Ridley Scott wird 80 Der Mann, der in die Zukunft schaut
30.11.2017, 10:30 Uhr
Ridley Scott mit Hauptdarstellerin Sigourney Weaver am Set von "Alien".
(Foto: imago/Cinema Publishers Collection)
Irgendwas bleibt immer hängen. Ein Bild, eine Szene, eine Stimmung. Ridley Scott ist ein Meister ikonischer Bilder, oft erwies er sich als Visionär. Mit 80 Jahren kehrt er zu seinen großen Erfolgen zurück, zu "Alien" und "Blade Runner".
Hört man den Titel eines Films von Ridley Scott, hat man sofort Bilder vor Augen. Das düstere Raumschiff, in dem Ellen Ripley sich dem "Alien" stellt. Harrison Ford, der in einem verregneten Großstadtmoloch Androiden jagt. Thelma und Louise, die ihr Auto über eine Klippe steuern oder das mächtige Kolosseum, in dem Russell Crowe als "Gladiator" um sein Leben kämpft. Nahezu jeder Kinogänger dürfte schon einen Scott-Film gesehen und in dessen Bildern geschwelgt haben.
Scott legt nicht nur Wert auf seine Figuren, sondern vor allem auf deren Umgebung. Ihm geht es immer um starke visuelle Eindrücke. Vielleicht liegt das daran, dass er gelernter Grafikdesigner und Szenenbildner ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass er jahrelang äußerst erfolgreich Werbefilme produziert hat, die in kürzester Zeit Stimmungen und Gefühle transportieren müssen. Scott hat mehr als 2000 Clips gedreht, unter anderem für Chanel und später für Apple den ersten Macintosh-Spot. Damit legte er den laut einer Umfrage beliebtesten Werbefilm der britischen Geschichte vor.
Vergleichsweise spät zog es ihn dann zum Kino - wo er seine Liebe zum detaillierten und penibel gestalteten Szenenbild keinesfalls ablegte. Kritiker haben ihm deshalb vorgeworfen, er würde über den schönen Schein die Geschichte, die er erzählt, vernachlässigen. Andererseits hat der vor 80 Jahren geborene Brite, der 2003 zum Ritter geschlagen wurde, mit seinen Filmen neues Terrain erobert. Sein visueller Stil hat mehrere Filmgenres in neue Richtungen gelenkt und nachfolgende Regisseure beeinflusst.

Auch ein ikonisches Bild: Susan Sarandon (l.) und Geena Davis in "Thelma und Louise".
(Foto: imago stock&people)
Schon als Kind las Scott Bücher von H.G. Wells ("Krieg der Welten"), die sein Interesse an Science-Fiction weckten. Später überzeugte ihn "Star Wars" von den Möglichkeiten des Genres. So verwundert es nicht, dass es mit "Alien" und "Blade Runner" zwei Science-Fiction-Filme waren, die ab den späten 70er-Jahren seinen Weltruhm begründeten. Dabei war es nicht nur der Blick in die Zukunft, der beide Filme zu Klassikern werden ließ, sondern vor allem die Vision, die Scott daraus entwickelte.
Im Kopf hat es "klick" gemacht
Scott war nach eigenen Angaben der fünfte Regisseur, dem die Verfilmung von "Alien" angeboten wurde. Dem "Guardian" erzählte er kürzlich, dass es in seinem Kopf "klick" gemacht habe, als er das Drehbuch las: "Ich wusste, was ich zu tun hatte." Dazu gehörte erstmal, den rein männlichen Cast durch eine weibliche Hauptdarstellerin - Sigourney Weaver - zu bereichern. Als Kind eines Soldaten war Scott vor allem von seiner Mutter erzogen worden, weshalb er Respekt vor starken Frauenfiguren hat. Mit "Thelma & Louise" legte er später einen Meilenstein des feministischen Kinos vor.
Daneben reicherte er den "Alien"-Mix aus Horror und Science Fiction aber auch mit einem bahnbrechenden visuellen Stil an. Verantwortlich dafür waren eine Reihe Künstler, die zuvor an der gescheiterten "Wüstenplanet"-Verfilmung von Alejandro Jodorowsky gearbeitet hatten, vor allem der Schweizer HR Giger. Dieser entwarf alle Elemente, die mit dem titelgebenden Alien zusammenhingen und erhielt dafür den Oscar für die visuellen Effekte.
Mit "Blade Runner" legte Scott noch eins drauf. Er entwarf eine Stadt, besser: einen Moloch, in dem es gefühlt immer regnet - er ließ sich von seiner industriell geprägten Heimat in Nordengland inspirieren. Das Prinzip aber blieb dasselbe: Mit einem sorgsam entwickelten Szenenbild, dem gezielten Einsatz von Licht und Musik, Spezialeffekten sowie etlichen Details entwarf der Regisseur ein düsteres Szenario, das sich vom epischen, märchenhaften Pop von "Star Wars" abhob.

Mit Russell Crowe (r.) drehte Scott fünf Filme, darunter den Oscar-Film "Gladiator".
(Foto: imago stock&people)
Bis heute setzt Scott auf originale Szenenbilder und verzichtet, wo es geht, auf Computertricks. "Wenn man dem Publikum wirklich Angst machen will, braucht man Charaktere, um die sich das Publikum sorgt, und eine Atmosphäre, die sich echt anfühlt", sagte er einmal. Dem folgt er bis heute - wo ihn "Alien" und "Blade Runner" wieder eingeholt haben. Mit "Prometheus" und "Convenant" hat er inzwischen die Vorgeschichte der Horror-Saga erzählt, weitere Filme sind in Planung. Auch "Blade Runner" wurde kürzlich fortgesetzt. Scott war diesmal als Produzent dabei, für die Regie fehlte ihm die Zeit.
Späte Gerechtigkeit und Anerkennung
Es scheint, als drehe der Regisseur umso mehr auf, je älter er wird. Zuletzt legte er fast jährlich einen Film vor. Scott hat grandiose Flops gedreht wie "Die Akte Jane", Mittelmaß wie "The Counselor", aber auch große Erfolge wie "Thelma & Louise" oder "Der Marsianer". Es waren Thriller darunter ("Der Mann, der niemals lebte"), Gangsterstreifen ("American Gangster") und ein Kriegsfilm ("Black Hawk Down"). Interessanterweise drehte der Science-Fiction-Visionär neben "Gladiator" noch weitere opulente Historienfilme - "Königreich der Himmel", "Robin Hood" und "Exodus". Manche Filme fielen bei der Kritik durch, andere beim Publikum. In Erinnerung bleiben fast alle. Eine große Leistung im schnelllebigen Kinogeschäft.
Bezeichnend für Scott ist aber auch, dass ihm mehrmals erst spät Gerechtigkeit widerfuhr. "Blade Runner" konnte bei Erscheinen beim Publikum nicht punkten. Vielleicht, weil gleichzeitig der familienfreundlichere Science-Fiction-Film "E.T." in den Kinos lief - der passte einfach besser in die kraftstrotzenden frühen Reagan-Jahre. Mittlerweile gilt "Blade Runner" als wegweisend. Auch, weil Scott mit dem "Final Cut" seine endgültige Version vorgelegt hat. Gleiches gilt für den gefloppten Fantasyfilm "Legend" mit Tom Cruise. Erst der Director's Cut erlangte Kultstatus.
Immer wieder hat Scott umgeschnittene Versionen seiner Filme vorgelegt, selbst dann, wenn er das Original für ideal hielt, wie bei "Alien". Er gilt als großer Fan von DVD-Veröffentlichungen, für die er seine Filme nachträglich bearbeiten kann, bis sie seinen Vorstellungen entsprechen. Dazu liefert er Interviews und Audiokommentare. Nicht selten haben die Versionen für das Heimkino bessere Kritiken erhalten als die Kinoversionen.
Kürzlich allerdings musste Scott nacharbeiten, obwohl der Film noch gar nicht im Kino lief. Nach etlichen Vorwürfen der sexuellen Belästigung gegen Kevin Spacey schnitt er den Schauspieler aus dem bereits fertigen Spielfilm "Alles Geld der Welt" komplett heraus. Die entsprechenden Szenen wurden mit Christopher Plummer nachgedreht. Scott ist konsequent, auch mit 80 Jahren.
Quelle: ntv.de