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Rammstein-Konzerte in München Besonderes Augenmerk auf Reihe null

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Diese Kniegeste wollen manche Fans wohl aufgreifen.

Diese Kniegeste wollen manche Fans wohl aufgreifen.

(Foto: picture alliance / Gonzales Photo/Sebastian Dammark)

Das erste Deutschland-Konzert im Rahmen der Rammstein-Tour kommt zu einer Zeit, in der schwerwiegende Vorwürfe gegen Frontmann Till Lindemann geäußert werden. Abgeschafft wird die mittlerweile berüchtigte "Row Zero" in München nicht, aber junge weibliche Fans soll es dort nicht mehr geben.

Die Band Rammstein befindet sich gerade auf großer Europatournee. Nach dem Startschuss am 22. Mai im litauischen Vilnius fängt am heutigen Mittwochabend der Tour-Teil in Deutschland an. Die insgesamt vier Konzerte im Olympiastadion München (7., 8., 10., 11. Juni) sind ausverkauft. Allerdings versuchen derzeit viele Fans ihre Karten wieder loszuwerden, und zwar teilweise deutlich unter Wert.

Das hängt sicherlich mit den Vorwürfen zusammen, die seit dem Tour-Auftakt in Vilnius kursieren. Mehrere junge Frauen berichten, sie seien während Konzerten von Rammstein gezielt ausgesucht und gefragt worden, ob sie zur Aftershowparty wollten. Dabei soll es den Schilderungen zufolge mitunter auch zu sexuellen Handlungen mit Frontmann Till Lindemann gekommen sein. Es gebe aber Zweifel daran, ob alle Betroffenen das so wollten. Schließlich lautet der schwerwiegendste Vorwurf bislang: Weibliche Fans sollen heimlich unter Drogen gesetzt worden sein.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte die 24-jährige Irin Shelby Lynn. Auf Twitter schrieb sie nach dem Besuch des Rammstein-Konzerts in Vilnius, dass sie offenbar unter Drogen gesetzt worden und in einem Backstage-Bereich auf Lindemann getroffen sei, der dann Sex mit ihr erwartet habe. Nach ihrem "Nein" soll er zwar verbal aggressiv geworden, aber von dannen gezogen sein. Seit der Veröffentlichung ihrer Aussagen bekomme Lynn Morddrohungen, berichtet die "Welt". Sogar ein Kopfgeld sei auf sie ausgesetzt worden, schreibt der Investigativ-Journalist Tim Röhn auf Twitter.

Band soll sich in "Schockstarre" befinden

Auch die Youtuberin und Influencerin Kayla Shyx, mit bürgerlichem Namen Kaya Loska, kritisiert die Zustände bei Rammstein-Konzerten scharf. In einem 37-minütigen Video berichtet die 21-Jährige, wie auch sie mit einer Freundin von der "Row Zero" - dem Sicherheitsbereich unmittelbar vor der Bühne - von einer "Casting-Direktorin" namens Alena Makeeva auf eine Aftershowparty geleitet worden sei. Auf die eigentliche Party ging es ihr zufolge aber gar nicht, sondern zu einem separaten Bereich, in dem sie auf Lindemann treffen und womöglich mit ihm Sex haben sollte. Letztlich sei sie vor dieser Situation aber geflüchtet.

Nach den ersten laut gewordenen Vorwürfen von Shelby Lynn reagierten die Bandmitglieder zunächst mit einer kurzen Abwiegelung. Es seien "ihnen keine Ermittlungen bekannt". Etwas später, nachdem weitere Frauen sich zu Wort gemeldet hatten, folgte eine wesentlich längere Stellungnahme. Darin hieß es, die Vorwürfe hätten Rammstein sehr getroffen und man nehme diese außerordentlich ernst. "Unseren Fans sagen wir: Es ist uns wichtig, dass Ihr euch bei unseren Shows wohl und sicher fühlt - vor und hinter der Bühne."

Weiter hieß es in dem Schreiben: "Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit und bitten euch: Beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge." Auch die Band habe aber ein Recht - nämlich ebenfalls nicht vorverurteilt zu werden. Aus dem Umfeld der Band wird von gedrückter Stimmung, Nachdenklichkeit, ja "Schockstarre" berichtet.

"Row Zero" ohne weibliche Fans

Für die Münchner Konzerte wurden kurz darauf erste Konsequenzen angekündigt. In der Reihe null ("Row Zero") sollen keine Gäste-Gruppen mehr zugelassen sein. In der Vergangenheit waren an den Bühnenrändern meist junge und auffällig gekleidete Frauen zu sehen. Ganz abgeschafft wird dieser Bereich aber wohl nicht. Wie die Münchner "AZ" schreibt, gebe es nach Angaben aus dem Band-Umfeld wegen Sicherheitsgründen die Notwendigkeit für eine "Row Zero". Dort sollen sich auch weiterhin Crew- oder Familienmitglieder der Band aufhalten dürfen. Zudem, so berichtet die "AZ" weiter, gehe der Verzicht auf Fans in der "Row Zero" auf eine Entscheidung zurück, die bereits nach dem Konzert in Vilnius getroffen worden sei.

Das Konzept für die Aftershowpartys sei ebenfalls geändert worden, heißt es im Umfeld der Band. Es solle keine zwei getrennten Partys mehr geben - eine große für Fans und Band, eine kleine für Lindemann und Frauen. Künftig sei, wenn überhaupt, nur noch eine Feier für alle nach den Konzerten geplant. Für München liegen jedoch noch unterschiedliche Angaben zur Partyregelung vor. So schreibt die "AZ", der hiesige Veranstalter habe angegeben, es werde nach dem Konzert gar keine Party geben. Das habe auch Auswirkungen auf Rammstein-Fans, die bei solchen Gelegenheiten gern Selfies mit den Musikern machten. Das sein nun "blöd für alle", wird wiederum Lindemann dazu zitiert.

Für die Auftritte der Band in der Hauptstadt am 15., 16., und 18. Juli gibt es eine klare Ansage zu Feierlichkeiten nach dem Konzert. Laut der Berliner Innensenatorin Iris Spranger wird es in Berlin keine Aftershowpartys geben. Es gelte, die Ermittlungen abzuwarten, "aber die Vorwürfe wiegen so schwer, dass Schutz und Sicherheit der Frauen hier absoluten Vorrang haben".

Lindemann soll bereits seit dem Vortag in München sein

Der Sänger von Rammstein soll bereits seit Dienstagnachmittag in München sein, berichtet die "Bild"-Zeitung. Demnach kam der 60-Jährige mit einem schwarzen Kleinbus mit abgedunkelten Scheiben an, mit dem er direkt in die Tiefgarage und ins Hotel entschwunden sei. Dem Blatt zufolge werden zu den vier Konzerten in München 240.000 Menschen erwartet. Unter Berufung auf das Polizeipräsidium München heißt es weiter, pro Konzert seien rund 100 Beamte abgestellt. "Vor allem sorgen die Beamten vor und nach dem Konzert für die Verkehrssicherheit bei An- und Abfahrt der Besucher", sagte Polizeisprecher Werner Kraus im Gespräch mit der Zeitung. Aber auch für die Sicherheit im Stadion und drum herum werde gesorgt.

Das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) wiederum will sich darum kümmern, dass die Veranstaltungsauflagen eingehalten werden. In einer schriftlichen Stellungnahme schreibt das KVR, neben der Branddirektion würden auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KVR in Zusammenarbeit mit der Polizei die Konzerte vor Ort eng begleiten. Das KVR stehe mit dem Veranstalter der Konzerte in Kontakt, um weitere Maßnahmen wie "Awareness-Bereiche" oder "Safe spaces" zu planen.

Die Band soll für die Konzerte selbst ein Awareness-Konzept in Auftrag gegeben haben. Sechs Mitarbeiter sollen in Verbindung mit der Security nach Auffälligkeiten im Stadion Ausschau halten. Zudem soll es einen Safe-Space-Bereich geben, in den sich möglicherweise Betroffene, die sich während des Konzerts belästigt fühlen, zurückziehen können, heißt es. Auch gebe es bereits seit dem Tour-Auftakt in Vilnius eigene Untersuchungen im Umfeld der Band, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Dazu sollten schon Zeugenaussagen vorliegen. Auch möglicherweise betroffene Frauen werden demnach befragt werden. Wann dazu etwas öffentlich gemacht wird, ist aber noch unklar.

Fans wollen Tickets verkaufen, aber auch von Solidaritätsgeste ist die Rede

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Die Eintrittskarten für Rammstein-Konzerte sind personalisiert. Daher müssen diese, falls man sie verkaufen möchte, über offizielle Wiederverkaufsplattformen angeboten werden. Über Fansale, die offizielle Plattform von Eventim für solche Wiederverkäufe, stehen für die Konzerte ab dem 8. Juni viele Tickets zum Verkauf. Dass dies mit den aktuellen Vorwürfen gegen Lindemann zu tun hat, kann aber nur gemutmaßt werden. Eine Nutzerin auf Twitter schreibt jedenfalls: "Wir haben unsere Rammstein-Tickets zurückgegeben, nicht nur, weil wir den Support nicht geben wollen, sondern auch, weil wir alle uns komisch fühlen würden mit dem Wissen, dass da unten die 'Row Zero' ist."

Doch nicht alle Fans gehen auf Distanz zur Band. Im Gegenteil: So gibt es in verschiedenen Online-Fangruppen die Idee, bei den Konzerten eine Solidaritätsgeste zu zeigen. So berichtet etwa die "Berliner Morgenpost", manche Fans hätten vor, zum Ende des Auftritts auf die Knie zu gehen - so wie es auch die Band stets macht. "Wenn sie knien, knien wir mit ihnen und singen 'Ohne dich'", heißt es in einem Aufruf. "Lassen wir sie wissen, wie sehr wir sie lieben, Liebe ist für alle da, auch für Rammstein". Sehr erschüttert über diese Geste zeigte sich Aktivistin, Autorin und Comedian Jasmina Kuhnke. Sie verwies auf den Ursprung der Geste in der Black-Lives-Matter-Bewegung. "Ich will einfach nur noch schreien", kommentierte sie auf Twitter.

Quelle: ntv.de, ysc

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