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Alles möglich bei US-Wahl 2028? Kamala Harris stellt sich für Kandidatenschlacht früh auf

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Kamala Harris im Wahlkampf - für das Plebiszit über einen neuen Wahlkreiszuschnitt in Kalifornien.

Kamala Harris im Wahlkampf - für das Plebiszit über einen neuen Wahlkreiszuschnitt in Kalifornien.

(Foto: AP)

Die Wahlverliererin von 2024 will es womöglich noch einmal wissen und 2028 erneut antreten. Zwar steht Ex-US-Vizepräsidentin Harris auf verbrannter Erde. Doch Alternativen sind bei den Demokraten derzeit rar.

Kaum eine Politikerin wurde in den vergangenen Jahren so unterschiedlich eingeschätzt wie Kamala Harris. Als die US-Demokratin 2020 ins Rennen um das Weiße Haus ging, galt sie kurzzeitig als Senkrechtstarterin: eloquent, klug, scharfzüngig, eine charismatische Juristin mit klaren Werten und einem Lebenslauf, der zum amerikanischen Traum passt. Nach der Wahlniederlage gegen Donald Trump vor einem Jahr musste sie viel Kritik einstecken: zu steif, fehlende Ideen, zu viel Gerede über Trump und den 6. Januar 2021, als dessen Anhänger das Kapitol stürmten.

In einem Interview mit NBC News sagte Harris kürzlich, sie schließe eine erneute Präsidentschaftskandidatur nicht aus, wenn die Umstände es verlangen. Bei BBC legte sie nach: Ich bin noch nicht fertig ("I am not done"), meinte sie nebulös. Eine beiläufige Bemerkung? So etwas ist selten zufällig in Washington. Steht Harris unrettbar auf verbrannter Erde - oder kann sie die richtigen Schritte gehen und eine echte Chance der Demokraten auf das Weiße Haus sein?

In ihrem Buch über den kurzen Wahlkampf ("107 Days"), den sie nach dem Rückzug von Präsident Joe Biden führte, beschreibt Harris, wie wenig Einfluss sie als Vizepräsidentin hatte: Biden habe sie kaum in strategische Entscheidungen eingebunden, über wesentliche Schritte habe sie oft erst im letzten Moment erfahren. Selbst dessen Rückzug als Kandidat kam für sie - so schreibt sie - überraschend.

Diese "stiefmütterliche Behandlung", so nennen es Weggefährten, habe Harris' öffentliches Profil massiv geschwächt. Trotzdem verlor Harris die Wahl nur knapp, und das unter denkbar schwierigen Bedingungen nach dem kürzesten Wahlkampf in der US-Geschichte.

Juristische Schärfe

Vor ihrer Zeit im Weißen Haus war Harris alles andere als eine Randfigur. Als Senatorin zerlegte sie bei Anhörungen republikanische Zeugen mit chirurgischer Präzision. Ihre pointierten Fragen, juristische Schärfe und rhetorisches Talent machten sie zu einer der gefürchtetsten Stimmen im politischen Washington. Sie wurde auch zum Symbol für ein neues, selbstbewusstes "Women Empowerment": gebildet, engagiert und kompromisslos in dem, was sie für richtig hält.

Anders als in Deutschland beginnt der Präsidentschaftswahlkampf in den USA sehr früh, meist spätestens kurz nach den Midterms, also den Kongresswahlen zur Halbzeit einer Amtszeit des Präsidenten. Wer sich bis dahin nicht positioniert, kann zu spät dran sein. Die Demokraten wirken derzeit führungs- und orientierungslos. Harris ist ein bekannter Name, daran hat auch ihre Niederlage 2024 nichts geändert. Zudem bleibt sie in ihrem Heimatstaat Kalifornien populär, für den sie früher als Staatsanwältin tätig war: 38 Prozent der dortigen Befragten gaben an, sie gerne als Nachfolgerin des 2026 scheidenden Gouverneurs Gavin Newsom sehen zu wollen. In einer Umfrage zur Präsidentschaftswahl kommt sie unter Demokraten auf Platz 3 hinter Newsom und Pete Buttigieg.

Angriffsfläche oder Hoffnung?

Republikaner stellen Harris als abgehoben, instinktlos und "zu woke" dar. Zugleich sehen viele moderate Demokraten sie skeptisch, weil ihre Amtszeit im Schatten Bidens kraftlos wirkte und sie schon eine Wahl verloren hat. Harris bietet Angriffsfläche und ein wenig Hoffnung zugleich. Alternativen haben die Demokraten derzeit wenige. Der parteiinterne Nachwuchs ist zerstritten zwischen linken Forderungen und vermeintlichem Pragmatismus.

Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez verkörpern den linken Flügel der Partei, doch es ist fraglich, ob sie mit ihren Positionen mehrheitsfähig sind. Der größte innerparteiliche Konkurrent ist derzeit Newsom. Er und Harris stammen aus einem ähnlichen politischen Biotop und repräsentieren die weltoffene Westküsten-Elite. Newsom hat den Nachteil, dass er die Last eines Staates trägt, der zu einem Beispielfall amerikanischer Probleme geworden ist: Obdachlosigkeit, Drogen, Gewalt. Kritiker sprechen vom "Zerfall Kaliforniens".

Harris hingegen könnte argumentieren, sie habe nie in einem üblicherweise wesentlich längeren Wahlkampf landesweit die Möglichkeit erhalten, zu zeigen, was sie kann. Sie ist in Washington bestens vernetzt und erfahren genug, hat sich oft gegen Widerstände durchgesetzt: als Frau, Schwarze und Tochter von Einwanderern, als Politikerin in einem Land, wo die Wählergunst noch immer seltener an Frauen geht als an Männer.

Sollte Harris sich tatsächlich in die Vorwahlen der Demokraten wagen, könnte sie argumentieren, dass sie nie wirklich scheitern durfte - weil man sie nie hat regieren lassen. Ob ein solches Argument bei Parteiführung und Wählern verfängt, ist eine andere Frage.

Quelle: ntv.de

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