Arrivierter Provokateur Jiří Georg Dokoupil packt an
09.08.2022, 06:39 Uhr
Jiří Dokoupil vor einem seiner Seifenblasenkunstwerke.
(Foto: Geuer & Geuer)
Er stellt in den großen Galerien weltweit aus und ist seit den 1980er-Jahren ein globaler Kunst-Star. Doch Jiří Dokoupil lässt sich nie auf einen einzigen Stil festlegen. Als einer der unkonventionellsten Künstler der Gegenwart begeistert er mit immer neuen Techniken, seine Arbeiten erzielen bei Auktionen mittlerweile Rekordpreise.
Kerzenbilder, Seifenblasen als Farbträger und Peitschen als Pinsel: Jiří Georg Dokoupil bedient sich in seiner künstlerischen Praxis gerne unkonventioneller Methoden. Der neoexpressionistische Maler nutzt seit 1986 keine Pinsel mehr für seine Bilder. In den Achtzigerjahren ist Dokoupil der Star unter den Jungen Wilden, die damals gleichzeitig die Museen, den Kunstmarkt und Großausstellungen wie die documenta erobern. Heute sind Dokoupil und die anderen Vertreter seiner Genration echte Blue-Chip-Künstler, deren Kunst enorm im Wert gestiegen ist und heute auf dem Kunstmarkt sehr gefragt ist.
Geboren wird Dokoupil 1954 in Krnov in der damaligen Tschechoslowakei. Im Zuge des Prager Frühlings verlassen seine Eltern 1968 das Land und kommen nach Deutschland. In den Siebzigerjahren beginnt er in Köln und Frankfurt ein Studium der Kunst. In einem Hinterhofatelier im Haus Mülheimer Freiheit Nr. 110 formierte sich 1979 eine Gruppe neoexpressionistischer Maler, die sich nach der Adresse "Mülheimer Freiheit" nennt. Zusammen mit Hans Peter Adamski, Peter Bömmels, Walter Dahn, Gerard Kever und Gerhard Naschberger erprobt Dokoupil neue, pluralistische Formen der Kunst. Schon 1984 löste sich die Gruppe jedoch wieder auf.
Sein Studium führte Dokoupil auch zu Hans Haacke an die Cooper Union in New York. Auf dem Höhepunkt der trockenen Konzeptkunst entscheidet er sich, Maler zu werden. "Die Menschen gehen in Museen und Galerien, um ein Form- und Farb-Erlebnis zu haben. Das ist und bleibt die Essenz der Kunst. Die Schaffung eines Gemäldes hat mit der Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Material zu tun und das weigert sich in der Regel, sich einem Konzept zu unterwerfen", sagte er später in einem Interview mit dem Magazin "032c". Und sein nachhaltiger Erfolg gibt ihm recht: Im Juni 2022 wird ein Seifenblasenbild im Dorotheum für 265.000 Euro versteigert, Dokoupil spielt in einer Liga mit Künstlern wie Julian Schnabel oder Alex Katz.
Dokoupil pflegt eine sich ständig ändernde stilistische Bandbreite zwischen Neoexpressionismus und Konstruktivismus, barocker Verspieltheit und Pop-Art. Bald entwickelt er sich auch zu einem Liebling der Sammler, diese merken, dass sich mit seinen Arbeiten Leidenschaft und Rendite verbinden können. Ausstellungen bei Paul Maenz in Köln und Mary Boone, Leo Castelli und Ilenoa Sonnabend in New York erregen großes Interesse, die Ausstellungen sind schnell ausverkauft, seine Arbeiten gelten als eine gute langfristige Wertanlage.
Seine Arbeiten sind in den Kunstsammlungen des Centre Pompidou Paris, des Museums Ludwigs Köln und dem National Museum of Contemporary Art in Seoul vertreten, er hat Lehraufträge auf der ganzen Welt und bekam 2012 den Lovis-Corinth-Preis verliehen. Der postmoderne Künstler, der sich jeglicher Klassifizierung widersetzt, hat für seine künstlerische Praxis eigene Regeln: "Es muss dir in den Magen schlagen. Zu viel Theorie steht nur im Weg."
Gefördert durch treue und einflussreiche Sammler und Galeristen, die an ihn glauben, entwickelt Dokoupil seine künstlerische Identität weiter. Er beginnt nicht nur neue Stile und Themen, sondern auch neue Techniken zu erforschen. Er malt dunkle Kerzenbilder mit Ruß und nutzt eingefärbte Seifenblasen, die er auf seinen Leinwänden aufplatzen lässt. So entstehen mal düstere, mal zärtliche, fragile Arbeiten. Im Stil des Action-Paintings klatscht er Farbe mit Peitschen auf Leinwände, auch karamellisierte Muttermilch kommt als Farbträger zum Einsatz. Dokoupil will keiner festgelegten Stilrichtung zugeordnet werden. Er hat keine uniforme Handschrift, seine unterschiedlichen Serien könnten auch von unterschiedlichen Künstlern geschaffen worden sein. Dokoupil spielt mit neuen Techniken, erfindet Prozesse und nutzt unterschiedliche Materialien. Er experimentiert mit Neoexpressionismus, Figuration und verschiedenen Avantgarde-Stilen.
Dass dies in einem Markt, der auf berechenbare Stars und ikonische Motive setzt, problematisch sein kann, ist sich Dokoupil bewusst: "Sich anfällig für Misserfolge zu machen, ist hundert Mal produktiver, als weiterhin große, aufgeblasene Hunde zu produzieren. Den schwierigeren Weg zu gehen, ist interessanter", kommentierte er mit einem Seitenhieb auf den Kollegen Jeff Koons seine Haltung im Interview mit dem Magazin "032c".
Quelle: ntv.de