Gegentreffer in den ersten fünf Minuten nach Wiederanpfiff eher nicht weltmeisterlich sind. Aber, schob Löw eilig nach: "Trotz allem haben wir dann nicht nachgelassen, haben noch zwei Tore erzielt."

Auf dem Rasen hatte sich das Geschehen etwas anders dargestellt als in Löws Wahrnehmung. Nämlich so, dass Deutschland im Angriff aus guten, teils zufällig entstandenen Chancen sehr wenig gemacht hatte, wobei sich insbesondere Mario Gomez tragisch hervortat. Zu seinen Toren kam das DFB-Team erst, als Argentinien seinen luxuriösen Vorsprung zunehmend verwaltete.

Im deutschen Defensivverbund war hingegen lange Zeit nur bedingt zu erahnen, dass dort vor Manuel Neuer tatsächlich sechs Weltmeister operierten. Der Grund: Bis auf Toni Kroos und Benedikt Höwedes hatten die von Löw in der Abwehr aufgebotenen Akteure die Weltmeisterschaft vornehmlich oder sogar ausschließlich auf der Ersatzbank erlebt. Nach den Rücktritten von Rechtsverteidiger Philipp Lahm und Innenverteidiger Per Mertesacker hatte Löw angekündigt, jungen Defensivakteuren wie den Dortmundern Erik Durm und Matthias Ginter behutsam für größere Aufgaben aufbauen zu wollen. Gegen Argentinien standen beide in der Startelf und zahlten Lehrgeld. Ein Beispiel: Drei der vier deutschen Tore fielen über die linke Seite, die Durm zunächst gemeinsam mit Julian Draxler und später mit Lukas Podolski beackerte.

Die Party ist vorbei: Joachim Löw muss zum Schottlandspiel umdisponieren.

Die Party ist vorbei: Joachim Löw muss zum Schottlandspiel umdisponieren.

(Foto: imago/Sportimage)

"Natürlich hat man in der einen oder anderen Situation gemerkt, dass fehlende Erfahrung vorhanden ist. Das ist logisch", räumte Löw ein: "Da brauchen wir auch ein bisschen Geduld und Zeit. Die Spieler sind hochtalentiert. "Man könne aber nicht erwarten, dass sie innerhalb eines Spiels etablierte Profis ohne weiteres ersetzen könnten: "Unser Ziel heißt, die nächsten zwei Jahre diese Spieler heran- und in die Mannschaft zu führen." Besorgt sei er mit Blick auf die Zukunft nicht, betonte Löw. Die heißt am Sonntag in Dortmund zunächst Schottland.

Ansprüche nach unten korrigiert

Die Krux für Löw ist nur, dass er der scheinbar wild zusammengewürfelten Mannschaft aus dem Argentinien-Spiel auch zum EM-Qualifikationsstart wird vertrauen müssen. Die Hoffnung, dass die Stammkräfte Mesut Özil, Mats Hummels und Jérôme Boateng bis zum Sonntag medizinisch wiederhergestellt sind, hat sich bei Özil bereits zerschlagen und bei Hummels auf ein Minimum reduziert.

Lediglich Boateng dürfte als Abwehrchef wieder in die Mannschaft rücken, weshalb Löw "den einen oder anderen Spieler nachverpflichten" wird. An wen er denkt, ließ er offen. Offensichtlich hochkarätige Alternativen stehen ihm nicht zur Verfügung. "Die personelle Seite", gab Löw unumwunden zu, "ist für mich ein größeres Problem als das Spiel oder das Ergebnis heute."

Für das Spiel gegen Schottland stellte er dennoch eine Leistungssteigerung in Aussicht, "da bin ich mir sicher". Unterstützung bekam der Bundestrainer von Benedikt Höwedes. "Wir brauchen nicht lange drumherum zu reden: Das war nicht gut, aber auch nicht so schlecht, wie es das Ergebnis aussagt", sagte der Schalker, der nach einer WM als Linksverteidiger diesmal im Abwehrzentrum agierte. Er versprach: "Wir werden am Sonntag ein vernünftiges Spiel machen."

Die Ansprüche daran, was vernünftig ist, hat der amtierende Fußball-Weltmeister in Düsseldorf mit dem 0:4 nach 50 Minuten freilich vorerst korrigiert. Nach unten.

Quelle: ntv.de

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